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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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E<strong>in</strong>führung<br />

In e<strong>in</strong>er Skizze der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des <strong>Esperanto</strong>-Verbands der DDR (GDREA), die e<strong>in</strong>ige Monate na<strong>ch</strong><br />

dem Sturz Eri<strong>ch</strong> Honeckers <strong>in</strong> der esperantist (6/1990), dem offiziellen Organ dieses Verbands,<br />

veröffentli<strong>ch</strong>t wurde, waren <strong>in</strong> dem entspre<strong>ch</strong>enden Kapitel<strong>ch</strong>en zur Periode zwis<strong>ch</strong>en 1949 und 1965<br />

die folgenden lakonis<strong>ch</strong>en Sätze notiert: „In der DDR war <strong>Esperanto</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> erwüns<strong>ch</strong>t. Die Spra<strong>ch</strong>e<br />

wurde verleumdet, und e<strong>in</strong>e organisierte Aktivität war strikt verboten. Denno<strong>ch</strong> gab es sehr grosse<br />

Bemühungen, den Widerstand zu besiegen. Diese Bemühungen, denen das Ende des kruden<br />

Stal<strong>in</strong>ismus verhalf (Periode Chruščevs), und die Reorganisation der Bewegung <strong>in</strong> den europäis<strong>ch</strong>en<br />

Volksdemokratien hatten im Jahr 1965 endli<strong>ch</strong> Erfolg. (…)“ Wie bekannt, hatte die <strong>Esperanto</strong>-Presse<br />

der DDR wie die übrigen Medien des Sowjetblocks au<strong>ch</strong> die Stal<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>en Repressionen systematis<strong>ch</strong><br />

zu vers<strong>ch</strong>weigen (od. bes<strong>ch</strong>weigen). Erstmals <strong>in</strong> La Gazeto 133/2007, S. 133, äusserte Detlev Blanke,<br />

ehemaliger Abteilungsleiter im Kulturbund der DDR und zuständig für <strong>Esperanto</strong> und GDREA, si<strong>ch</strong><br />

öffentli<strong>ch</strong> konsterniert über die „wahllose Mordmas<strong>ch</strong><strong>in</strong>e Stal<strong>in</strong>s“, ohne aber irgendwel<strong>ch</strong>e Details<br />

dazu aufzugreifen. In der esperantist s<strong>ch</strong>rieb er, er habe <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> gewusst, dass die DDR von e<strong>in</strong>er<br />

„Privilegien-gierigen Clique von Krim<strong>in</strong>ellen“ regiert worden war, die <strong>in</strong> Bezug auf das, was Marx,<br />

Engels und Len<strong>in</strong> gewollt heben, <strong>in</strong>kompetent waren und die das Volk, au<strong>ch</strong> ihn selbst, betrogen<br />

hätten. Die Parteiführung habe <strong>in</strong> unermessli<strong>ch</strong>em Grad die Ideale des Sozialismus mit Füssen<br />

getreten, ihre Ma<strong>ch</strong>t und das Vertrauen vieler Wohlges<strong>in</strong>nter missbrau<strong>ch</strong>t und das Land bis an den<br />

Rand der Katastrophe geführt, Er, Blanke, habe si<strong>ch</strong> <strong>in</strong> Bezug auf die Regierung und die Parteiführung<br />

geirrt. E<strong>in</strong> Neuanfang sei vonnöten. <strong>Der</strong> Sozialismus sei aber <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> ges<strong>ch</strong>eitert. Er habe <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> s<strong>ch</strong>eitern<br />

können, weil er gar <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> existiert habe. Man sei nun daran, den Stal<strong>in</strong>ismus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er DDR-Variante<br />

zu zers<strong>ch</strong>lagen, um zu Marx, Engels und Len<strong>in</strong> zurückzukehren. Dies wäre gut so. Usw. 1<br />

Na<strong>ch</strong>dem es na<strong>ch</strong> 1945 au<strong>ch</strong> <strong>in</strong> der deuts<strong>ch</strong>en Ostzone für die <strong>Esperanto</strong>-Bewegung e<strong>in</strong>en<br />

Neubeg<strong>in</strong>n gegeben hatte, traten die ersten Probleme um 1948 auf. In e<strong>in</strong>er Anordnung zur Auflösung<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Esperanto</strong>-Gruppe <strong>in</strong> Rei<strong>ch</strong>enba<strong>ch</strong>/SBZ zum Jahresende 1948 hiess es, dass die „Bildung von<br />

