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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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Zwar hatte si<strong>ch</strong> anfängli<strong>ch</strong> vor allem der Deuts<strong>ch</strong>e Friedensrat um die Belange der <strong>Esperanto</strong>-<br />

Bewegung <strong>in</strong> der DDR gekümmert. So liess er 1960 die Zeits<strong>ch</strong>rift Paco der kommunistis<strong>ch</strong>en<br />

Weltfriedensbewegung der Esperantisten (Mondpaca Esperantista Movado) herausgeben und sorgte<br />

au<strong>ch</strong> dafür, dass 1963 e<strong>in</strong>e DDR-Abordnung an den <strong>Esperanto</strong>-Weltkongress <strong>in</strong> Sofia reisen durfte. Da<br />

der Deuts<strong>ch</strong>e Friedensrat aber ke<strong>in</strong>e Organisation mit e<strong>in</strong>ges<strong>ch</strong>riebenen Mitgliedern war, konnte er<br />

den Esperantisten <strong>in</strong> der DDR ke<strong>in</strong>e organisatoris<strong>ch</strong>e Grundlage bieten. 4<br />

Obwohl das <strong>Esperanto</strong>-Verbot per ‚Verordnung über die Gründung und Tätigkeit von<br />

Vere<strong>in</strong>igungen’ im Gesetzblatt der DDR Nr. 64 vom 15.9.1961 – also e<strong>in</strong>en Monat na<strong>ch</strong> dem<br />

Mauerbau! – aufgehoben wurde, bestand es de facto bis 1965 weiter. 5<br />

An den Deuts<strong>ch</strong>en Kulturbund geri<strong>ch</strong>tete S<strong>ch</strong>reiben veranlassten das Sekretariat, Beratungen<br />

mit dem Deuts<strong>ch</strong>en Friedensrat und den zuständigen staatli<strong>ch</strong>en Instanzen zu führen. 6 Im Dezember<br />

1964 gab es e<strong>in</strong>en ZK-Bes<strong>ch</strong>luss zur Wiederzulassung des <strong>Esperanto</strong>. Dies führte dazu, dass im<br />

Februar 1965 das Präsidium des Deuts<strong>ch</strong>en Kulturbundes (DKB) bes<strong>ch</strong>loss, e<strong>in</strong>en Zentralen<br />

Arbeitskreis der <strong>Esperanto</strong>freunde im Deuts<strong>ch</strong>en Kulturbund zu bilden, „um den Esperantisten <strong>in</strong> der<br />

Deuts<strong>ch</strong>en Demokratis<strong>ch</strong>en Republik bessere Mögli<strong>ch</strong>keiten zu geben, im S<strong>in</strong>ne des Friedens und der<br />

Völkerverständigung zu wirken,“ wie es <strong>in</strong> der ersten Ausgabe des Mitteilungsblatts der<br />

<strong>Esperanto</strong>freunde im Deuts<strong>ch</strong>en Kulturbund, der esperantist 7 , hiess. Am 31. März 1965 konstituierte<br />

si<strong>ch</strong> der Zentrale Arbeitskreis der <strong>Esperanto</strong>-Freunde im Rahmen des Deuts<strong>ch</strong>en Kulturbunds<br />

(ZAKE). 8 Die Mitglieder des ersten Vorstands des Zentralen Arbeitskreises <strong>Esperanto</strong> (ZAKE)<br />

waren:<br />

Rudi Graetz (1907-77), 1. Vorsitzender, Direktor für Ausstellungen beim M<strong>in</strong>isterium für Aussen- und<br />

Innerdeuts<strong>ch</strong>en Handel, Berl<strong>in</strong>;<br />

Willy Vildebrand (6.3.1904-?), Exportkaufmann, Berl<strong>in</strong>; 9<br />

Sowjetunion bevormundet wurde, herrs<strong>ch</strong>te Willkür der Gesetzesanwendung (daher spri<strong>ch</strong>t man von e<strong>in</strong>em ‚Unre<strong>ch</strong>tsstaat’).<br />

