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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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habe si<strong>ch</strong> zu se<strong>in</strong>er „polnis<strong>ch</strong>-jüdis<strong>ch</strong>en Herkunft bekennt“. 133 Den ‚Homaranismus’-Text von 1913<br />

benutzte Wollenberg dazu, um den „Patriotismus von Zamenhof“ zu belegen. Nationalismus und<br />

Patriotismus seien bei Zamenhof widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e D<strong>in</strong>ge gewesen, behauptete er, während<br />

Patriotismus und Internationalismus dies <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> gewesen seien. Wollenberg wiederkäute au<strong>ch</strong> die Kritik<br />

der Marxisten, dass Zamenhof die „ökonomis<strong>ch</strong>en, politis<strong>ch</strong>en und Klassenwidersprü<strong>ch</strong>e“ als<br />

„wi<strong>ch</strong>tigste Gründe des Nationalismus und Militarismus <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> erkannt“ habe. Ans<strong>ch</strong>liessend<br />

polemisierte er no<strong>ch</strong> gegen den „USA-Nationalismus“, der <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> nur den „Interessen der <strong>ganz</strong>en<br />

Mens<strong>ch</strong>heit, sondern au<strong>ch</strong> des eigenen Volks widerspri<strong>ch</strong>t“. Aber im Verglei<strong>ch</strong> zu Zamenhofs Zeiten<br />

seien „heute die Friedenskräfte stärker“ und hätten „e<strong>in</strong>e materielle Basis <strong>in</strong> den sozialistis<strong>ch</strong>en<br />

Ländern“. „Die sozialistis<strong>ch</strong>en Länder verteidigen die Interessen der Mens<strong>ch</strong>heit <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

mit den Interessen aller Völker. In der sozialistis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft stimmen Patriotismus und<br />

Internationalismus übere<strong>in</strong>, im Rahmen der imperialistis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft ist dies wegen den<br />

Klassengegensätzen e<strong>in</strong>e Illusion“. Wenn es anlässli<strong>ch</strong> des 25. Jahrestags der Gründung der DDR<br />

heisse, dass der „Sozialismus Erbe und Fortsetzer allen Guten, Forts<strong>ch</strong>rittli<strong>ch</strong>en, Humanen und<br />

Demokratis<strong>ch</strong>en <strong>in</strong> der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te“ sei, bedeute dies, dass er au<strong>ch</strong> „das Erbe des bürgerli<strong>ch</strong>en<br />

Humanisten Zamenhof e<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>liesse“. Als Quellenangaben führte Wollenberg Privat, War<strong>in</strong>ghien,<br />

Boulton, Maimon, Holzhaus, das Orig<strong>in</strong>ala Verkaro Zamenhofs und die Leteroj de Zamenhof an,<br />

Quellen, die mit dem Marxismus bzw. Kommunismus beileibe <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>s am Hut haben, während die<br />

eigentli<strong>ch</strong>en Basisquellen zum Homaranismus weggelassen wurden. Es s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t, dass Wollenberg<br />

dieses Referat am IV. Zentralen Treffen der GDREA, das im September 1984 <strong>in</strong> Dresden stattfand, im<br />

Rahmen des offiziellen Programms, vortrug. Man muss si<strong>ch</strong> die Frage stellen, ob diese grobe<br />

Entstellung der Fakten von den anwesenden Zuhörern e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> so widerstandslos h<strong>in</strong>genommen und<br />

geglaubt wurde.<br />

Dass es do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> weitgehend ohne ideologis<strong>ch</strong>en Brei gehen kann, zeigte e<strong>in</strong> Beitrag<br />

Wollenbergs <strong>in</strong> der esperantist 146/1987, <strong>in</strong> dem er si<strong>ch</strong> mit dem ‚Unua Libro’, der Erstpublikation<br />

des <strong>Esperanto</strong> von 1887, der e<strong>in</strong>igermassen wahrheitsgetreu befasste. 134<br />

Im Hauptreferat von Hans He<strong>in</strong>el hiess es u.a., dass „die Tätigkeit der Esperantisten <strong>in</strong> hohem<br />

Grade au<strong>ch</strong> immer politis<strong>ch</strong>e Arbeit war und von der <strong>in</strong>ternationalen Situation stark bee<strong>in</strong>flusst wurde,<br />

obwohl der E<strong>in</strong>zelne si<strong>ch</strong> dessen <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> immer bewusst war.“ Se<strong>in</strong>e Rede drehte si<strong>ch</strong> vor allem um die<br />

