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Festschrift "50 Jahre Bundeszahnärztekammer 1953 - 2003" - Die ...

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Grußsw<br />

ort<br />

| 56<br />

<strong>Die</strong> Freiberuflichkeit des Zahnarztes im Spannungsfeld sozialstaatlicher Bindungen<br />

Insbesondere vor dem Hintergrund sozialstaatlicher<br />

Einbindung durch die Gesetzliche<br />

Krankenversicherung wird die Problematik zahnärztlicher<br />

Freiberuflichkeit auf einige zentrale<br />

Fragestellungen fokussiert:<br />

-Was ist das Proprium der Freiberuflichkeit<br />

des zahnärztlichen Berufsbildes und zahnärztlicher<br />

Berufsausübung?<br />

-Welchen konkreten Rechtsgehalt hat der<br />

Begriff der Freiberuflichkeit insbesondere<br />

im Hinblick auf die grundgesetzlichen<br />

Gewährleistungen?<br />

-Welche rechtsstaatlichen, insbesondere<br />

grundrechtlichen Schranken gesetzgeberischer<br />

Gestaltungsfreiheit ergeben sich<br />

angesichts der Tatsache, dass Freiberuflichkeit<br />

nichts genuin Statisches ist, sondern<br />

gerade im Sozialstaat einer Dynamik unterliegt,<br />

die vom gesellschaftlichen, wissenschaftlichen<br />

und ökonomischen Innovationsprozessen<br />

ausgelöst wird?<br />

Berufs- und Vertrags(zahn-)arztrecht als<br />

Determinanten der Freiberuflichkeit<br />

<strong>Die</strong> zahnärztliche Berufstätigkeit innerhalb<br />

des Systems der zahnärztlichen Versorgung in<br />

der Bundesrepublik Deutschland ist in der Regel<br />

- nämlich soweit es sich um den Vertragszahnarzt<br />

handelt - bestimmt von zwei Komponenten:<br />

dem zahnärztlichen Berufsrecht, das sich insbesondere<br />

im Gesetz über die Ausübung der<br />

Zahnheilkunde i.d.F. der Bekanntmachung vom<br />

16.04.1987 (BGBl. I, S. 1225) sowie der ergänzenden<br />

Approbationsordnung für Zahnärzte<br />

i.d.F. vom 17.12.1986 (BGBl. I, S. 2524) und den<br />

landesrechtlichen Heilberufs- und Kammergesetzen<br />

niedergeschlagen hat, ferner den kassenarztrechtlichen<br />

Bestimmungen, insbesondere<br />

Regelungen des SGB V, sowie in den Richtlinien,<br />

Mantel- und Gesamtverträgen, die durch dieses<br />

Gesetzeswerk ihre rechtliche Ausgestaltung erfahren<br />

haben. 9)<br />

Sowohl im Zahnheilkundegesetz als auch in<br />

der Berufsordnung für die deutschen Zahnärzte<br />

vom 06.11.1975 wird der zahnärztliche Beruf als<br />

ein „seiner Natur nach Freier Beruf” bezeichnet,<br />

der nur in Diagnose- und Therapiefreiheit ausgeübt<br />

werden kann und dessen Ausübung kein<br />

Gewerbe darstellt. Der Zahnarzt ist demnach<br />

verpflichtet, seinen Beruf nach den Regeln der<br />

zahnärztlichen Kunst und nach Geboten der<br />

Menschlichkeit auszuüben, dem ihm im Zusammenhang<br />

mit dem Beruf entgegengebrachten<br />

Vertrauen zu entsprechen, sein Wissen und sein<br />

Können in den <strong>Die</strong>nst der Pflege, der Erhaltung<br />

und der Wiederherstellung der Gesundheit zu<br />

stellen. <strong>Die</strong>se generelle Definition der Berufspflichten<br />

wird in den Berufsordnungen in eine<br />

Palette von Einzelpflichten ausdifferenziert, die<br />

von der Fortbildungspflicht über Schweigepflicht,<br />

Aufzeichnungspflicht, Kollegialitätspflicht<br />

bis hin zur Übernahme von Pflichten wie<br />

dem Notfalldienst reicht.<br />

<strong>Die</strong> freiberufliche Komponente der zahnärztlichen<br />

Berufsausübung als eigenverantwortlicher,<br />

weisungsunabhängiger, nicht in erster Linie<br />

erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit paart sich bei<br />

einer Teilnahme an der vertragszahnärztlichen<br />

Versorgung mit den Bindungen des Kassenarztrechts.<br />

10)<br />

Das Spannungsverhältnis zwischen der Eigenverantwortlichkeit<br />

des Freien Berufes und<br />

dem rechtlichen Standard des Kassensystems hat<br />

das Bundesverfassungsgericht im Grundsatzurteil<br />

zur Rechtsstellung des Kassenarztes bzw.<br />

Kassenzahnarztes 1960/61 11) dahingehend umschrieben,<br />

dass der Kassenarzt kein eigener<br />

Beruf sei, der dem des nicht zu den Kassen zugelassenen,<br />

frei praktizierenden Arztes gegenübergestellt<br />

werden könne. Vielmehr sei die<br />

Tätigkeit des Kassenarztes nur eine Ausübungsform<br />

des Berufes des frei praktizierenden Arztes.<br />

<strong>Die</strong> Rechtsstellung des Kassenarztes sei auch<br />

kein öffentlicher <strong>Die</strong>nst; zwar sei der Kassenarzt<br />

durch die Zulassung in ein öffentlich-rechtliches<br />

System einbezogen, innerhalb dieses Systems<br />

stehe er jedoch weder zu den Kassen noch zur<br />

Kassenärztlichen Vereinigung in einem <strong>Die</strong>nstverhältnis.<br />

Mit der Krankenkasse verbinde ihn<br />

keine unmittelbare Rechtsbeziehung. Der Kassen(zahn-)arzt<br />

sei nicht <strong>Die</strong>nstnehmer, sondern<br />

Mitglied der Kassen(zahn-)ärztlichen Vereinigung<br />

als genossenschaftlichem Zusammenschluss<br />

der Zahnärzte zur korporativen Erfüllung<br />

der Verpflichtung, die ärztliche Versorgung der<br />

Kassenmitglieder sicherzustellen. Der Kassenarzt<br />

trage das wirtschaftliche Risiko seines Berufes<br />

selbst. <strong>Die</strong> Krankenversicherung bediene<br />

sich des Freien Berufes der Ärzte zur Erfüllung<br />

ihrer Aufgabe. Nur in gewissen, für das Gesamtbild<br />

nicht entscheidenden Punkten sei diese<br />

9) S. dazu überblickhaft B. Tiemann/Klingenberger/Weber, System der zahnmedizinischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, aaO.<br />

10) Vgl. die Darstellung der Besonderheiten des vertragszahnärztlichen Sektors im System des Kassenarztrechts bei Muschallik, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des<br />

Vertragsarztrechts, S. 465 ff.<br />

11) BVerfGE 10, 354; 12, 144

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