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Die Problemlösungsfähigkeit der Mehrebenenpolitik 95<br />

Die meisten Arten sozialer Vorschriften sind jedoch zwischen diesen Extremen<br />

anzusiedeln. Die Regelung von Arbeits- und Urlaubszeiten und Arbeitsbedingungen,<br />

der Kündigungsschutz, der Krankheits- und Mutterschutz,<br />

das Tarifrecht und die gesetzliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer sollen<br />

das Arbeitsverhältnis in seinem Wesen verändern, und nicht nur den Arbeitgeber<br />

besteuern. Ihr Ziel läßt sich im neomarxistischen Jargon als »Dekommodifizierung<br />

der Arbeit« beschreiben. Trotzdem würde ihr Zweck vereitelt,<br />

wenn die »kommodifizierten« Arbeitsplätze nicht verändert würden, sondern<br />

einfach verschwänden. Aus diesem Grund fallen sozialpolitische Vorschriften,<br />

die auf eine Verringerung der Gewinne hinauszulaufen scheinen, einer<br />

vergrößerten Kapitalmobilität ebenfalls leicht zum Opfer. Dasselbe gilt für<br />

Mitbestimmungsrechte, die weithin als Belastung angesehen werden, weil<br />

sie die Gestaltungsspielräume der Unternehmensleitung bei der Organisation<br />

der Arbeit verringern (Streeck 1997a). Anders als bei den Steuern wird hier<br />

der »Wettlauf nach unten« aber durch das sozialpolitische Engagement nationaler<br />

Regierungen und den politischen Widerstand der von Deregulierung<br />

und Sozialabbau betroffenen Gruppen gebremst (Pierson 1994, 1996).<br />

3.2.5 Verengung nationaler Problemlösungsspielräume<br />

Insgesamt kann man also erwarten, daß die Wirkungen der wirtschaftlichen<br />

Integration und des regulativen Wettbewerbs auf den Handlungsspielraum<br />

der nationalen Politik je nach Politikbereich unterschiedlich sein werden. Die<br />

Realisierbarkeit keynesianischer Beschäftigungsstrategien wird generell eingeschränkt,<br />

während die Spielräume bei der Regulierung und Besteuerung<br />

wirtschaftlicher Faktoren und Tätigkeiten in hohem Maße durch je spezifische<br />

wirtschaftliche, institutionelle und politische Bedingungen bestimmt<br />

werden. Für Produktstandards kann der regulative Wettbewerb unter bestimmten<br />

Bedingungen sogar Anreize zur Anhebung anstatt zur Absenkung<br />

des nationalen Schutzniveaus bieten. Darüber hinaus erlauben internationale<br />

und europäische Freihandelsregime die Beibehaltung produktbezogener<br />

nationaler Vorschriften zu Gesundheitsschutz, Sicherheitsstandards und<br />

Umweltverträglichkeit, obwohl diese als nicht-tarifäre Handelshemmnisse<br />

wirken können. In der Steuerpolitik dagegen vermindert die höhere transna-<br />

Produktionsfaktor Arbeit international wenig mobil, so daß seine Besteuerung an sich dem<br />

Steuerwettbewerb relativ wenig ausgesetzt ist.

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