20.11.2017 Aufrufe

download (pdf, 1.04 MB) - Campus Verlag

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

98 Kapitel 3<br />

steht im Implementationsstadium die Versuchung, sich als Trittbrettfahrer zu<br />

verhalten.<br />

Bekanntlich hat die Europäische Gemeinschaft dieses Problem dadurch<br />

gelöst, daß sie die negative Integration in den Gründungsverträgen verankert<br />

hat, und daß sie die Anerkennung ihrer expansiven richterlichen Auslegung<br />

als Teil des acquis communautaire auch von allen neuen Mitgliedstaaten<br />

verlangt. Überdies werden die Verpflichtungen zur Beseitigung von Handelshindernissen<br />

auch keineswegs nur freiwillig erfüllt: Ihre Durchsetzung<br />

ist eine Aufgabe der Kommission, die Entscheidungen erlassen und Aufsichtsverfahren<br />

gegen nationale Regierungen einleiten kann; jedoch können<br />

auch private Parteien die Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten in<br />

normalen Verfahren vor innerstaatlichen Gerichten verlangen. Der Streit um<br />

die Intervention der Kommission gegen die Volkswagen-Subventionen in<br />

Sachsen hat zudem gezeigt, daß die protektionistische Versuchung auch in<br />

wirtschaftsliberalen Regierungen nach wie vor wirksam bleibt. 16 Dasselbe<br />

gilt in noch höherem Maße für die Liberalisierung des Handels durch<br />

GATT- und WTO-Recht.<br />

Vor allem aber ist die Annahme, daß marktschaffende Politiken ein symmetrisches<br />

Gefangenendilemma darstellen, nicht immer begründet. Länder<br />

und einzelne Industriezweige befinden sich häufig in verschiedenen Ausgangspositionen<br />

gegenüber dem Markt. Kleine, offene Volkswirtschaften<br />

können aus einer Liberalisierung größeren Nutzen ziehen als Länder mit größeren<br />

internen Märkten; sehr effiziente Industrien können auf Kosten ihrer<br />

bisher geschützten Mitbewerber Gewinne erzielen. In einer solchen Situation<br />

kann die Liberalisierung des Marktes selbst zu einer höchst umstrittenen Frage<br />

werden. Diese Schwierigkeiten werden von Adrienne Héritiers Studie<br />

(1997) zu den Konflikten zwischen den Niederlanden und Großbritannien auf<br />

der einen und Deutschland, Frankreich und Italien auf der anderen Seite über<br />

die Liberalisierung des europäischen Güterkraftverkehrs hervorragend illustriert.<br />

Ähnliche Konflikte gab es bei der Öffnung der europäischen Energiemärkte<br />

(S. Schmidt 1998a). Hier kann man nicht ohne weiteres ein gemein-<br />

16 Das ist jedenfalls die Auffassung der Kommission (und vermutlich auch die der anderen<br />

Mitgliedstaaten der EU). Aus deutscher Sicht geht es jedoch nicht (nur) um den Konflikt<br />

zwischen Freihandel und Protektionismus, sondern (auch) um die Erfüllung einer politischen<br />

(und in der Verfassung verankerten) Pflicht zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse<br />

angesichts der durch die deutsche Vereinigung viel größer gewordenen interregionalen<br />

Ungleichheiten. Deshalb konnte der sächsische Ministerpräsident die demokratische<br />

Legitimität der Intervention in Frage stellen – eine Reaktion, die unverständlich wäre,<br />

wenn nur die Zulässigkeit wettbewerbsverzerrender Beihilfen im Streit gestanden hätte.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!