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Was heißt „interkulturelle Literatur“? - bei DuEPublico - Universität ...

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‚Kolonisation’ als Teil eines im wesentlichen transnationalen und transkulturellen ‚globalen’<br />

Prozesses neu – und bewirkt ein von Dezentrierung, Diaspora-Erfahrung oder ‚Globalität’<br />

geprägtes Umschreiben der früheren imperialen Großgeschichten mit der Nation<br />

als Zentrum.“ (227)<br />

Der Postkolonialismus ist also nur insofern postkolonial, als er als theoretisches Raster monolithi-<br />

sche Vorstellungen von Kultur als Identität abzulösen vermag. Er ist nicht in dem Sinne postko-<br />

lonial, dass damit gesagt werden sollte, die Kolonialisierung sei in ihm überwunden. Dekonstruk-<br />

tive, poststrukturalistische Verfahren bringen aber die monolithischen Begriffe nicht einfach zum<br />

Verschwinden, ihre Dekonstruktion mündet eben nicht in einen fröhlichen Limbus der Nicht-<br />

Identität, wie es Foucault in seinem Vorwort zu den Erinnerungen Herculine Barbins ausgedrückt<br />

hat. Dekonstruktion alleine ist folglich auch noch keine politische Deplazierung, wie Hall zu be-<br />

denken gibt (231). Die Dekonstruktion setzt Begriffe nur momentan außer Kraft (240), doch <strong>bei</strong><br />

ihrer erneuten Verwendung kommt es zwangsläufig zu einer Bewegung der Rekonstruktion. Diese<br />

Bewegung und nicht nur ihre dekonstruierende Seite „ist charakteristisch für alle ‚Posts’.“ (239)<br />

Der dekonstruktive Impetus ist also nicht Selbstzweck. Er dient der Bereitung des Feldes für die<br />

anschließende unvermeidliche Rekonstruktion; er kann die Macht nicht abschaffen, sondern sie<br />

nur sichtbar machen. Doch was soll im vorliegenden Fall danach geschehen? Für JanMohamed<br />

und Lloyd ist es klar: Die Sichtbarwerdung der Unterdrückungsstrukturen muss dahingehend<br />

genutzt werden, dass sie zum Kampf der Unterdrückten gegen die Unterdrücker führt und dieser<br />

funktioniert in ihrem Ansatz eben nicht zuletzt über die Affirmation einer eigenen kollektiven<br />

Identität der marginalisierten Gruppen. Diese wiederum ist abhängig von einer konsequenten<br />

Bewusstmachung der historischen Lage dieser Gruppen, die durch Unterdrückung gekennzeich-<br />

net ist. In dieser Strategie wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass erstens die Betonung der<br />

Marginalisierung die Marginalisierten nicht unabhängiger vom Blick der Herrschenden werden<br />

lässt, denn diese haben jenen ja den entsprechenden Platz am Rande gerade zugewiesen. Eine<br />

Umwertung dieser Beschreibung wäre eine ironische Distanzierung, die JanMohamed und Lloyd<br />

aber ablehnen. Zweitens ist im Anschluss daran zu fragen, woran sich denn die eigene Identität<br />

orientieren soll? Wenn nicht an den Vorgaben der Herrschenden (und nichts anderes ist der mar-<br />

ginale Status), dann doch nur in einer eigenen, kohärenten kulturellen Großerzählung, die dem<br />

herrschenden Diskurs entgegengesetzt werden kann. Doch dies würde die kolonialistische Figur<br />

nur wiederholen, die auf kulturelle Hegemonie zielt und das Inappropriate Other im Sinne Trinhs<br />

auszuschließen versucht. Der Wunsch bleibt zwar verständlich, aber die geplante Durchführung<br />

abseits aller Reifizierungen und Hegemonialbestrebungen bleibt gleichermaßen unkonkret. Wenn<br />

es stimmt, dass „die Kolonisation – in ihrem globalen und transkulturellen Kontext verstanden –<br />

[dafür gesorgt hat], dass jeder ethnische Absolutismus zu einer zunehmend unhaltbaren kulturel-<br />

len Strategie wurde“ (233), dann muss gefragt werden, wie eine kulturelle Strategie heute noch aus-<br />

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