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Was heißt „interkulturelle Literatur“? - bei DuEPublico - Universität ...

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zu eins umzusetzen. Das Hervorbrechen der eigenen Erinnerung ist inkompatibel mit ihrer direk-<br />

ten textuellen Gestaltung, so dass diese genau da endet, wo sich jene manifestiert.<br />

Mit dieser Analogisierung greife ich etwas vor. Es scheint ratsam, um diese zweite Interpretation<br />

zu untermauern, zunächst die Stationen des Schriftstellers Orourke im Roman nachzuzeichnen<br />

und zu zeigen, wie sich in ihnen die Motive der Debatte um die Herrschaft des Autors über sei-<br />

nen Text wiederholen.<br />

Die Suche nach der eigenen Sprache<br />

Der Roman setzt ein mit großer Geschäftigkeit. Brahims Schwiegereltern aus Edinburgh haben<br />

ihren Besuch angekündigt und alles dreht sich um die bevorstehende Ankunft der <strong>bei</strong>den (Susan<br />

und Jock). In dieser Situation beginnt Brahim nun mit den Vorbereitungen für ein neues Buch –<br />

das, wie man später erfährt, von seinem Verleger schon lange erwartet wird. Brahim hat seit sei-<br />

ner Rückkehr nach Marokko – und die liegt zu Beginn des Textes schon anderthalb Jahre zurück<br />

– keine Zeile mehr abgeliefert. Daher werden die ersten Notizen von Brahim auch noch mit be-<br />

tonter Beiläufigkeit behandelt: „– Tu as commencé un nouveau roman, à ce que je vois? Elle dé-<br />

signait le papier à dessin sur lequel j’avais jeté quelques notes en vrac [...]. – Oh ! ça ? C’est le<br />

Plan, avec un P majuscule. Je t’en parlerai ce soir.“ 264 (28)<br />

Es ist kein Zufall, dass noch im selben Dialog der Inspecteur Ali zum ersten Mal außerhalb eines<br />

Textes auftaucht: „Il a téléphoné dans ma tête.“ 265 (29) sagt Brahim und alle halten es noch für<br />

einen harmlosen Scherz. Doch im Fortgang der Handlung zeigt sich, dass der Inspecteur Ali für<br />

Brahim eine Art alter ego darstellt, das ihn bedrängt und belastet. Da<strong>bei</strong> materialisiert er sich zwar<br />

nicht, aber auf geistiger Ebene nimmt er einen immer größeren Raum ein, was am Ende ins Ein-<br />

geständnis mündet: „C’était lui qui pensait – et non plus moi, l’auteur.“ 266 (211) Es scheint also<br />

nicht so, als lege der Autor autobiographische Elemente in seine Figur, sondern umgekehrt, die<br />

literarische Figur scheint sich des Autors zu bemächtigen und ihn auszulöschen.<br />

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zunächst stellt sich heraus, dass der Plan, avec un P<br />

majuscule kein nächster Inspecteur Ali-Krimi werden soll, wenn Brahim auch nicht klar ist, worum<br />

es sich dann <strong>bei</strong> dem nächsten Buch handelt – bis seine Frau Fiona seiner Inspiration auf die<br />

Sprünge hilft:<br />

264 „’Du hast, wie ich sehe, einen neuen Roman angefangen.’ Sie zeigte auf das Zeichenpapier, auf das ich einige<br />

unzusammenhängende Notizen geworfen hatte [...]. ‚Ach, das...! Das ist der Plan, mit einem großen P. Ich erzähl dir<br />

heute abend davon.’“<br />

265 „Er hat in meinem Kopf angerufen.“<br />

266 „Er war es, der dachte – und nicht mehr ich, der Autor.“<br />

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