Festschrift "50 Jahre Bundeszahnärztekammer 1953 - 2003" - Die ...
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Grußsw<br />
ort<br />
| 32<br />
Von Rothenburg nach Berlin<br />
bleibt doch der Rechtsgrund für Verpflichtungen<br />
des Patienten der von ihm mit dem Zahnarzt<br />
abgeschlossene Behandlungsvertrag.<br />
Einschränkung des Behandlungsbegriffs<br />
Solange in den Sozialgesetzen zu lesen war,<br />
der Versicherte erhalte die notwendige Behandlung<br />
seiner Krankheiten, ohne dass bestimmte<br />
Krankheiten und Behandlungen ausgeschlossen<br />
waren, legten Gerichte den vom Preußischen<br />
Oberverwaltungsgericht und vom Reichsversicherungsamt<br />
geerbten Begriff „Abweichung<br />
von der Norm, die der ärztlichen Behandlung<br />
bedarf“ an. Das Bundessozialgericht entschied,<br />
dass kieferorthopädische Leistungen Pflichtleistungen<br />
der Krankenversicherung seien. <strong>Die</strong><br />
Krankenkasse müsse leisten, auch wenn keine<br />
Vergütungsvereinbarungen hierüber bestünden.<br />
Sie müsse sich Verträge mit den Zahnärzten verschaffen,<br />
bei Weigerung mit Hilfe des Schiedsamts.<br />
Auch Einlagefüllungen und Implantate<br />
wurden von Gerichten so beurteilt, allerdings<br />
nur in Einzelfällen und mit erheblichen Einschränkungen.<br />
<strong>Die</strong> Gerichte zogen zahnärztliche<br />
Gutachter heran, die die medizinische Notwendigkeit<br />
der vorgesehenen Behandlungen<br />
ohne jede Zurückhaltung bejahten. <strong>Die</strong> Krankenkassen<br />
selbst schreckten vor den Konsequenzen<br />
zurück; die Revision einer Kasse, die zu Kostentragung<br />
verurteilt worden war, wurde zurückgenommen.<br />
Über Kieferorthopädie kam es nach<br />
Urteilen des Bundessozialgerichts zu Verträgen,<br />
über Einlagefüllungen und Implantate nicht. Für<br />
sie gab es kein höchstrichterliches Urteil, durch<br />
das sich die Zahnärzte zum Abschluss von Verträgen<br />
gezwungen gesehen hätten.<br />
„Notwendige Maßnahmen“<br />
keine zahnärztliche Behandlung?<br />
<strong>Die</strong> finanziellen Konsequenzen der Einbeziehung<br />
dieser Leistungen in die kassenzahnärztliche<br />
Versorgung riefen den Gesetzgeber auf<br />
den Plan. In § 28 Absatz 2 SGB V werden bestimmte<br />
kieferorthopädische Behandlungen, alle<br />
funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen<br />
Maßnahmen sowie (außer in Ausnahmefällen)<br />
implantologische Leistungen als „nicht<br />
zur zahnärztlichen Behandlung gehörend“ bezeichnet.<br />
Natürlich gehören sie nach dem ZHG<br />
zur zahnärztlichen Behandlung von Krankheiten.<br />
Sie sind sogar im medizinischen Sinne<br />
„notwendig“, worauf § 27 SGB V den Leistungsanspruch<br />
des Versicherten beschränkt. Der<br />
wahre Grund für den Ausschluss ist allein die<br />
Kostenbegrenzung. Hier hat sich die Erkenntnis<br />
durchgesetzt, dass die gesetzliche Krankenversicherung<br />
nicht unbegrenzte Leistungen mit<br />
begrenzten Mitteln beanspruchen kann. <strong>Die</strong><br />
Gerichte folgen der gesetzlichen Beschränkung.<br />
Das Bundessozialgericht hat es abgelehnt, den<br />
Versicherten von Belastungen, die das Gesetz<br />
durch Leistungseinschränkungen herbeiführt,<br />
freizustellen, weil Leistungen „notwendig“ seien.<br />
So muss der Versicherte den Kostenanteil bei<br />
Kronen auch dann tragen, wenn zahnmedizinische<br />
oder allgemein-medizinische Krankheiten<br />
den Behandlungsbedarf verursacht haben. Auch<br />
Einlagefüllungen gibt es nicht als „Sachleistung“,<br />
selbst wenn sie für „notwendig“ erachtet werden.<br />
Aber der Eindruck soll aufrecht erhalten<br />
werden, der Versicherte erhalte uneingeschränkt<br />
die gesamte notwendige Behandlung, mag auch<br />
nach dem ZHG ein anderer Maßstab gelten.<br />
<strong>Die</strong>sen Eindruck vermittelt auch eine Aussage<br />
in den Richtlinien des Bundesausschusses der<br />
Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichend,<br />
zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche<br />
Versorgung mit Zahnersatz<br />
und Zahnkronen. Neben den bereits in der Überschrift<br />
aus dem Gesetz zitierten Adjektiven ist in<br />
Nr. 1 zusätzlich gesagt, den Versicherten solle in<br />
der GKV eine „zugleich vollwertige“ Versorgung<br />
gewährleistet werden. Von den Richtlinien nicht<br />
erfasster Zahnersatz gehe nicht nur über das Ausreichende,<br />
Zweckmäßige und Wirtschaftliche,<br />
sondern auch über das Vollwertige hinaus, was<br />
wohl heißen soll, er sei mehr als vollwertig, das<br />
heißt überflüssig. <strong>Die</strong> Aufnahme der erwähnten<br />
Aussage in die Richtlinien war ein Zugeständnis<br />
an die Krankenkassen eines kleinen Vorteils in<br />
anderer Sache wegen. <strong>Die</strong> Neufassung der<br />
Richtlinien vom 4. Juni 2003 nimmt die Aussage<br />
über die Vollwertigkeit zurück.<br />
Zudem unterstützten manche Stimmen aus<br />
den Reihen der Zahnärzte den Eindruck, alles<br />
medizinisch Notwendige werde von der GKV<br />
geleistet, wenn etwa gesagt wurde: „Komfortbehandlungen<br />
wie goldene Zahnfüllungen oder<br />
ein Luxus-Zahnersatz sind Konsumprodukte und<br />
können nicht mit Begriffen wie ‚Gesundheit‘<br />
und ‚Heilen‘ auf Kosten der Solidargemeinschaft<br />
der GKV erbracht werden“ (Leserzuschrift eines<br />
Zahnarztes, FAZ vom 02.05.1996).<br />
Einlagefüllungen und kombiniert festsitzendherausnehmbarer<br />
Zahnersatz können sehr wohl<br />
medizinisch notwendig sein und dürfen nicht<br />
als überflüssiger Luxus abqualifiziert werden.<br />
Insofern ist auch § 28 SGB V methodisch nicht