Obwohl die DDR 1949 gegründet wurde, wurde der Sozialismus erst 1952 gewaltsam e<strong>in</strong>geführt, als si<strong>ch</strong> ausserdem<br />

abzei<strong>ch</strong>nete, dass Stal<strong>in</strong>s Option, den sowjetis<strong>ch</strong>en E<strong>in</strong>fluss über Gesamtdeuts<strong>ch</strong>land zu erlangen, s<strong>ch</strong>eiterte und die<br />

Westmä<strong>ch</strong>te ihre eigene BRD etablierten. Die Mens<strong>ch</strong>en <strong>in</strong> der sog. Ostzone, die <strong>in</strong> diesem Jahr dur<strong>ch</strong> die Erri<strong>ch</strong>tung e<strong>in</strong>er<br />

befestigten <strong>in</strong>nerdeuts<strong>ch</strong>en Sperrgrenze vom übrigen Teil Deuts<strong>ch</strong>land abgeriegelt wurde, wurden ihrem S<strong>ch</strong>icksal<br />

überlassen. An dieser Stelle sei nur soviel über die Zustände <strong>in</strong> der damaligen DDR beri<strong>ch</strong>tet, die heute <strong>in</strong> grossen Zügen und<br />

vielen Details bekannt s<strong>in</strong>d. Ansonsten verweise i<strong>ch</strong> auf die umfangrei<strong>ch</strong>e Fa<strong>ch</strong>literatur, die na<strong>ch</strong> dem 9. November 1989<br />

au<strong>ch</strong> allen ehemal. DDR-Bürgern frei, ungeh<strong>in</strong>dert und im vollen Umfang zugängli<strong>ch</strong> wurde (die grösste Bibliographie ist <strong>in</strong><br />

Weber: Die DDR 1945-1990, Oldenbourg 4/2006, zu f<strong>in</strong>den).<br />

4 DDR-Chefesperantist D. Blanke s<strong>ch</strong>rieb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bros<strong>ch</strong>üre ‚Movado sur la alia flanko’ (2004), dass die Wiederherstellung<br />

e<strong>in</strong>er organisierten <strong>Esperanto</strong>-Bewegung <strong>in</strong> der DDR deshalb mit Verspätung erfolgt sei, weil der Konflikt zwis<strong>ch</strong>en den<br />

beiden deuts<strong>ch</strong>en Staaten e<strong>in</strong>en negativen E<strong>in</strong>fluss auf alle <strong>in</strong>ternationalen Beziehungen der DDR gehabt habe.<br />

5 Beim Verglei<strong>ch</strong> des Charakters, der Semantik und der Struktur des DDR-<strong>Esperanto</strong>-Verbotsdekrets, das ja zweifellos den<br />

sowjetis<strong>ch</strong>en Standpunkt <strong>in</strong> der <strong>Esperanto</strong>-Frage wiedergab, stelle i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e verblüffende ähnli<strong>ch</strong>e Lautung fest, die die<br />

Anti-<strong>Esperanto</strong>-Erlasse der Nationalsozialisten (Rust, Kohlba<strong>ch</strong>, Heydri<strong>ch</strong>, Bormann, usw.) <strong>in</strong> den 30er Jahren aufwiesen (s.<br />

L<strong>in</strong>s, U.: Die gefährli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e, dt. Ausgabe 1988, S. 103-110). Ähnli<strong>ch</strong> wie im Fall des Dritten Rei<strong>ch</strong>s kann man also<br />

au<strong>ch</strong> im Fall des entspre<strong>ch</strong>enden Eo-Verbots <strong>in</strong> der DDR s<strong>ch</strong>liessen, dass die Spra<strong>ch</strong>e <strong>Esperanto</strong> selbst (die man privat<br />

pflegen durfte) vermutli<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> verboten war; verboten waren h<strong>in</strong>gegen die Eo-Tätigkeiten/Gruppen und die öffentli<strong>ch</strong>e<br />

