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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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mangelhaften Zusammenarbeit mit dem ostdeuts<strong>ch</strong>en und ungaris<strong>ch</strong>en Reisebüro zeigten, gab es sonst<br />

<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>s zu beklagen. Die Teilnahme der DDR-Esperantisten an dem <strong>Esperanto</strong>-Weltkongress <strong>in</strong> Ungarn<br />

wurde als „e<strong>in</strong> voller Erfolg“ verbu<strong>ch</strong>t. Die DDR-Esperantisten seien „als glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigte Partner<br />

aufgetreten“ und hätten dur<strong>ch</strong> ihr Auftreten und <strong>in</strong> vielen Diskussionen mit <strong>Esperanto</strong>freunden aus<br />

sozialistis<strong>ch</strong>en und kapitalistis<strong>ch</strong>en Staaten demonstriert, dass <strong>in</strong> Deuts<strong>ch</strong>land zwei deuts<strong>ch</strong>e Staaten<br />

existierten und dass das Pr<strong>in</strong>zip der friedli<strong>ch</strong>en Koexistenz e<strong>in</strong> realer Faktor sei.<br />

Vier weitere Beiträge <strong>in</strong> der esperantist 11-12/1966, die das Klima des Kalten Krieges, die<br />

deuts<strong>ch</strong>-deuts<strong>ch</strong>en Widersprü<strong>ch</strong>e und den Konflikt zwis<strong>ch</strong>en Kommunismus und Kapitalismus<br />

widerspiegeln, erregten die Aufmerksamkeit des Lesers.<br />

In e<strong>in</strong>er Na<strong>ch</strong>betra<strong>ch</strong>tung zum westdeuts<strong>ch</strong>en <strong>Esperanto</strong>-Jahreskongress <strong>in</strong> Bamberg an<br />

Pf<strong>in</strong>gsten 1966, an dem e<strong>in</strong>er offiziellen E<strong>in</strong>ladung folgend e<strong>in</strong>e Delegation des ZAKE teilnahm,<br />

wurde vermerkt, dass „viele westdeuts<strong>ch</strong>e Esperantisten“ etwa „<strong>in</strong> den Grundfragen der nationalen<br />

Politik“ mit den DDR-Standpunkten „e<strong>in</strong>ig“ gewesen seien. Denno<strong>ch</strong> habe der Kongress „<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Gesamtheit mit den offiziellen Reden und Dokumenten jedo<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> e<strong>in</strong>e so offene, den Realitäten<br />

unserer Zeit und der nationalen Verantwortung entspre<strong>ch</strong>ende Orientierung gefunden“. Die Teilnahme<br />

der DDR-Delegation habe zwar zu ersten Kontakten zwis<strong>ch</strong>en west- und ostdeuts<strong>ch</strong>en Esperantisten<br />

geführt. Diese „im Interesse des Friedens, der nationalen Verständigung bei völliger<br />

Glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigung entspre<strong>ch</strong>end der Realitäten der Existenz zweier deuts<strong>ch</strong>er Staaten zu entwickeln“,<br />

liege jedo<strong>ch</strong> beim Bundesvorstand des westdeuts<strong>ch</strong>en <strong>Esperanto</strong>-Bundes. „Ke<strong>in</strong>em aufmerksamen<br />

Teilnehmer oder Beoba<strong>ch</strong>ter dürfte entgangen se<strong>in</strong>, dass au<strong>ch</strong> hier versu<strong>ch</strong>t wurde, das gesamte<br />

geistige Leben im Interesse der westdeuts<strong>ch</strong>en Monopole dur<strong>ch</strong> die Erhard-Regierung zu manipulieren<br />

und den Alle<strong>in</strong>vertretungsanspru<strong>ch</strong> mit allen Mitteln dur<strong>ch</strong>zusetzen“, hiess es <strong>in</strong> dem Kommentar<br />

e<strong>in</strong>es gewissen He<strong>in</strong>z Plöger weiter. Dass e<strong>in</strong> Bundesm<strong>in</strong>ister Seebohm, der „e<strong>in</strong> Haupte<strong>in</strong>peits<strong>ch</strong>er<br />

des Revan<strong>ch</strong>ismus“ genannt wurde, si<strong>ch</strong> als e<strong>in</strong> Förderer des <strong>Esperanto</strong> betra<strong>ch</strong>te, fanden die DDR-<br />

Esperantisten immerh<strong>in</strong> „zum Na<strong>ch</strong>denken“, zumal er si<strong>ch</strong> für die Landsmanns<strong>ch</strong>aften stark gema<strong>ch</strong>t<br />

hatte. 25 <strong>Der</strong> Bamberger Kongress habe deutli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, dass die Pflege der Welthilfsspra<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Esperanto</strong> „si<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> im ‚unpolitis<strong>ch</strong>en Raum’“ vollziehe, sondern dass sie vielmehr verlange, „si<strong>ch</strong><br />

mit den geistigen Fragen unserer Zeit zu befassen“.<br />

Ausserdem wurde auf e<strong>in</strong> aktuelles Bu<strong>ch</strong> des westdeuts<strong>ch</strong>en Psy<strong>ch</strong>iaters und Philosophen Karl<br />

