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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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offizieller Gesprä<strong>ch</strong>sstoff war und was besser im H<strong>in</strong>terkopf zu bleiben hatte. - E<strong>in</strong>e<br />

Bewusstse<strong>in</strong>sspaltung, die Zynismus und Servilismus bewirken musste. (...) Angesi<strong>ch</strong>ts der<br />

notoris<strong>ch</strong>en Langweiligkeit, Unglaubwürdigkeit und Ineffizienz der DDR-Medien, die 1989 zum<br />

Offenbarungseid führte, brau<strong>ch</strong>t die ‚Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit’ dieses Konzeptes <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> weiter ad absurdum<br />

geführt zu werden. Interessanter dürfte se<strong>in</strong>, dass es au<strong>ch</strong> mit der marxistis<strong>ch</strong>en Denkweise, auf die es<br />

si<strong>ch</strong> berief, <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> viel zu tun hatte. Es g<strong>in</strong>g zwar vordergründig von der Marxs<strong>ch</strong>en Feststellung aus,<br />

dass das herrs<strong>ch</strong>ende Bewusstse<strong>in</strong> stets das Bewusstse<strong>in</strong> der herrs<strong>ch</strong>enden Klasse ist. Es verfäls<strong>ch</strong>te<br />

diesen objektiven Sa<strong>ch</strong>verhalt jedo<strong>ch</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Art Vers<strong>ch</strong>wörungstheorie, wona<strong>ch</strong> die Angehörigen der<br />

herrs<strong>ch</strong>enden Klassen bzw. ihre Handlanger mit grosser Bewusstheit und Raff<strong>in</strong>esse die Medien zur<br />

geistigen Unterdrückung der Massen missbrau<strong>ch</strong>en. Es wurden also <strong>in</strong> der bekannten stal<strong>in</strong>istis<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>ekistis<strong>ch</strong>en<br />

Manier objektive gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Faktoren subjektiv zure<strong>ch</strong>enbar gema<strong>ch</strong>t. (...) Die<br />

DDR-Medienlenkung bediente si<strong>ch</strong> ähnli<strong>ch</strong>er Instrumente, wie sie zuvor der Nationalsozialismus zur<br />

‚Glei<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>altung’ und zentralen Steuerung der Medien verwendet hatte. Beispielsweise mussten si<strong>ch</strong><br />

die Chefredakteure der SED-Presse e<strong>in</strong>mal wö<strong>ch</strong>entli<strong>ch</strong> im ‚Grossen Haus’ des SED-Zentralkomitees<br />

e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den, um dort - analog den tägli<strong>ch</strong>en Befehlsausgaben dur<strong>ch</strong> Goebbels - die neusten<br />

Spra<strong>ch</strong>regelungen der Partei <strong>in</strong> Empfang zu nehmen. <strong>Der</strong> dafür zuständige Leiter der Abteilung<br />

Agitation und Propaganda hiess zuletzt He<strong>in</strong>z Geggel - von den Journalisten h<strong>in</strong>ter vorgehaltener<br />

Hand au<strong>ch</strong> ‚Geggels’ genannt. (...)“ Usw. 152<br />

Diese Charakterisierung s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t <strong>in</strong> besonderem Masse au<strong>ch</strong> auf die Lage von der esperantist,<br />

e<strong>in</strong>em loyalen SED-Spra<strong>ch</strong>rohr für <strong>Esperanto</strong> und Interl<strong>in</strong>guistik, zuzutreffen.<br />

Was die politis<strong>ch</strong>e Situation <strong>in</strong> der DDR anbelangt, darf man auf die Bü<strong>ch</strong>er und Artikel von<br />

Autoren wie Robert Havemann, Walter Janka, Rudolf Bahro, Rolf Henri<strong>ch</strong> (DDR), Leszek<br />

Kołakowski, Adam Zagajewski und Adam Mi<strong>ch</strong>nik (PL), Václav Havel (CS), Alexander Z<strong>in</strong>ov’ev<br />

(SU), Wolfgang Leonhard (D) u.a. h<strong>in</strong>weisen, die wie niemand anderer den perversen Charakter des<br />

realen Sozialismus aufzeigten haben und tiefgründig zu erfassen verstanden. 153<br />