Verbreitung des <strong>Esperanto</strong>. Spezifis<strong>ch</strong> und seltsam war <strong>in</strong> dem DDR-Erlasse die Zuordnung des <strong>Esperanto</strong> zu den<br />

Volkskunstgruppen.<br />

6 Bei den Diskussionen um die Wiederzulassung der <strong>Esperanto</strong>-Bewegung <strong>in</strong> der DDR sollen die „Traditionen der Arbeiter-<br />

<strong>Esperanto</strong>-Bewegung“ e<strong>in</strong>e Rolle gespielt haben, wie Blanke <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bros<strong>ch</strong>üre ‚Movado sur la alia flanko’ festhielt.<br />

7 Sämtli<strong>ch</strong>e Ausgaben von der esperantist s<strong>in</strong>d auf CD erhältli<strong>ch</strong>.<br />

8 Die Wiederzulassung des <strong>Esperanto</strong> <strong>in</strong> der DDR fällt mit der folgenden <strong>in</strong>teressanten Enwicklung im Land <strong>in</strong> der zweiten<br />

Hälfte der 60er zusammen. No<strong>ch</strong> heute weitgehend unbekannt ist die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass der Ex-Stal<strong>in</strong>ist Ulbri<strong>ch</strong>t – er war wohl<br />

mehr e<strong>in</strong> politis<strong>ch</strong>er Opportunist – na<strong>ch</strong> dem Mauerbau von 1961 dana<strong>ch</strong> tra<strong>ch</strong>tete, vers<strong>ch</strong>iedene Reformen auf dem Gebiet<br />

der Wirts<strong>ch</strong>aft, Kultur- und Jugendpolitik <strong>in</strong> der DDR e<strong>in</strong>zuführen und voranzutreiben, die eigentli<strong>ch</strong> ziemli<strong>ch</strong><br />

vielverspre<strong>ch</strong>end waren (man verglei<strong>ch</strong>e die Bemühungen Ulbri<strong>ch</strong>ts mit der damaligen Reformbewegung <strong>in</strong> der<br />

Ts<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>oslowakei). Aber damit sollte er Probleme bekommen. Die eigenmä<strong>ch</strong>tige Stellung Ulbri<strong>ch</strong>ts, der si<strong>ch</strong> immer mehr<br />

zum Diktator der DDR entwickelte, g<strong>in</strong>g den konservativen Hardl<strong>in</strong>ern um Eri<strong>ch</strong> Honecker aber s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> zu weit. Ende<br />

1965 wurde Ulbri<strong>ch</strong>ts Kurs von Honecker jäh abgeblockt. Ulbri<strong>ch</strong>t selbst konnte se<strong>in</strong>en Ma<strong>ch</strong>terhalt nur retten, <strong>in</strong>dem er den<br />

Forderungen der Konservativen, die die Entwicklungen der Jugendbewegung der 60er Jahre zutiefst verabs<strong>ch</strong>euten, na<strong>ch</strong>kam.<br />

Walter Ulbri<strong>ch</strong>t trat 1971 gezwungenermassen von fast allen Ämtern zurück, im August 1973 starb er. Obwohl es unter<br />

se<strong>in</strong>em Na<strong>ch</strong>folger Honecker überhaupt <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> um mehr Humanismus und Mens<strong>ch</strong>enre<strong>ch</strong>te g<strong>in</strong>g und se<strong>in</strong>e Frau, die<br />

unbarmherzige Margot Faisst als ewige Volksbildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> das Ihre zur Diktatur beitrug, hörte unter se<strong>in</strong>er Herrs<strong>ch</strong>aft<br />

der offene Terror zwar auf; das Land wurde denno<strong>ch</strong> von e<strong>in</strong>em zunehmend grösser werdenden Netz von MfS-Spitzeln<br />

überspannt, die alles und jeden kontrollierten.<br />

9 1930 Präsident des Deuts<strong>ch</strong>en Arbeiter-<strong>Esperanto</strong>-Bundes.<br />

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