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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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entrissen.“ E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Auszug aus He<strong>in</strong>ri<strong>ch</strong>s Mann ‚<strong>Der</strong> Untertan’ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Esperanto</strong>-Übersetzung<br />

von Karl S<strong>ch</strong>ulze (1910-83) war der Huldigung beigefügt. 47<br />

E<strong>in</strong> Auszug aus e<strong>in</strong>em Referat von Rudi Graetz, der für die weitere ideologis<strong>ch</strong>e Entwicklung<br />

des Esperantismus <strong>in</strong> der DDR für bedeutsam betra<strong>ch</strong>tet werden kann, weckt die Aufmerksamkeit:<br />

„(...) die Tätigkeit der <strong>Esperanto</strong>freunde der DDR im DKB ist fest gegründet auf den<br />

forts<strong>ch</strong>rittli<strong>ch</strong>en Traditionen der deuts<strong>ch</strong>en Arbeiter-<strong>Esperanto</strong>-Bewegung. Diese Traditionen waren<br />

<strong>in</strong>haltli<strong>ch</strong> identis<strong>ch</strong> mit den Zielen der forts<strong>ch</strong>rittli<strong>ch</strong>en Kräfte der deuts<strong>ch</strong>en Arbeiterbewegung, die <strong>in</strong><br />

der KPD und zum Teil <strong>in</strong> der SPD organisiert waren und si<strong>ch</strong> am 21. April 1946 zur SED vere<strong>in</strong>igten.<br />

Um die Lehren aus der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der deuts<strong>ch</strong>en Arbeiter-Bewegung s<strong>ch</strong>öpferis<strong>ch</strong> <strong>in</strong> der Arbeit der<br />

<strong>Esperanto</strong>gruppen des DKB anwenden und e<strong>in</strong>e vielseitige, politis<strong>ch</strong> wirksame und <strong>in</strong>teressante Arbeit<br />

leisten zu können, ist es notwendig, die zwei e<strong>in</strong>ander entgegengesetzten Traditionen <strong>in</strong> der deuts<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Esperanto</strong>-Bewegung wertend gegenüberzustellen:<br />

- die revolutionäre Deuts<strong>ch</strong>e Arbeiter-<strong>Esperanto</strong>-Bewegung (AEB oder GLEA)<br />

- die neutralistis<strong>ch</strong>e bürgerli<strong>ch</strong>e <strong>Esperanto</strong>bewegung, organisiert im Deuts<strong>ch</strong>en <strong>Esperanto</strong>-Bund (DEB<br />

oder GEA) (...)“ Weiter unten hiess es, bezogen auf die Zeit vor dem 1. Weltkrieg: „Bürgerli<strong>ch</strong>e<br />

Esperantisten unterstützten damit die imperialistis<strong>ch</strong>en Interessen der <strong>in</strong> Deuts<strong>ch</strong>land herrs<strong>ch</strong>enden<br />

Klassen und verrieten die Ziele des <strong>Esperanto</strong>. (...)“<br />

Zum Verständnis der Haltung L.L. Zamenhofs fuhr Graetz weiter fort:<br />

„(...) Dr. Zamenhof verfolgte mit der S<strong>ch</strong>affung der <strong>in</strong>ternationalen Spra<strong>ch</strong>e humanistis<strong>ch</strong>e<br />

Ziele. Jedo<strong>ch</strong> konnte er auf Grund se<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>bürgerli<strong>ch</strong>en Umwelt die gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Entwicklung<br />

und die damit verbundene Klassenfrage <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> begreifen. Er musste daher zu e<strong>in</strong>er unri<strong>ch</strong>tigen<br />

philosophis<strong>ch</strong>en E<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>ätzung der gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Triebkräfte kommen. In Unkenntnis der wahren,<br />

die Gesells<strong>ch</strong>aft verändernden Kräfte, kam er zu utopis<strong>ch</strong>en und pazifistis<strong>ch</strong>en Auffassungen und<br />