Adam Zagajewski hat das Wesen des Stal<strong>in</strong>ismus wie folgt auf den Punkt gebra<strong>ch</strong>t:<br />

„Die Ethik, die von den Kommunisten verkündet wird, ist verworren und brutal; sie stellt den<br />

Anspru<strong>ch</strong>, die Gegenwart für das Wohl e<strong>in</strong>er nebulösen Zukunft zu opfern; sie beruft si<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> auf die<br />

fassbare Realität des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Individuums, sondern auf die Forderungen e<strong>in</strong>er grossen<br />

gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Gruppe. Die Abstraktheit dieser ethis<strong>ch</strong>en Gebote ermögli<strong>ch</strong>t es, alle Verbre<strong>ch</strong>en zu<br />

re<strong>ch</strong>tfertigen, erlaubt es, den Ar<strong>ch</strong>ipel Gulag zu tolerieren. Die Anstrengungen, den Stal<strong>in</strong>ismus zu<br />

überw<strong>in</strong>den, se<strong>in</strong>e Ursa<strong>ch</strong>e zu analysieren, war zu bes<strong>ch</strong>eiden, um die kommunistis<strong>ch</strong>e Ethik<br />

re<strong>in</strong>zuwas<strong>ch</strong>en. Die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass Kommunisten andere Kommunisten getötet haben, hat mehr<br />

Entsetzen verursa<strong>ch</strong>t, als dass Kommunisten überhaupt gemordet haben.“<br />

Adam Zagajewski fügte dem das Folgende h<strong>in</strong>zu:<br />

„<strong>Der</strong> Kommunismus wollte den neuen Mens<strong>ch</strong>en ers<strong>ch</strong>affen, e<strong>in</strong>en Mens<strong>ch</strong>en mit e<strong>in</strong>er neuen<br />

Moral, mit anderem geistigen Antlitz, der frei wäre von Gew<strong>in</strong>nsu<strong>ch</strong>t und Ma<strong>ch</strong>tgier. So verkündete<br />

er. Was er hervorgebra<strong>ch</strong>t, war <strong>in</strong>dessen der Typus homo sovieticus, der dur<strong>ch</strong> Lüge demoralisierte,<br />

zum Funktionären abgeri<strong>ch</strong>tete, dur<strong>ch</strong> das tägli<strong>ch</strong>e Leben <strong>in</strong> Lug und Trug erniedrigte Mens<strong>ch</strong>. (...)“ 154<br />

Auf die Beziehung zwis<strong>ch</strong>en Kommunistis<strong>ch</strong>er Partei und Intellektuellen wies L. Kołakowski<br />

bereits <strong>in</strong> den 70er Jahren <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en ‚Hauptströmungen des Marxismus’ auf den folgenden Umstand<br />

h<strong>in</strong>:<br />

„<strong>Der</strong> Marxismus, jahrzehntelang als ideologis<strong>ch</strong>er Überbau e<strong>in</strong>er totalitären politis<strong>ch</strong>en<br />

Bewegung tiefgekühlt und erstarrt, hat den Kontakt mit der <strong>in</strong>tellektuellen Entwicklung, die <strong>in</strong> dieser<br />

Zeit stattgefunden hat, wie mit den gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Realitäten, verloren. Die Hoffnung, dass er zum<br />

Leben erweckt und wieder fru<strong>ch</strong>tbar würde, erwies si<strong>ch</strong> als flü<strong>ch</strong>tig und eitel. Als System von<br />

Erklärungen ist er tot; er enthält au<strong>ch</strong> ke<strong>in</strong>erlei Methode, mit der si<strong>ch</strong> das gegenwärtige Leben, die<br />

152 S. http://www.udo-leus<strong>ch</strong>ner.de/medien/ddrpresse.htm.<br />

153 M.W. wurden die Texte dieser Autoren <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> <strong>in</strong>s <strong>Esperanto</strong> übersetzt.<br />

154 S. Zagajewski, A.: Polen. Staat im S<strong>ch</strong>atten der Sowjetunion. 1981. S. 68f.<br />

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