download (pdf, 1.04 MB) - Campus Verlag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
138 Kapitel 4<br />
scheinen nur noch zwei Optionen möglich. Nach der einen werden Quantität<br />
und Qualität öffentlicher Leistungen unter den Sparzwängen der öffentlichen<br />
Haushalte weiter vermindert. Dies könnte dazu führen, daß das Ideal der<br />
universellen Verfügbarkeit von guten Bibliotheken, Museen, Theatern,<br />
Opern- und Konzertaufführungen, Schwimmbädern und Sporteinrichtungen<br />
oder Verkehrsbetrieben ganz aufgegeben werden muß. An ihre Stelle werden<br />
kommerzielle Einrichtungen treten, die entweder Luxusmärkte oder die<br />
konzentrierte Nachfrage in einigen Großstädten befriedigen (wie es für die<br />
Theater am Broadway zutrifft), oder die andernfalls den allgemeinen Geschmack<br />
der breiten Masse von Zuhörern und Zuschauern treffen müssen. 30<br />
Zugleich könnte die Qualität der verbleibenden öffentlichen Leistungen soweit<br />
abnehmen, daß sie zur Option des »armen Mannes« werden, während<br />
die Reichen auf teure Privatschulen, private Universitäten und eine private<br />
medizinische Versorgung ausweichen.<br />
Viele dieser Entwicklungen sind gegenwärtig schon im vollen Gange, und<br />
nicht alle von ihnen sind indiskutabel. Soweit sie jedoch normativ und politisch<br />
unerträglich erscheinen, muß eine zweite Option genauer untersucht<br />
werden, die am Ideal universell verfügbarer und qualitativ hochwertiger Leistungen<br />
festzuhalten versucht, aber ihre Finanzierung zu einem höheren<br />
Anteil nicht aus dem allgemeinen Steueraufkommen, sondern aus Benutzergebühren<br />
und Selbstbeteiligungs-Beiträgen bestreiten würde. Die dahinterstehende<br />
Logik ist einfach: Wenn Besserverdienende nicht mehr länger bereit<br />
sind, die zur Finanzierung kostenloser staatlicher Leistungen nötigen hohen<br />
Steuern zu bezahlen, dann sollten sie zumindest die vollen Kosten der von<br />
ihnen tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen tragen müssen. Die<br />
soziale Gerechtigkeit könnte dann durch die Einführung von einkommensabhängig<br />
gestaffelten Selbstbeteiligungsquoten und von Gutscheinen für Familien<br />
mit geringen oder mittleren Einkünften gewahrt werden. 31 Ein er-<br />
30 Zwar sind elektronische Medien jetzt in der Lage, spezialisierte Informationsdienste und<br />
Unterhaltungsprogramme auch einem weitverstreuten Publikum anzubieten, das sich früher<br />
kommerzielle Programme, die dem eigenen Geschmack und den eigenen Bedürfnissen<br />
entsprechen, nicht hätte leisten können. Aber davon wird nur ein relativ kleiner Bereich<br />
der klassischen Funktionen öffentlicher Dienstleistungen und Infrastruktur-Einrichtungen<br />
abgedeckt.<br />
31 Sollte man es als problematisch empfinden, daß Studenten von ihren Familien abhängig<br />
bleiben, könnten kostendeckende Stipendien für die Dauer der Regelstudienzeit allen<br />
(qualifizierten) Studenten zur Verfügung gestellt werden. Die Empfänger wären dann verpflichtet,<br />
lebenslang einen Aufschlag auf die Einkommensteuer zu entrichten, der im<br />
Durchschnitt den Kosten ihres Studiums entspräche. Gutverdienende würden auf diese<br />
Weise mehr, andere weniger als die Kosten eines Gutscheins zurückzahlen.