download (pdf, 1.04 MB) - Campus Verlag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Demokratie in einer kapitalistischen Wirtschaft 29<br />
1.2 Die Grenzen europäischer Legitimität<br />
Es gibt also wenigstens vier verschiedene institutionelle Mechanismen, die in<br />
Kombination miteinander zur Begründung output-orientierter Legitimität<br />
herangezogen werden können. Auf nationaler Ebene interagieren diese miteinander<br />
auf komplexe Weise. Insgesamt kann man dazu sagen, daß die Legitimität<br />
aller effektiven Entscheidungsstrukturen gesteigert wird durch die<br />
Koexistenz mit offenen Politiknetzwerken, in denen Probleme und mögliche<br />
politische Lösungen in weit gefächerten oder eng fokussierten Deliberationen<br />
geklärt werden können. Andererseits wird die Legitimationskraft allgemeiner<br />
Wahlen und der politischen Verantwortlichkeit von Regierungen durch die<br />
Existenz von Verfassungsgerichten, unabhängigen Zentralbanken und intergouvernementaler<br />
oder korporatistischer Verhandlungssysteme gemindert.<br />
Umgekehrt wird die Legitimität der Entscheidungen unabhängiger Instanzen<br />
durch die Möglichkeit gestärkt, daß sie im Extremfall durch die politisch verantwortlichen<br />
Regierungen und Parlamente korrigiert werden könnten. Nur<br />
dann nämlich kann die ausbleibende Intervention als stillschweigende Bestätigung<br />
interpretiert werden. Noch stärker wirkt der Legitimationseffekt offener<br />
Konflikte, wenn der ernsthafte Versuch einer politischen Intervention an<br />
der öffentlichen Unterstützung der unabhängigen Institution scheitert. 10<br />
Auf der nationalen Ebene reicht die Kombination majoritärer und nichtmajoritärer<br />
Mechanismen durchaus hin, um output-orientierte Legitimationsargumente<br />
so weit zu plausibilisieren, daß die Akzeptanz sogar sehr unpopulärer<br />
Entscheidungen gewährleistet bleibt. Auf europäischer Ebene freilich<br />
dominieren die Mechanismen der Expertokratie und der intergouvernementalen<br />
Verhandlungen, und es fehlt die subsidiäre Interventionskompetenz<br />
einer vom Wähler majoritär legitimierten Legislative. 11 Entscheidungen<br />
10 So jedenfalls hat man 1937/38 das Scheitern von Franklin D. Roosevelts »Court Packing<br />
Plan« (der den Widerstand des konservativen Gerichtshofs gegen die New-Deal-Gesetze<br />
durch Zuwahl weiterer Richter brechen sollte) interpretiert, und Theo Waigels Kapitulation<br />
im Konflikt um die Neubewertung der Goldreserven der Bundesbank hatte 1997 den<br />
gleichen Effekt.<br />
11 Das Mandat und die Verfahrensregeln der deutschen Bundesbank oder der U.S. Federal<br />
Reserve könnten mittels einfachen Gesetzes geändert werden; und das gleiche gilt für die<br />
gesetzliche Korrektur von Entscheidungen des deutschen Bundeskartellamts oder der Federal<br />
Trade Commission und anderer unabhängiger Regulierungskommissionen in den Vereinigten<br />
Staaten. Nicht anders steht es bei der »gewöhnlichen« richterlichen Rechtsfortbildung;<br />
und sogar die richterliche Verfassungsauslegung kann zumeist durch qualifizierte<br />
legislative Mehrheiten korrigiert werden. Auf europäischer Ebene dagegen würden alle