Was heißt „interkulturelle Literatur“? - bei DuEPublico - Universität ...
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Die dritte Frage steht aus: Wer übernimmt Verantwortung für eine getane Äußerung, für einen<br />
geschriebenen Text? Eine Frage, die den Kreis schließt, indem sie wieder Komponenten auf-<br />
nimmt, die sich sowohl auf die strafrechtliche als auch auf die bereits behandelte urheberrechtli-<br />
che Dimension sprachlicher Erzeugnisse auswirken können.<br />
Schuld und dekonstruierte Verantwortung. Die Angst vor dem Verlust der ethischen Adresse<br />
Es hat sich in der letzten Dekade eingebürgert, der Kritik am Autorbegriff, die sich vor allem an<br />
der Genieästhetik – also einer positiven, überhöhten Konzeption des Autors – festmacht, mit<br />
einer Problematisierung der Ablehnung der Autorinstanz zu begegnen. Diese Problematik wird<br />
am deutlichsten, wenn Texte auftauchen, deren Autor man im Nachhinein mutmaßlich lieber<br />
nicht gewesen wäre, z.B. solche, die antisemitische Ausfälle <strong>bei</strong>nhalten, noch dazu während des<br />
zweiten Weltkriegs. Mit diesem Beispiel beziehe ich mich natürlich auf die Debatte um Paul de<br />
Man.<br />
Seán Burke leitet The Death and Return of the Author mit einer Besprechung dieses Falls ein, ist da-<br />
<strong>bei</strong> allerdings so klug, nirgends direkt auszusprechen, dass die Dekonstruktion sich hier durch<br />
einen ihrer wichtigsten Vertreter im Hinblick auf ihren Umgang mit der Autorinstanz selbst de-<br />
savouiert 210 . Er bezeichnet vielmehr an dieser Stelle Autorschaft als „area of blindness“ <strong>bei</strong> den<br />
von ihm untersuchten Poststrukturalisten, die theoretisch zu füllen sei. Als Beweis für die Kor-<br />
rektheit dieser Forderung versucht er anhand wichtiger Begriffe der Autordebatte (intention, au-<br />
thority, (auto)biography, accountability, œuvre) zu zeigen, dass sich niemand in der Auseinander-<br />
setzung um Paul de Mans Kriegsschriften von diesen Kategorien gelöst hat. Beide Seiten, also<br />
sowohl Gegner als auch die Apologeten de Mans, „disinter many of the loci of traditional author-<br />
centered criticism“ (BURKE 1992, 4). Mit diesem Verdikt glaubt Burke die area of blindness enttarnt<br />
und ihre theoretische Unausweichlichkeit für den Poststrukturalismus demonstriert zu haben.<br />
Da<strong>bei</strong> verbeugt er sich dennoch symbolisch vor dem Theoretiker de Man, „arguably the most<br />
gifted literary theorist of his generation.“ (7)<br />
Ich weiß nicht, wie repräsentativ die Quellen sind, auf die sich Burke bezieht 211 , mir scheint aller-<br />
dings seine Kritik nicht die Theorie selbst zu treffen, sondern nur einige Autoren, die de Man als<br />
Autorität retten wollten. Burke beschreibt die Enthüllung des de Manschen Kriegsjournalismus<br />
als Alptraum „for critical theorists themselves, all of whom owe a debt of influence to de Man<br />
Stelle weist Derrida auch auf die veränderte Rolle der Intention hin: « Dans cette typologie, la catégorie d’intention<br />
ne disparaîtra pas, elle aura sa place, mais, depuis cette place, elle ne pourra plus commander toute la scène et tout le<br />
système de l’énonciation. » (389).<br />
210 Vgl. BURKE 1992, 1-7.<br />
211 Es sind insgesamt nur fünf, innerhalb der Aufzählung der zentralen Begrifflichkeiten zur Autordebatte gar nur<br />
eine ausgewiesene, vgl. BURKE 1992, 175f.<br />
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