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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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vielmehr der Friedensbewegung, der friedli<strong>ch</strong>en Koexistenz und der Abrüstung. Ausserdem hiess es<br />

etwas befremdli<strong>ch</strong>: „Die <strong>in</strong>ternationale <strong>Esperanto</strong>-Bewegung kann als Mikromodell rationeller und<br />

effektiver Kommunikation aufgefasst werden. Glei<strong>ch</strong>sam unter Laboratoriumsbed<strong>in</strong>gungen ist es<br />

mögli<strong>ch</strong>, die Funktionsweise, Entwicklung und Kommunikationspotenzen der Planspra<strong>ch</strong>e zu<br />

registrieren und auszuwerten.“ <strong>Esperanto</strong> – also e<strong>in</strong>e Spra<strong>ch</strong>e aus dem Laboratorium? Na<strong>ch</strong> alldem,<br />

was ges<strong>ch</strong>rieben wurde, erhält man das Gefühl, dass die ZAKE-Leute es si<strong>ch</strong> mit dem <strong>Esperanto</strong> als<br />

Spra<strong>ch</strong>e (und Ideologie sowieso) ziemli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wer taten.<br />

Rudi Graetz feierte se<strong>in</strong>en 70. Geburtstag und wurde entspre<strong>ch</strong>end mit Lob überhäuft. Die<br />

Wiedergeburt und die Erfolge der <strong>Esperanto</strong>-Bewegung der DDR seien unmittelbar mit se<strong>in</strong>em Namen<br />

verbunden, hiess es. Er sei stets „bes<strong>ch</strong>eiden, energis<strong>ch</strong>, immer ruhig, freundli<strong>ch</strong>, aber erstaunli<strong>ch</strong> und<br />

ents<strong>ch</strong>eidungsfreudig“ geblieben. DDR-Staatsratsvorsitzender Honecker verlieh ihm den<br />

‚Vaterländis<strong>ch</strong>en Verdienstorden <strong>in</strong> Silber’ und s<strong>ch</strong>rieb ihm e<strong>in</strong>en persönli<strong>ch</strong>en Brief, um se<strong>in</strong>e<br />

Verdienste beim Aufbau des Sozialismus <strong>in</strong> der DDR zu würdigen. Vom Friedensrat der DDR erhielt<br />

Graetz die deuts<strong>ch</strong>e Friedensmedaille ‚Für Verdienste für den Frieden’ mit e<strong>in</strong>em Begleitbrief vom<br />

Vorsitzenden Prof. Dr. Drefahl. Au<strong>ch</strong> andere Organisationen wie das Komitee der Antifas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>en<br />

Widerstandskämpfer und vers<strong>ch</strong>iedene Parteiführungen gratulierten ihm. Ferner wurde Graetz <strong>in</strong>s<br />

Präsidium des IX. Kongresses des DKB im Jahr 1977 gewählt. Ende 1977 musste dann se<strong>in</strong><br />

unerwartetes Ableben vermeldet werden – der „politis<strong>ch</strong> klare, ehrli<strong>ch</strong>e Freund der Sowjetunion,<br />

feurige Internationalist und wahre Kommunist“ Graetz war am 1. Oktober plötzli<strong>ch</strong> verstorben. 93 So<br />

etwas wie e<strong>in</strong>e Ära Graetz kam plötzli<strong>ch</strong> zu ihrem Ende.<br />

1978 hatten der esperantist e<strong>in</strong> neues Fressen und Grund für die Verbreitung von Angst und<br />

Panik gefunden – die Entwicklung der Neutronenbombe der USA. Als Erklärung des ZAKE hiess es:<br />

„Im Namen der im Kulturbund der DDR organisierten Esperantisten wenden wir uns voller<br />

Empörung und mit tiefer Abs<strong>ch</strong>eu gegen die von den USA geplante Herstellung der Neutronenbombe.<br />

Die Produktion dieser neuen Massenver<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>ungswaffe, die von den Vere<strong>in</strong>igten Staaten zynis<strong>ch</strong> als<br />

sogenannte ‚saubere’ Waffe h<strong>in</strong>gestellt wird, soll das Wettrüsten weiter anheizen und ist e<strong>in</strong>e<br />

ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens. Wir fordern die Ä<strong>ch</strong>tung der Neutronenbombe, die<br />

Ver<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>ung aller Kernwaffen und anderer Massenver<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>ungswaffen. Wir fordern den Verzi<strong>ch</strong>t auf<br />

