Festschrift "50 Jahre Bundeszahnärztekammer 1953 - 2003" - Die ...
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1. Berufsgrundrechtlich fundierte<br />
Liberalisierungsansätze<br />
Ohne dass es hier nötig wäre, sich den Spezifika<br />
freiberuflicher Tätigkeit im einzelnen zuzuwenden,<br />
4) dürfte einleuchten, dass die in<br />
Art. 12 GG enthaltenen Gewährleistungen der<br />
Berufsfreiheit vor dem Hintergrund eines dort<br />
zugrundegelegten offenen und dynamischen<br />
Berufsbegriffs gerade auch auf den einschlägigen<br />
Berufsfeldern weitreichende Wirkkraft entfalten,<br />
wie dies etwa für die Patentgebührenüberwachung,<br />
hierzulande traditionell lediglich<br />
ein Ausschnitt patentanwaltlicher Tätigkeit, unter<br />
Einbeziehung europäischer Entwicklungen in<br />
dem betreffenden <strong>Die</strong>nstleistungssektor seitens<br />
des Bundesverfassungsgerichts bereits umgesetzt<br />
worden ist. 5)<br />
Entgegen antiquiertem Standesdenken ist in<br />
der Tat von einem offenen, dynamischen Begriff<br />
des Freien Berufes auszugehen. Aus diesem<br />
Blickwinkel heraus hat das Bundesverfassungsgericht<br />
sicher gut daran getan, gerade hier als<br />
„Liberalisierungsmotor“ zu wirken. 6) <strong>Die</strong> Freiheit<br />
der Berufsausübung gewährleistet schließlich<br />
die Gesamtheit der mit der Berufstätigkeit, ihrem<br />
Ort, ihren Inhalten, ihrem Umfang, ihrer Dauer,<br />
ihrer äußeren Erscheinungsform, ihren Verfahrensweisen<br />
und ihren Instrumenten zusammenhängenden<br />
Modalitäten der beruflichen<br />
Tätigkeit und umgreift so eine Reihe von Einzelfreiheiten<br />
wie<br />
- die berufliche Organisationsfreiheit,<br />
namentlich in Gestalt der privatautonomen<br />
Rechtsformenwahl und der<br />
Freiheit gemeinsamer Berufsausübung<br />
- gerade bei den Freien Berufen von nachhaltigem<br />
Interesse-,<br />
- die berufliche Dispositionsfreiheit, im<br />
medizinischen Bereich mit der zentralen<br />
Komponente der Therapiefreiheit, unter<br />
Einbeziehung der Investitionsfreiheit,<br />
- die freie Vertrags- und Preisgestaltung<br />
- ein Merkposten namentlich für die<br />
Ausgestaltung staatlicher Honorar-<br />
ordnungen - ,<br />
- die Wettbewerbsfreiheit und die Freiheit<br />
der beruflichen Außendarstellung einschließlich<br />
der Werbung, damit insgesamt<br />
die Werbefreiheit,<br />
Selbstverwaltung in freiberuflichen Kammern<br />
- die Führung des eigenen Namens einschließlich<br />
erworbener akademischer<br />
Grade und zutreffender Qualifikationsnachweise<br />
sowie schließlich<br />
- die wirtschaftliche Verwertung der<br />
beruflich erbrachten Leistung.<br />
Eine solche Benennung von Teilfreiheiten hat<br />
freilich allein das Ziel, den mit gutem Grund<br />
auch für die Freien Berufe breit dimensionierten<br />
Schutzbereich des Grundrechts zu verdeutlichen,<br />
ohne aber etwa den Schutzumfang der<br />
Gewährleistung auf solche Teilaspekte zu verengen.<br />
2. Kritische Reflexionen über<br />
„Verbändestaat“ und „Neokorporatismus“<br />
Heutzutage wird verbreitet die Frage gestellt,<br />
ob öffentlich-rechtliche Körperschaften mit gesetzlich<br />
angeordneter Pflichtmitgliedschaft nicht<br />
Relikte eines tradierten Staatsdenkens sind, die<br />
– namentlich im Kontext mit ordnungspolitischen<br />
Forderungen nach dem „schlanken Staat“<br />
– einer kritischen Analyse unterzogen werden<br />
müssen. <strong>Die</strong> in Deutschland klassischen öffentlich-rechtlichen<br />
Organisationsstrukturen werden<br />
dabei oft namentlich mit britischen, skandinavischen<br />
und holländischen Alternativmodellen<br />
konfrontiert.<br />
a) In Erinnerung gerufen sei dabei zunächst,<br />
dass freiberuflichen Kammern<br />
hierzulande im wesentlichen drei Aufgabenblöcke<br />
zu eigenverantwortlicher<br />
Wahrnehmung zugewiesen sind.<br />
- Einen als solchen unbestrittenen<br />
Schwerpunkt der Kammeraktivitäten<br />
bildet nach wie vor die Berufsaufsicht<br />
im Sinne der Überwachung und Durchsetzung<br />
normativ vorgegebener<br />
Standards im öffentlichen Interesse. 7)<br />
- Als zweiter gewichtiger Aufgabenkomplex<br />
der freiberuflichen Kammern ist die<br />
Interessenvertretung zu nennen, bei der<br />
es sich freilich nicht um „reine Interessenvertretung“<br />
handeln darf, ein öffentlichrechtliche<br />
Bindungen implizierendes<br />
Postulat, das bei den Aktivitäten aller<br />
freiberuflichen Kammern durchgängig<br />
mit aller Sorgfalt zu beherzigen ist.<br />
4) <strong>Die</strong> Europäische Kommission etwa sieht sich außerstande, für die Gemeinschaftsebene die einschlägigen Berufe erschöpfend aufzuzählen: „<strong>Die</strong>ser besonderen<br />
Kategorie von <strong>Die</strong>nstleistern werden in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Tätigkeiten zugeordnet – vom Journalisten in Italien bis zum Dentalhygieniker in<br />
Finnland.“ So die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen „Regulierung der Freien Berufe und ihre Folgen“gemäß Schreiben vom 27.3.2003 (s. auch Fn. 22),<br />
S. 3 Fn. 5.<br />
5) Siehe BVerfGE 97, 12 ff.<br />
6) So M. Henssler, JZ 1998, 1065; siehe insoweit insbes. R. Jaeger, Steuerberatung 1997, 211 ff. u. Anwaltsblatt 2000, 475 ff.<br />
7) Zu der speziellen organisationsrechtlichen Frage der Zulässigkeit einer Übertragung der Aufgaben der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen auf<br />
Landeszahnärztekammern siehe F. Knöpfle, in: <strong>Festschrift</strong> für H. Zacher, 1998, S. 363 ff.<br />
ort<br />
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Grußsw