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142 Kapitel 5<br />

Vollbeschäftigungspolitik keynesianischen Musters und auf Gemeinschaftsprogramme<br />

zur Förderung umfangreicher Infrastrukturinvestitionen gehofft<br />

hatten. Aber die erreichten Ergebnisse könnten tatsächlich positivere Auswirkungen<br />

zeitigen, als von einer Rückkehr zur »Deficit-spending«-Philosophie<br />

der siebziger Jahre zu erwarten wäre.<br />

In den EG-Vertrag wird ein neuer Titel zur Beschäftigungspolitik eingefügt.<br />

Sein erster Artikel (Art. 125) verpflichtet die Mitgliedstaaten zur »Entwicklung<br />

einer koordinierten Beschäftigungsstrategie«; der zweite Artikel<br />

(Art. 126) definiert »die Förderung der Beschäftigung als Angelegenheit von<br />

gemeinsamem Interesse«; und der vierte Artikel (Art. 128) verpflichtet die<br />

Mitgliedstaaten, dem Rat und der Kommission »jährlich einen Bericht über<br />

die wichtigsten Maßnahmen … zur Durchführung (ihrer) Beschäftigungspolitik<br />

…« vorzulegen. Auf dieser Grundlage kann der Rat »Empfehlungen an<br />

die Mitgliedstaaten richten«. Darüber hinaus richtet der Rat einen »Beschäftigungsausschuß«<br />

ein, der »die Beschäftigungslage und die Beschäftigungspolitik<br />

in den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft verfolgt« und Stellungnahmen<br />

zur Vorbereitung von Beratungen des Rates abgibt (Art. 130). Insgesamt<br />

enthalten diese Bestimmungen drei wichtige Chancen.<br />

Zunächst bietet der Amsterdamer Vertrag, indem er die Beschäftigungspolitik<br />

zur gemeinsamen Angelegenheit erklärt und die organisatorischen<br />

und prozeduralen Voraussetzungen für eine gemeinsame Evaluierung<br />

schafft, zum ersten Mal eine gewisse Sicherung gegen die Versuchung aller<br />

Länder, heimische Arbeitsplätze auf Kosten der Nachbarn durch kompetitive<br />

Deregulierung und Steuersenkung zu schützen. Zwar haben die europäischen<br />

Regierungen natürlich auch in der Vergangenheit die gegenseitigen Maßnahmen<br />

beobachtet und auf sie reagiert: Wenn Großbritannien den Arbeitsmarkt<br />

deregulierte, erweiterten die Niederlande den Spielraum für Leiharbeit<br />

und befristete Beschäftigung, und Deutschland beseitigte den Kündigungsschutz<br />

in Unternehmen mit zehn oder weniger Beschäftigten; wenn Frankreich<br />

die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung senkte, schränkten<br />

Deutschland und Schweden die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ein;<br />

und wenn dann Deutschland die Renten herabsetzt und sie Selbstbeteiligung<br />

der Patienten an den Leistungen der Krankenversicherung erhöht, um die<br />

Lohnnebenkosten zu senken, werden die anderen Länder darauf wieder reagieren.<br />

Kurz: In dem Bemühen, nationale Arbeitsplätze durch Maßnahmen<br />

zur Senkung der Arbeitskosten zu verteidigen, könnten sich am Ende alle<br />

Beteiligten am europäischen Spiel um die Wettbewerbsfähigkeit auf einem<br />

niedrigen sozialen Schutzniveau wiederfinden, ohne daß sie ihre relative Position<br />

verbessert hätten. Ich will zwar keineswegs behaupten, daß man alle

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