Gewaltanwendung <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternationalen Beziehungen.“<br />

In der esperantist 87/1978 wurde die von D. Blanke <strong>in</strong>itiierte und von Jaan Ojalo erwiderte<br />

Diskussion über <strong>Esperanto</strong> als Ideologie oder Instrument fortgesetzt. Aus der Sowjetunion mis<strong>ch</strong>te<br />

si<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> gewisser Aleksandr Char’kovskij e<strong>in</strong>, dort als gewiss brillanter <strong>Esperanto</strong>-Intellektueller (und<br />

Jude) bekannt geworden. Obwohl <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> „ideeller Anhänger Zamenhofs“, bestätigte er<br />

die Ri<strong>ch</strong>tigkeit der Behauptungen se<strong>in</strong>es „Freunds“ Blanke nur teilweise und gab zu verstehen, dass<br />

das Thema Spra<strong>ch</strong>e komplexer sei als von Blanke angenommen, dem es bei dieser Diskussion<br />

eigentli<strong>ch</strong> nur darum gehe, die ‚<strong>in</strong>terna ideo’ zu zers<strong>ch</strong>lagen. Aus marxistis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t möge er zwar<br />

sogar ri<strong>ch</strong>tig argumentieren, denno<strong>ch</strong> sähen etwa die Strukturalisten und Kybernetiker das Phänomen<br />

Spra<strong>ch</strong>e anders – für sie bedeute es e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> System, <strong>in</strong> dem es glei<strong>ch</strong>gültig sei, ob die Spra<strong>ch</strong>e<br />

etwas Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es oder etwas Mas<strong>ch</strong><strong>in</strong>elles sei. Ferner wies er auf die Bedeutung der Spra<strong>ch</strong>e als<br />

Träger für die Kultur h<strong>in</strong>. Alles was für e<strong>in</strong>e Nationalspra<strong>ch</strong>e gelte, sei au<strong>ch</strong> für das <strong>Esperanto</strong> gültig.<br />

Die Poeten hätten die E<strong>in</strong>heit zwis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e und Kultur betont, jede Spra<strong>ch</strong>e sei Träger<strong>in</strong> der<br />

nationalen Kultur, man lese nur die Werke der grossen Di<strong>ch</strong>ter. Auf die Rolle des <strong>Esperanto</strong><br />

angespro<strong>ch</strong>en, me<strong>in</strong>te Char’kovskij, dass diese Spra<strong>ch</strong>e zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternationalen Kultur beitrage,<br />

obwohl es e<strong>in</strong>e sol<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> gäbe, also Träger<strong>in</strong> der <strong>in</strong>ternationalen Kultur werde. So bilde zum<br />

Beispiel jede Übersetzung e<strong>in</strong>es nationalen Werks <strong>in</strong>s <strong>Esperanto</strong> den Bestandteil der neuen künftigen<br />

<strong>in</strong>ternationalen Kultur. Diese zeige Übere<strong>in</strong>stimmungen mit den Idealen des Kommunismus.<br />

<strong>Esperanto</strong> verhalte si<strong>ch</strong> diesem Prozess gegenüber <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> glei<strong>ch</strong>gültig, denn se<strong>in</strong> Demokratismus, se<strong>in</strong><br />

Internationalismus, die zu den grundlegenden Eigenheiten des <strong>Esperanto</strong> gehörten, würden hiermit<br />

wirksam.<br />

Also no<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e Abart des marxistis<strong>ch</strong>en-kommunistis<strong>ch</strong>en Verständnisses des <strong>Esperanto</strong>.<br />

Zamenhofs Familie zum Zweig der litwakis<strong>ch</strong>en Juden gehörte. Bei mehreren Gelegenheiten distanzierte L.L. Zamenhof si<strong>ch</strong><br />

ausdrückli<strong>ch</strong> vom Polentum. Er war hö<strong>ch</strong>stens bereit zu erklären, dass er „auf polnis<strong>ch</strong>er Erde“ geboren wurde, lebe und<br />

arbeite. Bekanntli<strong>ch</strong> existierte damals Polen <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> als Staat, sondern war Bestandteil des Russis<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong>s. Es gibt also<br />

mehrere Gründe, um L.L. Zamenhof <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> als Polen zu bezei<strong>ch</strong>nen.<br />

93 E<strong>in</strong>e Bibliographie der „wi<strong>ch</strong>tigsten Publikationen“ von R. Graetz wurde <strong>in</strong> der esperantist 144/1987 veröffentli<strong>ch</strong>t.<br />

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