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Was heißt „interkulturelle Literatur“? - bei DuEPublico - Universität ...

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sönlichen Horizont hinausgehen, d.h. es gibt einen Zusammenhang zwischen der Themenwahl<br />

und dem Autor. Deshalb ist es eigenartig einer Autorin vorzuwerfen, wie dies B. Jayamohan ge-<br />

tan hat, sie klinge „not natural“, nur weil sie sich im Rahmen dieses persönlichen Ausdruckshori-<br />

zontes bewegt. Denn diese Art der Beschränkung gestehen wir auch jedem Autor zu, der einer<br />

Literatursprache unhinterfragt angehört. Man kann diese Unterschiede sicherlich unter den ver-<br />

schiedensten Blickwinkeln gut beschreiben, man kann sie sozial, man kann sie kulturell nennen<br />

und diese Begriffe auf je eigene Weise definieren. Die Unterschiede, die durch die persönliche<br />

Auswahl von Sprache oder Thema getroffen werden – und das kann nicht oft genug wiederholt<br />

werden – dürfen da<strong>bei</strong> aber nicht als Einschränkung des Textes selbst betrachtet werden. In die-<br />

ser Weise geschieht aber die Diskriminierung, die Wägenbaur beschreibt.<br />

Folgerichtig wird für Wägenbaur eine „Neu-Definition von Identität im entsprechenden Zusam-<br />

menhang mit einer Neu-Definition von Kultur“ notwendig. „Interkulturalität“ bedeutet für ihn<br />

da<strong>bei</strong> gerade „keine Subsumtion und Homogenisierung der einzelnen ‚Eigenheiten’“, sondern<br />

„Hybridität bzw. Heterogenität“ (23). Unter diesen Gesichtspunkten wird „Interkulturalität“ zu<br />

einem Attribut für Texte, die sich dieser Neu-Definition widmen.<br />

Bis hierhin deckt sich die Analyse Wägenbaurs mit meiner eigenen; doch vollzieht er eine Wen-<br />

dung, der ich nicht mehr folgen kann, wenn er schreibt, genau diese Neu-Definition sei das<br />

Thema der interkulturellen Literatur 13 und somit implizit die Konstitution dieser Gattung recht-<br />

fertigt. Mit dieser Volte verschenkt er ein wenig die Ergebnisse seiner Analyse. Ich denke, dass<br />

das, was die Literaturwissenschaft unter dem Label der interkulturellen Literatur zusammenfasst,<br />

in einem Traditionszusammenhang steht, der diese Texte mit vielen Texten, die dieser Gruppe<br />

gewöhnlich nicht zugeschlagen werden, verbindet. Ich halte auch Wägenbaurs Rekurs auf den<br />

Unterschied zwischen Minderheits- und Mehrheitsperspektive in diesem Zusammenhang für<br />

unglücklich, denn – und dieser Punkt ist entscheidend – die Minderheitsperspektive eines Textes ist nicht<br />

identisch mit der seines Autors. Wägenbaurs Analyse hatte doch gerade eine Differenzierung zwischen<br />

der Person der Autorin und ihrem Werk gefordert. Die Texte der interkulturellen Literatur sind<br />

genauso sehr und genauso wenig an der von ihm geforderten Neu-Definition beteiligt wie Werke,<br />

die ohne Zögern einer Nationalliteratur zugeordnet werden 14 .<br />

13 Vgl. WÄGENBAUR 1995, 23.<br />

14 Vgl. Alexander García Düttmanns Ausführungen zum paradoxen Doppelcharakter der Anerkennung. Über eine<br />

polemisch zugespitzte Forderung der Schwulenbewegung schreibt er: „We’re queer, we’re here, so get fuckin’ used to it –<br />

handelt es sich <strong>bei</strong> dieser Parole um eine Forderung nach Anerkennung, so scheint sie, wie alle Forderungen nach<br />

Anerkennung, nach Bestätigung und Stiftung, von einem Widerspruch auseinandergerissen [...]: Gefordert wird, dass<br />

man anerkennt, was man gar nicht mehr anzuerkennen braucht. Wir, die Anerkennung fordern, sind bereits, was wir<br />

sind, wir sind es nicht an einem anderen Ort, zu dem ihr keinen Zugang habt oder von dem ihr euch fernhalten<br />

könnt, gerade deshalb fordern wir Anerkennung in eurer Mitte“ (GARCÍA DÜTTMANN 1997, 110). Diese paradoxe<br />

Figur der Anerkennung sieht García Düttmann im Zentrum jeder Kultur (19 et passim), so dass Kultur permanent<br />

eine Neu-Definition, eine Neu-Positionierung ihrer selbst vornimmt; vgl. dazu auch NANCY 1993, 6.<br />

13

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