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Was heißt „interkulturelle Literatur“? - bei DuEPublico - Universität ...

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angeführt 370 . Aus der Fülle der von Lachmann ausgewerteten Materialien ist für diese Ar<strong>bei</strong>t vor<br />

allem der Nexus hervorzuheben, den sie zwischen phantastischer Literatur und dem kulturell<br />

Anderen herstellt 371 :<br />

212<br />

„Es scheint, als sei es allein die phantastische Literatur, die sich mit dem Anderen in dieser<br />

Doppelbedeutung [anthropologisch und kulturologisch] beschäftigt und etwas in die<br />

Kultur zurückholt und manifest macht, was den Ausgrenzungen zum Opfer gefallen ist.<br />

Sie nimmt sich dessen an, was eine gegebene Kultur von dem abgrenzt, was sie als Gegenkultur<br />

oder Unkultur betrachtet. Fremd – Eigen ist da<strong>bei</strong> die Opposition, die das Verhältnis<br />

einer Kultur zu dem, was sie nicht ist und nicht sein will, bestimmt.“ (LACHMANN<br />

2002, 9)<br />

Aus der Untersuchung Lachmanns wird deutlich, dass Nicht-Sein und Nicht-Sein-Wollen in kei-<br />

nem Oppositionsverhältnis zueinander stehen. Sie legt z.B. dar, dass es bis zur Romantik einen<br />

Streit innerhalb der Regelpoetik darüber gab, wieviel Phantasie dem literarischen Werk und auch<br />

seinem Autor noch zuträglich sei. Ihre Überlegungen zeigen, wie sich die Vorstellungen von dem,<br />

was angemessen ist, mit den Vorstellungen davon verbanden, was noch als „gesund“ zu gelten<br />

habe. Das Fremde wird zu einer gemischten Kategorie, die sowohl mit Exzess, mit Kultur- und<br />

Maßlosigkeit, als auch mit anthropologischer Andersartigkeit und sogar mit Krankheit in Verbin-<br />

dung gebracht werden kann.<br />

Die Akzentsetzungen der einzelnen Debattanden sind da<strong>bei</strong> zwar unterschiedlich, aber allesamt<br />

innerhalb des so aufgespannten Feldes zu verorten. Damit wird allerdings auch deutlich, dass die<br />

Phantastik als literarisches Phänomen viel breiter angelegt werden muss, als dies gängige Theo-<br />

rien wie etwa die von Tzvetan Todorov nahe legen 372 . Phantastisch ist ein Ereignis nicht nur<br />

dann, wenn es unentscheidbar in dem Sinne ist, dass eine hésitation bestehen bleibt, die zwischen<br />

Realem und Irrealem oszilliert. Phantastisch, so ließe sich mit Lachmann sagen, ist ein Ereignis<br />

eben auch dann, wenn es sich gegen jeden Versuch des Zur-Deckung-Bringens mit der Ordnung<br />

der Dinge sperrt.<br />

Lachmann stärkt diesbezüglich vor allem drei Stränge der Literaturgeschichte als Traditionslinien<br />

des Phantastischen. Zum ersten die mittelalterlich-karnevaleske Form der Mennipea, wie sie vor<br />

allem von Bachtin untersucht worden ist; Lachmann kann hier zeigen, wie der Humor, die Paro-<br />

die oder der Topos der verkehrten Welt die Stelle des Phantasmas einnehmen können 373 . Zum<br />

370 Vgl. LACHMANN 2002, 29-98. Anders als Tzvetan Todorov legt sie für das Phantastische eine weniger strenge<br />

Begriffsbestimmung an , so dass Seltsames, Phantastisches und Wunderbares <strong>bei</strong> ihr nicht voneinander getrennt sind.<br />

Lachmann differenziert vielmehr auf einer anderen Ebene: Sie benennt drei Traditionslinien für die unter der Bezeichnung<br />

des Phantastischen zusammengeführten Elemente, die gleich noch benannt werden.<br />

371 Lachmann versucht in ihrer Argumentation, die <strong>bei</strong>den Traditionsstränge (den anthropologischen und den kulturologischen,<br />

wie sie es nennt) gleichwertig nebeneinander zu stellen. Schon in einem früheren Text zum selben<br />

Thema stellt sie eine Verbindung zwischen dem (anthropologischen) Vermögen der phantasia und dem (kulturologischen)<br />

Diskurs über das Andere und das Seltsame her, vgl. LACHMANN 1996, 290f.<br />

372 Vgl. TODOROV 1970, 29.<br />

373 Vgl. LACHMANN 2002, 13ff.

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