Jaspers zum Thema ‚Woh<strong>in</strong> treibt die Bundesrepublik’ h<strong>in</strong>gewiesen. Dieses sei <strong>in</strong> man<strong>ch</strong>erlei H<strong>in</strong>si<strong>ch</strong>t<br />

bemerkenswert, befand der esperantist, denn Jaspers „<strong>ch</strong>arakterisierte dar<strong>in</strong> die Bundesrepublik als e<strong>in</strong><br />

autoritäres, aggressives Staatsgebilde, das die Gefahr der totalen Fas<strong>ch</strong>isierung und des Krieges <strong>in</strong> si<strong>ch</strong><br />

trägt“. <strong>Der</strong> Verfasser, der si<strong>ch</strong> zwar „ausdrückli<strong>ch</strong> zur westdeuts<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aftsordnung“ bekenne,<br />

sehe „die e<strong>in</strong>zige Mögli<strong>ch</strong>keit e<strong>in</strong>er Regeneration der Demokratie im Kampf gegen Notstands- und<br />

Revan<strong>ch</strong>epolitik“ und er knüpfe „an die Erfahrungen der deuts<strong>ch</strong>en Arbeiterklasse an“. Er habe „den<br />

S<strong>ch</strong>luss gefolgert, gegen die Bonner Kriegspolitik seien Revolte und Bürgerkrieg ‚grossartig und<br />

mögli<strong>ch</strong>’“. „Statt e<strong>in</strong>es Parlamentarismus, das zur Diktatur“ führe, habe er „die aktive Mitwirkung des<br />

Volkes an den Regierungsges<strong>ch</strong>äften gefordert“. Im „aussenpolitis<strong>ch</strong>en Teil“ se<strong>in</strong>es Bu<strong>ch</strong>es habe<br />

Jaspers ausserdem “’die rückhaltlose Anerkennung der Kriegsfolgen dur<strong>ch</strong> die Bonner Regierung’<br />

verlangt“. Die „gegenwärtige Bonner Deuts<strong>ch</strong>landpolitik sei „’für den Frieden verhängnisvoll’“. „Zu<br />

diesen unumgängli<strong>ch</strong>en Voraussetzungen gehörten, dass die Oder-Neisse-Grenze und die Existenz der<br />

DDR als endgültig anerkannt werden. Dies erfordere das Abrücken von der Hallste<strong>in</strong>-Doktr<strong>in</strong> 26 “. Die<br />

Soziolekte dieser DDR-Esperantisten ist e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> herrli<strong>ch</strong> und als s<strong>ch</strong>riller Kontrast zur ges<strong>ch</strong>liffenen und ritualisierten,<br />

formalisierten und unerträgli<strong>ch</strong>en Idiomatik <strong>in</strong> der esperantist zu geniessen!<br />

25 Hans-Christoph Seebohm (1903-67), aus Obers<strong>ch</strong>lesien stammend, ma<strong>ch</strong>te 1921 das Abitur <strong>in</strong> Dresden und studierte<br />

Bergwissens<strong>ch</strong>aften <strong>in</strong> Mün<strong>ch</strong>en und Berl<strong>in</strong>-Charlottenburg. Als Politiker der nationalkonservativen, gegen Kommunismus<br />

und Sozialismus e<strong>in</strong>tretenden Deuts<strong>ch</strong>en Partei (DP) und der CDU gehörte er ab 1960 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an.<br />

1949-66 war er Bundesm<strong>in</strong>ister für Verkehr, zuletzt für wenige Wo<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> Vizekanzler. Seit 1950 war Seebohm, selbst<br />

ke<strong>in</strong> Sudetendeuts<strong>ch</strong>er, Mitglied des Vorstands der Sudetendeuts<strong>ch</strong>en Landsmanns<strong>ch</strong>aft, bei der er als Spre<strong>ch</strong>er und als e<strong>in</strong>er<br />

der aktivsten Lobbyisten der Vertriebenenverbände <strong>in</strong> Bonn regelmässig S<strong>ch</strong>lagzeilen wegen se<strong>in</strong>er viel kritisierten<br />

‚Sonntagsreden’ ma<strong>ch</strong>te, die zahlrei<strong>ch</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit Adenauer im Bundeskab<strong>in</strong>ett zur Folge hatten.<br />

26 Die Hallste<strong>in</strong>-Doktr<strong>in</strong> war e<strong>in</strong>e aussenpolitis<strong>ch</strong>e Direktive der BRD, die zwis<strong>ch</strong>en 1955 und 1969 angewendet wurde und<br />

besagte, dass die Aufnahme diplomatis<strong>ch</strong>er Beziehungen von Drittstaaten mit der DDR als „unfreundli<strong>ch</strong>er Akt“ der<br />

Bundesrepublik gegenüber angesehen werden müsse. Das Ziel der Doktr<strong>in</strong> war, die DDR aussenpolitis<strong>ch</strong> zu isolieren.<br />

Gegenmassnahmen von Seiten Bonns konnten von wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Sanktionen bis zum Abbru<strong>ch</strong> der diplomatis<strong>ch</strong>en<br />

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