Stationierung von Atomraketen auf westeuropäis<strong>ch</strong>em Territorium (die BRD wurde <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> explizit<br />

genannt). 135 Neben e<strong>in</strong>er erneuten Polemik gegen die ‚Neutrale Eo-Bewegung’ von Ivo Lapenna, die<br />

als „reaktionär“, „antikommunistis<strong>ch</strong>“ und „antisowjetis<strong>ch</strong>“ verfemt wurde, rief au<strong>ch</strong> die Absi<strong>ch</strong>t von<br />

TEJO Argwohn hervor, den Kongress des Jahres 1986 <strong>in</strong> Israel abzuhalten. He<strong>in</strong>el konnte <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> re<strong>ch</strong>t<br />

sagen, ob es si<strong>ch</strong> dabei um „Naivität“ oder um e<strong>in</strong>e „bewusste Bemühung der Unterwanderung“ der<br />

„kollegialen Zusammenarbeit“ mit UEA und TEJO handelte. Neben den übli<strong>ch</strong>en Errungens<strong>ch</strong>aften,<br />

die die GDREA für die Vergangenheit jedes Mal fast wortwörtli<strong>ch</strong> wiederholte, wurde au<strong>ch</strong> Kritik<br />

geübt und <strong>in</strong> 8 Punkten folgende Probleme angespro<strong>ch</strong>en: Man sei <strong>in</strong> gewissen Berei<strong>ch</strong>en der Tätigkeit<br />

„rückständiger“ als andere <strong>Esperanto</strong>-Organisationen <strong>in</strong> den sozialistis<strong>ch</strong>en Ländern. Dies betreffe vor<br />

allem die Notwendigkeit, dass man viel stärker für den Frieden wirksam se<strong>in</strong> sollte: „Wir müssen die<br />

gefährli<strong>ch</strong>e Politik unter Ronald Reagan demaskieren und die vielen Friedensvors<strong>ch</strong>läge der<br />

Sowjetunion propagieren“. „Trotz der begrenzten Druckmögli<strong>ch</strong>keiten müssen wir unbed<strong>in</strong>gt Wege<br />

f<strong>in</strong>den, um das Ausland über die Entwicklung der Friedenspolitik unseres Landes zu <strong>in</strong>formieren.“<br />

133<br />

Kommentar zu diesem Thema s. Fn 90.<br />

134<br />

Wie das Thema Zamenhof von Wollenberg heutzutage ohne Marx und DDR-Propaganda rezipiert wird, kann man etwa <strong>in</strong><br />

der Fests<strong>ch</strong>rift Blanke 2011 na<strong>ch</strong>lesen.<br />

135<br />

Im Interview mit „Leo“ im Bu<strong>ch</strong> von Bendias über die Eo-Jugend der DDR, S. 191, wird He<strong>in</strong>el wie folgt <strong>ch</strong>arakterisiert:<br />

„Zum Spass haben wir mal grüne Plastikkrokodile gekauft, die wir Leuten s<strong>ch</strong>enken wollten, z.B. unserem Präsidenten Hans<br />

He<strong>in</strong>el, der s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t <strong>Esperanto</strong> spra<strong>ch</strong>, aber immer die politis<strong>ch</strong>e Hauptreferatssa<strong>ch</strong>e am Anfang halten musste. An den war<br />

überhaupt ke<strong>in</strong> Herankommen. I<strong>ch</strong> weiss no<strong>ch</strong>, wie er erzählte über die Reisen, die er gema<strong>ch</strong>t hatte <strong>in</strong> den Westen und wie<br />

s<strong>ch</strong>limm das dort wäre und er muss da leider h<strong>in</strong>fahren. War ziemli<strong>ch</strong> komis<strong>ch</strong>.“ Und über den Vorstand: „Viele Alte waren<br />

aus Gewohnheit im Vorstand, die man <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> rauss<strong>ch</strong>meissen wollte, und die Stimmung war so: ‚ja ja...’, ‚wer weiss, was das<br />

wird...’, ‚ma<strong>ch</strong>en wir mal lieber <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>s’, ‚seien wir mal vorsi<strong>ch</strong>tig’.“ Ferner: „Es war also s<strong>ch</strong>wierig, Leute zu f<strong>in</strong>den, die<br />

e<strong>in</strong>erseits <strong>ganz</strong> gut s<strong>in</strong>d, fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> qualifiziert und die Blanke dann au<strong>ch</strong> akzeptiert hätten.“ Wenn Blanke an Kongresse fuhr,<br />

stagnierte die Arbeit zu Hause und wi<strong>ch</strong>tige Ents<strong>ch</strong>eidungen wurden um viele Monate vertagt. Dies nährte die<br />

Unzufriedenheit, weil offenbar alles von Blanke persönli<strong>ch</strong> abh<strong>in</strong>g. Die S<strong>ch</strong>uld, dass „viele resigniert haben“, gibt Leo den<br />

„Bremsern“. (S. 193, 199).<br />

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