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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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Loyalität zu den Regierungen, zur Sowjetunion, zu den Bruderländern, zu den offiziellen<br />

parteigesteuerten Massenorganisationen (Kulturbund, Vaterländ. Front u.ä.) aufre<strong>ch</strong>terhalten blieb und<br />

dass die Spielregeln, au<strong>ch</strong> die unges<strong>ch</strong>riebenen, bea<strong>ch</strong>tet und e<strong>in</strong>gehalten wurden. 173<br />

Es ist m.E. e<strong>in</strong>e historis<strong>ch</strong>e Fehlleistung der <strong>Esperanto</strong>-Bewegungen <strong>in</strong> diesen Ländern<br />

gewesen, au<strong>ch</strong> wenn es zum vorgeführten politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>en Verhalten ke<strong>in</strong>e Alternative zu<br />

geben s<strong>ch</strong>ien, als gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> relevante Kraft, für die man si<strong>ch</strong> selbst hielt, si<strong>ch</strong> gegenüber dem<br />

Regime unkritis<strong>ch</strong> verhalten und <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> frühzeitig auf die katastrophale Situation des realen<br />

Sozialismus zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den Berei<strong>ch</strong>en der allgeme<strong>in</strong>en Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te h<strong>in</strong>gewiesen, den<br />

<strong>Wahrheit</strong>sanspru<strong>ch</strong> der Kommunisten <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> angezweifelt oder h<strong>in</strong>terfragt, das Diktat der KP ohne<br />

Widerstand und gegen Privilegien entgegengenommen und verme<strong>in</strong>tli<strong>ch</strong>en Friedensaposteln vertraut<br />

zu haben. Mit den Verbre<strong>ch</strong>en der osteuropäis<strong>ch</strong>en Kommunisten, die v.a. bei der gewaltsamen<br />

E<strong>in</strong>führung des Sozialismus <strong>in</strong> ihren Ländern, aber au<strong>ch</strong> später no<strong>ch</strong> gegen das eigene Volk <strong>in</strong> Form<br />

von politis<strong>ch</strong>er Unterdrückung begangen wurden und denen Tausende und Millionen von Mens<strong>ch</strong>en<br />

zum Opfer fielen, hatten si<strong>ch</strong> die osteuropäis<strong>ch</strong>en Esperantisten bis zum Ende des Kommunismus nie<br />

ause<strong>in</strong>andergesetzt, ges<strong>ch</strong>weige denn dagegen protestiert, sondern sie hatten im Gegenteil immer brav<br />

ges<strong>ch</strong>wiegen. Die <strong>Esperanto</strong>-Bewegungen <strong>in</strong> diesen Ländern können also <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> <strong>in</strong> Anspru<strong>ch</strong> nehmen,<br />

etwas für die Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te, die Freiheit oder die Demokratie unternommen zu haben, sondern sie<br />

müssen si<strong>ch</strong> den Vorwurf gefallen lassen, diese Werte als ho<strong>ch</strong>gradig opportunistis<strong>ch</strong>e und<br />

konformistis<strong>ch</strong>e Komplizen auf der Seite des repressiven Staates missa<strong>ch</strong>tet und von ihrer eigenen<br />

Regimetreue profitiert zu haben. 174 Mit ihrem Gang <strong>in</strong> die Bedeutungslosigkeit haben die <strong>Esperanto</strong>-<br />

Bewegungen <strong>in</strong> diesen Ländern na<strong>ch</strong> 1989 für ihre e<strong>in</strong>deutige Haltung während der Zeit der Diktatur<br />

s<strong>ch</strong>wer bezahlen müssen, denn sie s<strong>in</strong>d mit dem Kommunismus, der si<strong>ch</strong> als e<strong>in</strong>e historis<strong>ch</strong>e<br />

Sackgasse erwies, praktis<strong>ch</strong> zusammen untergegangen.<br />

Wie si<strong>ch</strong> gezeigt hat, war au<strong>ch</strong> <strong>Esperanto</strong> im Ostblock nur e<strong>in</strong>e Illusion gewesen. E<strong>in</strong>e<br />

Illusion, die si<strong>ch</strong> <strong>in</strong> der DDR und anderswo im Ostblock auf Lüge und Täus<strong>ch</strong>ung gestützt hatte. 175<br />

Wie im Fall der DDR hat si<strong>ch</strong> diese Illusion 1989/90 <strong>in</strong> Luft aufgelöst.<br />

Ni<strong>ch</strong>t wenige Hauptprotagonisten der <strong>Esperanto</strong>-Bewegung des Ostblocks s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwis<strong>ch</strong>en<br />

verstorben; no<strong>ch</strong> mehr ehemalige Esperantisten haben si<strong>ch</strong> von <strong>Esperanto</strong> abgewendet. Es s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t,<br />

dass die Zeitzeugen si<strong>ch</strong> im Allgeme<strong>in</strong>en <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mehr gerne an die kommunistis<strong>ch</strong>e Diktatur er<strong>in</strong>nern<br />

mögen oder e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mehr darüber reden wollen.<br />

Die juristis<strong>ch</strong>e Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und die damit verbundene<br />

