Was heißt „interkulturelle Literatur“? - bei DuEPublico - Universität ...
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Ablehnung von Verantwortung, ein Rekurs auf eine höhere Instanz, die nicht verteidigt werden<br />
muss, sondern auf die man sich stets bequem zurückziehen kann.<br />
Genau deshalb hat Judith Butler davor gewarnt, sprachliche Übergriffe gesetzlich zu reglementie-<br />
ren. In ihren Gedanken zur Zensur beschreibt sie diese als einen produktiven Mechanismus, der<br />
das Sprechen nicht nachträglich beschränkt, sondern es im Gegenteil erst in seiner akzeptablen<br />
Form erzeugt. Durch Zensur wird gutes, wohlgefälliges Sprechen gefördert, indem es als nicht<br />
sanktionierter Teil der Sprache in den Debatten stets vorhanden ist, selbst wenn er nicht explizit<br />
gefördert wird. Butler vertritt hier ein dezentrales Machtmodell im Anschluss an Foucault 237 .<br />
Durch die Ubiquität der Macht ist es nicht sinnvoll, sie auf ihre juridisch-diskursive, auf ihre re-<br />
pressive Seite also, zu beschränken:<br />
« Les relations de pouvoir-savoir ne sont pas de formes données de répartition, ce sont<br />
des ‘matrices de transformation’. [...] aucun ‘schéma de transformation’ ne pourrait fonctionner<br />
si, par une série d’enchaînements successifs, il ne s’inscrivait en fin de compte<br />
dans une stratégie d’ensemble. Et inversement, aucune stratégie ne pourrait assurer des<br />
effets globaux si elle ne prenait pas appui sur des relations précises et ténues qui lui servent<br />
non pas d’application et de conséquence, mais de support et de point d’ancrage. »<br />
FOUCAULT 1976, 131f)<br />
Das Foucaultsche Machtmodell funktioniert innerhalb einer solchen Logik der doppelten Kondi-<br />
tionierung (double conditionnement). Einerseits ist Macht tatsächlich repressiv, Vehikel strategischer<br />
Durchsetzung persönlicher oder umfassenderer Pläne (pouvoir juridico-discursif); andererseits ist<br />
Macht aber auch in die Körper und in das Verhalten aller implementiert (bio-pouvoir), sie hat eine<br />
selbstverständliche Seite, die Gut und Böse klar voneinander zu trennen vermag. Bei Butler kehrt<br />
diese analytische Unterscheidung wieder als explizite vs. implizite Zensur (BUTLER 1997, 184). Macht<br />
kommt von überall her, von außen als Repression, Gesetz oder Regelwerk, von innen als Norma-<br />
lität, Konvention, Tradition, kurz als das obviously true. Hoffnung schöpfen Theoretikerinnen wie<br />
Butler aus der Iterabilität von Sprache. Durch sie wird es möglich innerhalb einer von Macht<br />
imprägnierten Wirklichkeit, Handlungsmacht zu entfalten und somit persönlich Verantwortung<br />
zu übernehmen:<br />
„Die Verantwortlichkeit des Sprechers besteht nicht darin, die Sprache ex nihilo neu zu<br />
erfinden, sondern darin, mit der Erbschaft ihres Gebrauchs, die das jeweilige Sprechen<br />
einschränkt und ermöglicht, umzugehen. [...] Autonomie im Sprechen ist, soweit sie existiert,<br />
durch eine radikale und ursprüngliche Abhängigkeit von der Sprache bedingt, deren<br />
Geschichtlichkeit die Geschichte des sprechenden Subjekts in alle Richtungen übersteigt.“<br />
(46f)<br />
237 Vgl. FOUCAULT 1976, 134f: « Il n’y a pas d’un côté le discours du pouvoir et en face, un autre qui s’oppose à lui.<br />
Les discours sont des éléments ou des blocs tactiques dans le champ des rapports de force ; il peut y en avoir de<br />
différents et même de contradictoires à l’intérieur d’une même stratégie ; ils peuvent au contraire circuler sans changer<br />
de forme entre des stratégies opposées. »<br />
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