übertrug dem <strong>Esperanto</strong> e<strong>in</strong>e fals<strong>ch</strong>e gesells<strong>ch</strong>aftsverändernde Funktion. Damit s<strong>ch</strong>uf er die Grundlage<br />

für die pazifistis<strong>ch</strong>-neutralistis<strong>ch</strong>e ideologis<strong>ch</strong>e Haltung breiter Kreise der <strong>in</strong>ternationalen <strong>Esperanto</strong>-<br />

Bewegung. 48 Wir können aber na<strong>ch</strong>weisen, dass Dr. Zamenhof von e<strong>in</strong>em tiefen humanistis<strong>ch</strong>en<br />

47 In dem von e<strong>in</strong>seitiger ideologis<strong>ch</strong>er Verblendung verfassten Artikel von D.B. (wohl Detlev Blanke) wurden e<strong>in</strong>ige Fakten<br />

über He<strong>in</strong>ri<strong>ch</strong> Mann ausgelassen. Zeit se<strong>in</strong>es Lebens im S<strong>ch</strong>atten se<strong>in</strong>es um vier Jahre jüngeren Bruders Thomas Mann<br />

gestanden, liess He<strong>in</strong>ri<strong>ch</strong> Mann se<strong>in</strong>e unbeugsam republikanis<strong>ch</strong>e, l<strong>in</strong>ksdemokratis<strong>ch</strong>e und antifas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>e Überzeugung<br />

zwar zum kompromisslosen Verteidiger der Weimarer Republik und zum vehementen Verfe<strong>ch</strong>ter e<strong>in</strong>er Volksfront gegen<br />

Hitler werden. Als ausgebürgerter Exilant und L<strong>in</strong>ker hatten se<strong>in</strong>e Werke es <strong>in</strong> der frühen Bundesrepublik s<strong>ch</strong>wer, überhaupt<br />

verlegt zu werden; <strong>in</strong> der DDR wurden se<strong>in</strong>e Werke zwar gedruckt, wegen se<strong>in</strong>es kosmopolitis<strong>ch</strong>en Demokratieverständnisses<br />

von offizieller Seite aber do<strong>ch</strong> beargwöhnt und <strong>in</strong>sgesamt nur partiell rezipiert. 1940 floh H. Mann <strong>in</strong> die<br />

USA. Dort verstarb er kurz vor se<strong>in</strong>er geplanten Übersiedlung na<strong>ch</strong> Ost-Berl<strong>in</strong>, woh<strong>in</strong> ihn die DDR-Regierung e<strong>in</strong>geladen<br />

hatte, um die Präsidents<strong>ch</strong>aft der neu gegründeten Akademie der Künste zu übernehmen. Se<strong>in</strong>e Urne wurde na<strong>ch</strong> Ost-Berl<strong>in</strong><br />

überführt. <strong>Der</strong> He<strong>in</strong>ri<strong>ch</strong>-Mann-Preis, e<strong>in</strong> Literaturpreis, der seit 1953 von der Akademie der Künste (Berl<strong>in</strong>) jährli<strong>ch</strong><br />

verliehen wird, wurde dann dazu missbrau<strong>ch</strong>t, um vor allem loyale DDR-S<strong>ch</strong>riftstellerInnen auszuzei<strong>ch</strong>nen und dem DDR-<br />

Regime genehme l<strong>in</strong>ke Intellektuelle zu vere<strong>in</strong>nahmen.<br />

48 Dies hatte im Pr<strong>in</strong>zip bereits der Sowjetkommunist E.K. Drezen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Analyse über L.L. Zamenhof (1929) ges<strong>ch</strong>rieben,<br />

<strong>in</strong> der er den Homaranismus s<strong>ch</strong>arf ablehnte, während die Spra<strong>ch</strong>e <strong>Esperanto</strong> von ihm glei<strong>ch</strong>zeitig gerühmt wurde. E<strong>in</strong>en<br />

ausführli<strong>ch</strong>en Grundsatzartikel über ‚Ideologis<strong>ch</strong>e Konzepte L.L. Zamenhofs’ liess Graetz <strong>in</strong> der MEM-Zeits<strong>ch</strong>rift Paco<br />

