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Negative und positive Integration 79<br />

in Privatpraxen erbracht, deren Finanzierung durch die Abgeltung von Einzelleistungen<br />

von gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Auch bei<br />

den Altersrenten gibt es in einigen Staaten eine steuerfinanzierte und einheitliche<br />

Grundsicherung, die durch einkommensbezogene Zusatzversicherungen<br />

ergänzt werden, während andere Länder nur eine allgemeine, einkommensbezogene<br />

Rentenpflichtversicherung kennen. Darüber hinaus werden<br />

einige dieser Systeme nach dem Kapitaldeckungs-Prinzip finanziert,<br />

während bei anderen die laufenden Renten aus den laufenden Beiträgen finanziert<br />

werden.<br />

Auch bei den kollektiven Arbeitsbeziehungen stieße der Versuch einer<br />

Harmonisierung auf erhebliche institutionelle Schwierigkeiten. Einige Länder<br />

haben starke, andere haben schwache Gewerkschaften. In einigen Ländern<br />

folgt deren Organisation parteipolitischen oder ideologischen Kriterien,<br />

in anderen gibt es politisch neutrale Einheitsgewerkschaften, die in manchen<br />

Ländern nach dem Industrieprinzip, in anderen nach dem Berufsprinzip organisiert<br />

sind. Lohnverhandlungen werden in einigen Ländern branchenübergreifend<br />

und zentral geführt, in anderen finden sie auf der sektoralen<br />

und regionalen Ebene statt, in noch anderen sind sie stark dezentralisiert.<br />

Schließlich ist das System der industriellen Beziehungen in einigen Ländern<br />

stark verrechtlicht, während in anderen die Prinzipien des »free collective<br />

bargaining« auch von den Gewerkschaften verteidigt werden (Crouch 1993).<br />

Die Existenz gravierender ideologischer, ökonomischer und institutioneller<br />

Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten wird die Einigung auf<br />

gemeinsame europäische Regelungen in vielen Fällen extrem schwierig und<br />

in manchen Fällen ganz unmöglich machen. Da aber positive Integration,<br />

anders als die negative Integration, von einem hohen Grad an Konsens zwischen<br />

den Regierungen abhängt, kann man für bestimmte Arten politischer<br />

Probleme auf der europäischen Ebene kaum wirkungsvolle Lösungen erwarten.<br />

Wenn dann zugleich die Möglichkeit nationaler Lösungen durch die<br />

negative Integration und die Zwänge des wirtschaftlichen Wettbewerbs eingeschränkt<br />

wird, müßte dies die Problemlösungsfähigkeit der europäischen<br />

Mehrebenenpolitik – und damit deren output-orientierte demokratische Legitimation<br />

– reduzieren. Freilich kann diese vorläufige, auf Plausibilität gegründete<br />

Schlußfolgerung noch nicht verallgemeinert werden. Gerade hier<br />

ist ja mit erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Politikfeldern<br />

zu rechnen. Sie werden von den Beschränkungen der negativen Integration<br />

und des ökonomischen Systemwettbewerbs in unterschiedlichem Maße betroffen,<br />

und sie sind auch in unterschiedlichem Maße anfällig für intergouvernementale<br />

Konflikte auf der europäischen Ebene. Deswegen müssen die

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