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Nationale Lösungen bei offenen Grenzen 133<br />
Nettolohn des Arbeitnehmers um denselben Anteil erhöhen – was die Attraktivität<br />
von »einfachen« Arbeitsplätzen erhöhen und vielleicht sogar Tätigkeiten,<br />
die unter dem gegenwärtigen Mindestlohnniveau vergütet werden,<br />
anziehender machen könnte.<br />
Selbstverständlich müßten auch diese Tätigkeiten im vollen Umfang vom<br />
Sozialversicherungssystem abgedeckt sein. Deswegen müßte der Verzicht<br />
auf Beiträge durch Zahlungen aus allgemeinen Steuereinnahmen kompensiert<br />
werden. Ebenso wie die negative Einkommensteuer müßten diese Zuzahlungen<br />
mit steigendem eigenen Einkommen abnehmen. So könnten,<br />
wenn bei Einkommen bis zum gegenwärtigen Mindestlohn vollständig auf<br />
Beiträge verzichtet würde, die Zuschüsse beim Doppelten dieses Betrags<br />
wieder auf Null reduziert werden. Aber dies sind Fragen, die politisch entschieden<br />
werden müssen. Prinzipiell dürfte diese Lösung jedenfalls für alle<br />
Länder geeignet sein, die einen großen Teil ihrer Sozialleistungen durch<br />
lohngebundene Sozialbeiträge finanzieren.<br />
Zusammenfassend kann man also feststellen, daß die kontinentale Beschäftigungskrise<br />
nicht aus einem generellen Verlust an internationaler<br />
Wettbewerbsfähigkeit erklärt werden kann. Die Defizite liegen in den vor<br />
internationaler Konkurrenz geschützten Bereichen; und sie werden auch dort<br />
nicht durch die Größe des Sozialstaats an sich verursacht, sondern durch die<br />
besonderen Strukturen und Finanzierungsweisen gerade der kontinentalen<br />
Sozialstaaten. Diese Ursachen ließen sich durch institutionelle Reformen<br />
überwinden, welche die soziale Absicherung benachteiligter Bevölkerungsgruppen<br />
nicht beseitigen, sondern im Ergebnis verbessern könnten. Im dem<br />
Maße, wie Arbeitslosigkeit in subventionierte Beschäftigung im privaten<br />
Sektor umgewandelt wird, würde sich auch der auf dem Sozialstaat lastende<br />
finanzielle Druck vermindern. 20<br />
destlohn bezogene Sozialversicherungsbeitrag für alle gegenwärtig beschäftigten Arbeitnehmer<br />
erlassen werden.<br />
20 Quantitative Schätzungen über die Beschäftigungswirkungen der negativen Einkommensteuer<br />
oder ähnlicher Modelle sind nicht verfügbar, und dies aus gutem Grund: Solche<br />
Modelle können nämlich nur wirksam sein, wenn sie die gegenwärtigen Strukturen der<br />
Arbeitsmärkte ändern könnten − deswegen lassen sich Simulationsmodelle, deren Datenbasis<br />
notwendigerweise die bisherigen Strukturen abbildet, nicht zur Vorhersage der Beschäftigungseffekte<br />
strukturverändernder Programme verwenden. Bestenfalls könnte sich<br />
feststellen lassen, wieviele und welche bestehenden Arbeitsplätze in den Vereinigten<br />
Staaten verlorengingen, falls der amerikanische Arbeitsmarkt bei einem De-facto-Minimumlohn,<br />
wie er gegenwärtig in Deutschland gilt, »gekappt« würde.