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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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In der Jubiläumsausgabe von der esperantist (32-33/1969) zum 20. Jahrestag ihres Bestehens<br />

wurde die DDR als „erster Staat des Friedens, der Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit, der Demokratie und der sozialen<br />

Si<strong>ch</strong>erheit <strong>in</strong> unserer Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te“ verherrli<strong>ch</strong>t. Aber vor allem <strong>in</strong> der freien Welt herrs<strong>ch</strong>ten<br />

<strong>in</strong>zwis<strong>ch</strong>en erhebli<strong>ch</strong>e Zweifel darüber, ob diese ‚Werte’ <strong>in</strong> der DDR <strong>in</strong> die Tat umgesetzt wurden. Im<br />

Dresdner Verlag Zeit im Bild ers<strong>ch</strong>ien auf <strong>Esperanto</strong> e<strong>in</strong> „luxuriös ausgestattetes Bu<strong>ch</strong>“ mit dem Titel<br />

„Deuts<strong>ch</strong>e Demokratis<strong>ch</strong>e Republik, Bilder und Tatsa<strong>ch</strong>en“, das neben zahlrei<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>warzweiss-<br />

au<strong>ch</strong> Farbfotos enthielt und die DDR den ausländis<strong>ch</strong>en Esperantisten s<strong>ch</strong>mackhaft ma<strong>ch</strong>en sollte<br />

(„Jeder ausländis<strong>ch</strong>e Esperantist würde si<strong>ch</strong> dieses vielfältige und <strong>in</strong>teressante Bu<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er gerne<br />

ans<strong>ch</strong>affen“, hiess es).<br />

Als Freund der DDR wurde <strong>in</strong> der esperantist s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> der Irak präsentiert. <strong>Der</strong> Autor<br />

des entspre<strong>ch</strong>enden Beitrags freute si<strong>ch</strong> darüber, dass <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Land der Feudalismus abges<strong>ch</strong>afft<br />

wurde. E<strong>in</strong> anderer Beri<strong>ch</strong>t betraf e<strong>in</strong>e Reise dur<strong>ch</strong> die von den französis<strong>ch</strong>en Kolonialisten „befreite<br />

Zone von Laos“. <strong>Der</strong> Lebensstandard habe si<strong>ch</strong> dort unaufhörli<strong>ch</strong> erhöht und die<br />

Volksbildungsbewegung sei sehr stark, hiess es unter anderem. Was <strong>in</strong> diesen Ländern eigentli<strong>ch</strong><br />

genau vor si<strong>ch</strong> g<strong>in</strong>g, erfuhr der Leser <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>, denn dies wurde von der e<strong>in</strong>seitigen Propaganda<br />

überblendet.<br />

der esperantist <strong>in</strong> den 1970er Jahren<br />

Anfang 1970 kam der esperantist auf das heikle Thema der <strong>Esperanto</strong>-Korrespondenz no<strong>ch</strong>mals zu<br />

spre<strong>ch</strong>en. In e<strong>in</strong>em Auszug aus e<strong>in</strong>em ZAKE-Beri<strong>ch</strong>t vom Dezember 1969 glaubt man e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Nervosität im ZAKE wegen unkontrollierbarer Korrespondenzen, die zwis<strong>ch</strong>en DDR-Esperantisten<br />

und Ges<strong>in</strong>nungsfreunden im Ausland zirkulierten, herauszuspüren. In der Hauptsa<strong>ch</strong>e war man<br />

darüber besorgt, DDR-Esperantisten könnten <strong>in</strong> ihren Auslandskorrespondenzen e<strong>in</strong> ‚fals<strong>ch</strong>es’ Bild<br />

über die DDR vermitteln, das den Vorstellungen der Staatspropaganda <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> entspri<strong>ch</strong>t: „Zur<br />

Bedeutung der Korrespondenz mit dem Ausland und den politis<strong>ch</strong>en und fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Anforderungen,<br />

die an den e<strong>in</strong>zelnen <strong>Esperanto</strong>freund gestellt werden müssen“, bemerkte der Vorsitzende:<br />