(DDR-Ausgabe 1971, Chefredaktor: D. Blanke) veröffentli<strong>ch</strong>en. Dar<strong>in</strong> wiederholte er Drezens Vorwürfe an Zamenhof,<br />

dieser habe die Rolle der Spra<strong>ch</strong>e übers<strong>ch</strong>ätzt, sei bei der Ers<strong>ch</strong>affung des <strong>Esperanto</strong> von (kle<strong>in</strong>)bürgerli<strong>ch</strong>en Prämissen<br />

ausgegangen und habe den Klassen<strong>ch</strong>arakter der politis<strong>ch</strong>en und sozialen Probleme <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> erkannt oder übersehen. Aus dieser<br />

Zeit stamme au<strong>ch</strong> die Übers<strong>ch</strong>ätzung des <strong>Esperanto</strong> als Mittel der humanistis<strong>ch</strong>en Bildung, des Pazifismus und der<br />

Weltverbrüderung. <strong>Der</strong> Zamenhofkult sei auf der Grundlage von <strong>in</strong>nerer Idee, kosmopolitis<strong>ch</strong>er Konzepten, <strong>in</strong>ternationaler<br />

Verbrüderung und Ideen zur Verh<strong>in</strong>derung von Kriegen entstanden. Eigentli<strong>ch</strong> sei der bürgerli<strong>ch</strong>e Humanismus, der<br />

Zionismus, die Religiosität und die Übers<strong>ch</strong>ätzung der Rolle der Spra<strong>ch</strong>e <strong>in</strong> der Gesells<strong>ch</strong>aft, was Zamenhof mit der<br />

idealistis<strong>ch</strong>en Ideologie vermengt habe, s<strong>ch</strong>uld an den fals<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>lussfolgerungen Zamenhofs. Zamenhof habe die<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Faktoren der Klassengesells<strong>ch</strong>aft <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> erkannt und au<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> begriffen, dass die Ma<strong>ch</strong>tpolitik der damals<br />

Herrs<strong>ch</strong>enden die wahren Gründe für den Chauv<strong>in</strong>ismus gewesen seien. Er habe ke<strong>in</strong>en Kontakt mit Marxisten gehabt und<br />

als er <strong>in</strong> Amerika gewesen war, sei er vom Charme der dortigen Zivilisation verzaubert worden, habe aber vergessen, dass<br />

dort Millionen von S<strong>ch</strong>warzen verfolgt und ausgebeutet würden. Es sei e<strong>in</strong> Fehler Zamenhofs gewesen, zu glauben, dass der<br />

Völkerhass dur<strong>ch</strong> ‚e<strong>in</strong>e Spra<strong>ch</strong>e’ und ‚e<strong>in</strong>e Religion’ beseitigt werden könne. Nur die Aufhebung der Klassengesells<strong>ch</strong>aft und<br />

die Umwandlung dieser Gesells<strong>ch</strong>aft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e klassenlose Gesells<strong>ch</strong>aft würde aber den Völkerhass aufheben. Denno<strong>ch</strong> wurden<br />

die humanistis<strong>ch</strong>en Anliegen Zamenhof von Graetz anerkannt. In e<strong>in</strong>em Abs<strong>ch</strong>nitt se<strong>in</strong>er Doktr<strong>in</strong> habe er sogar die sozialen<br />

Klassen erwähnt. Da Zamenhof aber aus se<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>bürgerli<strong>ch</strong>en Haltung heraus fals<strong>ch</strong>e philosophis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lüsse gezogen<br />

habe und so zu utopis<strong>ch</strong>en und pazifistis<strong>ch</strong>en Me<strong>in</strong>ungen gelangt sei, habe er dem <strong>Esperanto</strong> e<strong>in</strong>e fals<strong>ch</strong>e<br />

gesells<strong>ch</strong>aftsverändernde Funktion gegeben. Damit habe er breiten Kreisen der <strong>in</strong>ternationalen <strong>Esperanto</strong>-Bewegung das<br />

Fundament für e<strong>in</strong>e pazifistis<strong>ch</strong>e, neutralistis<strong>ch</strong>e ideologis<strong>ch</strong>e Haltung ermögli<strong>ch</strong>t. Dies s<strong>ch</strong>mälere aber se<strong>in</strong>e Verdienste<br />

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