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Die Legitimität der europäischen Mehrebenenpolitik 169<br />

Kommission und ihres Präsidenten im Vergleich zu einer parlamentarischen<br />

Demokratie recht schwach wirkt, erscheint die Abhängigkeit positiver Aktionen<br />

der Kommission von der Unterstützung durch die Regierungsvertreter<br />

im Rat beziehungsweise von einer Billigung durch den Europäischen Gerichtshof<br />

stark genug, um die Gefahr absichtlicher Manipulationen weitgehend<br />

auszuräumen. Zweifelhafter ist dagegen die europäische Fähigkeit zur<br />

effektiven Problemlösung. In dieser Hinsicht gibt es jedoch signifikante<br />

Unterschiede zwischen den verschiedenen Bereichen europäischer Politik.<br />

Ausgehend von der Unterscheidung zwischen negativer und positiver Integration<br />

(die mit der Unterscheidung zwischen marktschaffenden und<br />

marktkorrigierenden Politiken verwandt, aber nicht identisch ist) habe ich im<br />

zweiten Kapitel gezeigt, daß Kommission und Gerichtshof den erstgenannten<br />

Integrationstyp zu einem überaus wirksamen Instrument entwickelt haben,<br />

mit dem nationale Behinderungen des freien Verkehrs von Gütern,<br />

Dienstleistungen, Kapital und Arbeit unterbunden und Wettbewerbsverfälschungen<br />

korrigiert werden können. Die Legitimation dieser Politik der<br />

Marktintegration basiert formell auf dem Primärrecht der Verträge, die von<br />

den Regierungen aller Mitgliedstaaten abgeschlossen und von ihren Parlamenten<br />

ratifiziert wurden. Aber die Instrumente der negativen Integration<br />

werden nun auch zur Liberalisierung und zur Privatisierung einer großen<br />

Zahl von Dienstleistungs- und Infrastrukturaufgaben eingesetzt, die in allen<br />

Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und noch für Jahrzehnte<br />

danach vom Marktwettbewerb ausgenommen waren. Die materielle<br />

Legitimation dieser europäischen Liberalisierung des service public und der<br />

»Daseinsvorsorge« beruht also letztlich nur auf der Autorität der europäischen<br />

und nationalen Rechtsordnungen – und auf dem Freiraum, den diese<br />

einer nicht von demokratisch verantwortlichen Regierungen und Parlamenten<br />

kontrollierten richterlichen Rechtsschöpfung eröffnen. Mit anderen<br />

Worten: Ihre Akzeptanz basiert auf einem Legitimitätsglauben, der den internen<br />

Kontrollmechanismen des Rechtssystems und der Legitimation richterlicher<br />

Rechtsschöpfung durch Diskurse innerhalb der juristischen Profession<br />

vertraut, die – so jedenfalls die Hoffnung – in allgemein geteilten Vorstellungen<br />

von Gemeinwohl und Gerechtigkeit verwurzelt sind.<br />

Demgegenüber können positive Integration und marktkorrigierende Interventionen<br />

auf europäischer Ebene nur in einem sehr beschränkten Maße<br />

von den eigenständigen Rechtsetzungskompetenzen der Kommission und<br />

den Rechtsschöpfungsmöglichkeiten des Gerichtshofs profitieren. Sie hängen<br />

vielmehr von der politischen Zustimmung der nationalen Regierungen<br />

im Ministerrat und zunehmend auch des Europäischen Parlaments ab. Unter

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