„Kollektivkorrespondenzen s<strong>in</strong>d erst im Entstehen begriffen. Auf diesem Gebiet gibt es no<strong>ch</strong> viel zu<br />

tun, da sie für die Auslands<strong>in</strong>formation der DDR sehr wi<strong>ch</strong>tig s<strong>in</strong>d. Die ausländis<strong>ch</strong>en Esperantisten<br />

sehen <strong>in</strong> jedem Esperantisten e<strong>in</strong>en Repräsentanten der DDR. So wie der e<strong>in</strong>zelne DDR-Esperantist<br />

auftritt, so wie er s<strong>ch</strong>reibt und <strong>in</strong>formiert, so wird die DDR bei se<strong>in</strong>em ausländis<strong>ch</strong>en Briefpartner<br />

e<strong>in</strong>ges<strong>ch</strong>ätzt. Jeder Esperantist muss si<strong>ch</strong> darüber im klaren se<strong>in</strong>, dass se<strong>in</strong>e überzeugende<br />

Ausstrahlung und Wirkung auf se<strong>in</strong>e Briefpartner – und das gilt au<strong>ch</strong> für se<strong>in</strong> Auftreten <strong>in</strong> der<br />

Republik, was leider oft vergessen wird – <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> nur auf Kenntnissen und Wissen beruht, sondern dass<br />

si<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e positive Auswirkung aus dem <strong>ganz</strong>en Verhalten und dem Gesamte<strong>in</strong>druck se<strong>in</strong>er<br />

Persönli<strong>ch</strong>keit ableitet und somit zu e<strong>in</strong>er positiven Me<strong>in</strong>ungsbildung anregt. (...) Dur<strong>ch</strong> unsere<br />

geme<strong>in</strong>same Arbeit müssen wir e<strong>in</strong> sol<strong>ch</strong>es Bild von der DDR bei den ausländis<strong>ch</strong>en Esperantisten<br />

s<strong>ch</strong>affen, wie es der realen positiven Wirkli<strong>ch</strong>keit entspri<strong>ch</strong>t. Denn e<strong>in</strong> sol<strong>ch</strong>es Bild ist die wi<strong>ch</strong>tigste<br />

und bestmögli<strong>ch</strong>ste Form, den E<strong>in</strong>fluss der westdeuts<strong>ch</strong>en imperialistis<strong>ch</strong>en Propaganda und deren<br />

Alle<strong>in</strong>vertretungsanmassung wirksam zurückzudrängen.“ Die entspre<strong>ch</strong>ende Antwort auf ihre<br />

anmassende Haltung gegenüber den DDR-Esperantisten s<strong>ch</strong>ienen die „Bundesfreunde“ des ZAKE<br />

aber bereits erhalten zu haben, <strong>in</strong>dem man si<strong>ch</strong> <strong>in</strong> dem folgenden Satz selbst verraten zu haben s<strong>ch</strong>ien:<br />

„E<strong>in</strong> Mangel, den es zu beheben gilt, ist die fehlende Aktivität vieler Gruppen und Interesselosigkeit<br />

man<strong>ch</strong>er Esperantisten an unserer Arbeit im Deuts<strong>ch</strong>en Kulturbund.“ Die zu vermutenden Gründe<br />

bezei<strong>ch</strong>nende Überwa<strong>ch</strong>ungsvorgänge und Hunderttausende von willkürli<strong>ch</strong>en Verhaftungen begleiteten den DDR-Alltag (s.<br />

H. Knabe: Sie L<strong>in</strong>ke. List 2010, S. 63). Dies dürfte si<strong>ch</strong> hemmend auf die DDR-Briefkorrespondenz ausgewirkt haben. In der<br />

esperantist 5/1981 war die Rede von etwa 15’000 <strong>in</strong>ternationalen Korrespondenzbeziehungen der DDR-Esperantisten <strong>in</strong> über<br />

50 Ländern, wobei 80% mit dem sozialistis<strong>ch</strong>en Ausland abgewickelt worden sei. Was genau unter dieser Zahl zu verstehen<br />

war, wurde <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> erläutert. Es hiess: „Mehr Augenmerk sollte <strong>in</strong> Zukunft aber der politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>en Anleitung und<br />

Auswertung dieser <strong>in</strong>dividuellen Korrespondenz (...) ges<strong>ch</strong>enkt werden. (Literaturtipp: Gieseke, J.: Die Stasi 1945–1990.<br />

Mün<strong>ch</strong>en 2011.)<br />

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