Strafverfolgung von DDR-Unre<strong>ch</strong>t ist offiziell abges<strong>ch</strong>lossen, wie man aus e<strong>in</strong>er zusammenfassenden<br />

Bros<strong>ch</strong>üre der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur entnehmen kann. 176 Die<br />

gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Debatte über die DDR soll jedo<strong>ch</strong> an den S<strong>ch</strong>ulen, Medien und der Politik<br />

weitergeführt werden, so der Wuns<strong>ch</strong> der Stiftung. Nur dann werde es gel<strong>in</strong>gen, die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der<br />

DDR und der deuts<strong>ch</strong>en Teilung <strong>in</strong> der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Demokratie und Diktatur im Deuts<strong>ch</strong>land des<br />

20. Jahrhunderts zu verorten. Wie man gesehen hat, sträuben si<strong>ch</strong> vor allem diverse Kreise der Partei<br />

173 Diesem Zweck dienten v.a. die etwas geheimnisumwobenen Konsultativtreffs der <strong>Esperanto</strong>-Verbände der sozialistis<strong>ch</strong>en<br />

Staaten, die alljährli<strong>ch</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen Land stattfanden und bei denen D. Blanke, der na<strong>ch</strong> eigenen Angaben bei allen<br />

Treffs dabei war, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>flussrei<strong>ch</strong>e Rolle spielte.<br />

174 Mögli<strong>ch</strong>erweise gab es <strong>in</strong>nerhalb der <strong>Esperanto</strong>-Bewegungen e<strong>in</strong>zelne kritis<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>gestellte Personen, die die Probleme<br />

zwar erkannt hatten, aber zu s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> waren, dagegen etwas zu unternehmen oder si<strong>ch</strong> getrauten, das kommunistis<strong>ch</strong>e<br />

System öffentli<strong>ch</strong> <strong>in</strong> Frage zu stellen. I<strong>ch</strong> hatte sol<strong>ch</strong>e Leute kennengelernt, die ihre kritis<strong>ch</strong>e Haltung Fremden gegenüber<br />

jedo<strong>ch</strong> mit äusserster Zurückhaltung und nur <strong>in</strong> Andeutungen kundtaten.<br />

175 E<strong>in</strong> Spra<strong>ch</strong>enproblem gab es <strong>in</strong> den sozialistis<strong>ch</strong>en Ländern offiziell sowieso <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>, d.h. es wurde als gelöst betra<strong>ch</strong>tet. Als<br />

<strong>in</strong>ternationale Spra<strong>ch</strong>e war das Russis<strong>ch</strong>e anerkannt, das <strong>in</strong> den S<strong>ch</strong>ulen obligatoris<strong>ch</strong> gelehrt wurde. Das Russis<strong>ch</strong>e <strong>in</strong> dieser<br />

Rolle zu kritisieren, war offiziell <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mögli<strong>ch</strong>. Die Satellitenstaaten waren streng titularnationalistis<strong>ch</strong> ausgeri<strong>ch</strong>tet und<br />

behandelten ihre Spra<strong>ch</strong>m<strong>in</strong>derheiten entweder stiefmütterli<strong>ch</strong> wie <strong>in</strong> der DDR (Sorben) oder <strong>in</strong> PL (Kas<strong>ch</strong>uben) oder wie<br />

Parias (Zigeuner <strong>in</strong> CS, Deuts<strong>ch</strong>e und Magyaren <strong>in</strong> RO, Türken <strong>in</strong> BG, Albaner <strong>in</strong> YU). <strong>Der</strong> Antisemitismus grassierte von<br />

Zeit zu Zeit latent oder offen wie unter Ulbri<strong>ch</strong>t <strong>in</strong> den 50ern und <strong>in</strong> PL im Jahr 1968 sowie unters<strong>ch</strong>wellig <strong>in</strong> der SU, wo<br />

Tausende russis<strong>ch</strong>e Juden <strong>in</strong> Wellen auswanderten. Von all diesen Problemen s<strong>ch</strong>ienen si<strong>ch</strong> die Esperantisten <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> betroffen<br />

zu fühlen, obwohl sie gemäss der Statuten ihrer Verbände im Westen für die E<strong>in</strong>haltung der Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te und im Osten<br />

für den Völkerfrieden plädierten.<br />

176 Wel<strong>ch</strong>e Taten für die Strafverfolgung <strong>in</strong> der Ex-DDR relevant s<strong>in</strong>d s. die Bros<strong>ch</strong>üre von Klaus Marxen, Gerhard Werle<br />

und Petra S<strong>ch</strong>äfter: Die Strafverfolgung von DDR-Unre<strong>ch</strong>t. Fakten und Zahlen; sie kann im Internet heruntergeladen werden.<br />

Die entspre<strong>ch</strong>ende Fa<strong>ch</strong>literatur dazu ist im Verlag De Gruyter ers<strong>ch</strong>ienen:<br />

(http://www.degruyter.de/cont/fb/rw/rwMbw.cfm?rc=16631). Was unter DDR-Unre<strong>ch</strong>t zu verstehen ist und wer davon<br />

betroffen war, wird dort ausführli<strong>ch</strong> erklärt und dokumentiert.<br />

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