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84 Kapitel 3<br />
halten werden, die unter dem Bretton-Woods-Regime fester Wechselkurse<br />
geld- und fiskalpolitische Instrumente zur Stabilisierung der Gesamtnachfrage<br />
und zur Steuerung realer und finanzieller Investitionen einsetzen konnte.<br />
In der »Stagflation« nach der ersten Ölkrise in den siebziger Jahren allerdings<br />
konnte die doppelte Herausforderung der Nachfragemangel-Arbeitslosigkeit<br />
und der Kostendruck-Inflation allein mit den Mitteln der staatlichen<br />
Fiskal- und Geldpolitik nicht mehr bewältigt werden. Trotzdem gelang es damals<br />
einigen Staaten mit »korporatistischen« Institutionen, denen auch die<br />
Lohnpolitik als Instrument makroökonomischer Steuerung zur Verfügung<br />
stand, Vollbeschäftigung und Preisstabilität gleichzeitig aufrechtzuerhalten<br />
(Scharpf 1987).<br />
Zur selben Zeit war jedoch das Bretton-Woods-Regime der festen Wechselkurse<br />
zusammengebrochen, und die internationale Kapitalmobilität hatte<br />
nach einem dramatischen Anstieg ein Stadium erreicht, in dem die nationale<br />
Geldpolitik nicht mehr in der Lage war, die Realzinssätze unter der von den<br />
internationalen Kapitalmärkten vorgegebenen Höhe zu halten. Jeder Versuch,<br />
das internationale (um erwartete Wechselkursänderungen korrigierte) Realzinsniveau<br />
zu unterschreiten, hatte nun nicht mehr höhere Realinvestitionen<br />
in der heimischen Wirtschaft zur Folge, sondern Kapitalflucht, Abwertung,<br />
höhere Inflation und im Ergebnis sogar höhere Effektivzinssätze (Södersten/<br />
Reed 1994). Diese Lehre haben jedenfalls die europäischen Politiker aus dem<br />
Debakel der keynesianischen Expansionspolitik gezogen, welche die erste<br />
Mitterrand-Regierung in den frühen achtziger Jahren in Frankreich betrieben<br />
hatte. In der Folge haben sich deshalb die Zentralbanken überall von einer<br />
Vollbeschäftigungspolitik nach keynesianischem Muster verabschiedet und<br />
verfolgen jetzt in erster Linie das Ziel der Preisstabilität.<br />
Da die Geldpolitik nun nicht mehr als Instrument zur Schaffung von Arbeitsplätzen<br />
zur Verfügung steht, können Regierungen, die trotzdem eine<br />
Steigerung der Beschäftigung durch eine Erhöhung der Gesamtnachfrage 2<br />
anstreben, nur noch auf »deficit spending« zurückgreifen. Wenn jedoch eine<br />
fiskalische Reflation nicht mehr durch niedrige Zinsen unterstützt wird, wird<br />
sie nicht nur in ökonomischer Hinsicht weniger effizient, sondern auch teu-<br />
2 Innerhalb der makroökonomischen Lehre verneinten der Monetarismus und, auf noch radikalere<br />
Weise, die Anfang der siebziger Jahre an Einfluß gewinnende »Rational-Expectations«-Schule<br />
jede Wirksamkeit der Nachfragesteuerung. Inzwischen ist die herrschende<br />
Auffassung in der Ökonomie aber offenbar wieder zu der Meinung zurückgekehrt, daß<br />
Änderungen in der Gesamtnachfrage zumindest kurzfristig reale Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum<br />
und Beschäftigung haben (Blanchard 1997; Solow 1997; Taylor 1997).