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Was heißt „interkulturelle Literatur“? - bei DuEPublico - Universität ...

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Bedeutungen von Kultur – die anthropologische und die ästhetische – in gleicher Weise mit dem<br />

Paar Identität/Hybridität vernetzt sind. Die von mir zu Beginn als Hypothese aufgestellte Syno-<br />

nymie von Kultur und Identität müsste so eventuell in Abhängigkeit vom jeweiligen Feld be-<br />

trachtet werden, das der Kulturbegriff im einzelnen Fall aufspannt.<br />

Bewegliche Kulturen. Das Lotmansche Realitätsgefälle<br />

Yuri Lotman definiert in seinem 1990 erschienenen Buch Universe of the Mind die Semiosphäre als<br />

„The semiotic space necessary for the existence and functioning of languages, not the<br />

sum total of different languages; in a sense the semiosphere has a prior existence and is in<br />

constant interaction with languages. In this respect a language is a function, a cluster of<br />

semiotic spaces and their boundaries, which, however clearly defined these are in the language’s<br />

grammatical self-description, in the reality of semiosis are enroded and full of<br />

transitional forms. Outside the semiosphere, there can be neither communication, nor<br />

language.” (LOTMAN 1990, 123f)<br />

Diese Ausgangsdefinition Lotmans legt sofort mehrere Fragen nahe: <strong>Was</strong> bedeutet semiotischer<br />

Raum (semiotic space)? <strong>Was</strong> habe ich mir unter einer Übergangsform (transitional form) in einer Sprache<br />

vorzustellen, die ihrerseits in ihrer grammatikalischen Selbstbeschreibung klar definiert ist? Zwi-<br />

schen welchen Einheiten bildet die Übergangsform einen Übergang? Und schließlich: in welchem<br />

Sinn geht die Semiosphäre der Sprache voran?<br />

Der semiotische Raum, so wird schnell deutlich, ist an einen Kulturbegriff gekoppelt. Diese<br />

Kopplung lässt da<strong>bei</strong> wiederum den Begriff der Sprache ambig werden: meint Lotman, dass eine<br />

Kultur mehrere Sprachen umfassen kann, in einem Sinne, wie dies auch Huntington nahegelegt<br />

hatte, oder meint er mit mehreren Sprachen eher verschiedene Ideolekte, die innerhalb einer einzigen<br />

Nationalsprache zu unterscheiden sind 122 ? Da Lotman seine Idee der Semiosphäre an den der<br />

Biosphäre anschließt, ließe sich die Semiosphäre sogar als der Raum begreifen, in dem sämtliche<br />

semiotischen Prozesse ablaufen und das hieße, es gäbe eigentlich nur eine einzige Semiosphäre –<br />

so wie es ja in der Tat auch nur eine Biosphäre gibt 123 . Die Entscheidung wird durch die Tatsache<br />

erschwert, dass Lotman an der Stelle, an der er sein Konzept einführt, einmal einfach von „cultu-<br />

re“, dann wieder von „the culture in question“ spricht (125) und auch weiterhin teils den be-<br />

stimmten, teils den unbestimmten Artikel vor semiosphere setzt. Wenn er später den Begriff der<br />

Grenze einführt, scheint es, als gehe er davon aus, dass es mehrere Semiosphären gebe (z.B. 136),<br />

122 Cornelia Ruhe macht <strong>bei</strong> ihrer Beschreibung des Lotmanschen Konzeptes den mäandernden Kurs Lotmans mit<br />

(C. RUHE 2000, 176f bzw. 185ff) und invisibilisiert so die Probleme seiner Theorie, die sie als „enrichissante pour<br />

une lecture de la littérature post-coloniale“ bezeichnet (191).<br />

123 Vgl. hierzu Lotmans Darstellung der Theorie Vernadskys (LOTMAN 1990, 125): „The semiosphere is the result<br />

and the condition for the development of culture; we justify our term by analogy with the biosphere, as Vernadsky<br />

defined it, namely the totality and the organic whole of living matter and also the condition for the continuation of<br />

life.“<br />

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