<strong>Esperanto</strong>gruppen, da es si<strong>ch</strong> um e<strong>in</strong>e Kunstgruppe (sic) handelt, die ke<strong>in</strong>erlei Verb<strong>in</strong>dung zu e<strong>in</strong>em<br />

lebenden Volk herstellt, dafür aber dur<strong>ch</strong> westli<strong>ch</strong>e E<strong>in</strong>flussnahme auf ihre Publikationsorgane<br />

reaktionäre Tendenzen verbreitet, zu untersagen“ ist. Am 12. Januar 1949 erliess die Deuts<strong>ch</strong>e<br />

Verwaltung des Inneren der SBZ, also auf dem Territorium der am 7. Oktober 1949 gegründeten<br />

DDR, e<strong>in</strong> ausdrückli<strong>ch</strong>es Verbot für <strong>Esperanto</strong>-Aktivitäten: Gemäss der „Verordnung zur<br />

Überführung von Volkskunstgruppen und volksbildenden Vere<strong>in</strong>en <strong>in</strong> die bestehenden<br />

demokratis<strong>ch</strong>en Massenorganisationen“ (veröffentli<strong>ch</strong>t im Zentralverordnungsblatt vom 12.1.1949,<br />

1 D. Blanke: GDREA en alia lando. In: der esperantist 1/1990, Diese Aussage s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t mir ziemli<strong>ch</strong> unglaubwürdig. Detlev<br />

Blanke konnte als offizieller Vertreter der DDR (d.h. als sog. „Reisekader“) während Jahrzehnten regelmässig au<strong>ch</strong> <strong>in</strong>s<br />

westli<strong>ch</strong>e Ausland gelangen und si<strong>ch</strong> dort mit entspre<strong>ch</strong>enden Informationen (persönli<strong>ch</strong>e Kontakte, Literatur usw.)<br />

versorgen lassen. Freili<strong>ch</strong> wurden viele E<strong>in</strong>zelheiten zur Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und zu den Ma<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aften der DDR erst na<strong>ch</strong> der<br />

Wende aufgedeckt. Die wenigen selbst- und systemkritis<strong>ch</strong>en Bemerkungen, die Blanke <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er im Oktober 1990 hastig zu<br />

Ende redigierten ‚Skizze der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des <strong>Esperanto</strong>-Verbandes <strong>in</strong> der Deuts<strong>ch</strong>en Demokratis<strong>ch</strong>en Republik’, Berl<strong>in</strong> 1991,<br />

punktuell und zaghaft meist nur <strong>in</strong> oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Anspielungen vorgenommen hatte, kamen zu spät und dürften dem Autor<br />

wohl vor allem dazu gedient haben, <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> nur (se<strong>in</strong>e persönli<strong>ch</strong>en) Erfolge herauszustrei<strong>ch</strong>en, sondern si<strong>ch</strong> im neuen Staat<br />

und vor dem deuts<strong>ch</strong>en Publikum zu re<strong>ch</strong>tfertigen. Dort wird auf S. 34 etwa zugegeben, dass die DDR gegenüber<br />

<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>sozialistis<strong>ch</strong>en Ländern „wahrs<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>li<strong>ch</strong> am unduldsamsten und abweisendsten“ gewesen war, „was die Bewegung<br />

dur<strong>ch</strong>aus negativ bee<strong>in</strong>flusste“. Die ideologis<strong>ch</strong>-politis<strong>ch</strong> verharmlosende Darstellung ist aber unübersehbar. E<strong>in</strong>e qualitative<br />

kritis<strong>ch</strong>e Analyse des DDR-Systems und des Kommunismus fehlt komplett, trotz e<strong>in</strong>iger Anspielungen, die unzurei<strong>ch</strong>end<br />

s<strong>in</strong>d. Das Hauptproblem sol<strong>ch</strong>er Darstellungen ist, dass sie jeweils auss<strong>ch</strong>liesssli<strong>ch</strong> aus der persönli<strong>ch</strong>en (d.h. subjektiven)<br />

Si<strong>ch</strong>t des Autors (D. Blanke) vorgenommen werden, trotz e<strong>in</strong>er Anreihung von Fakten, die Objektivität vorgaukeln sollen.<br />

Unliebsame und heikle Themen bleiben bei der so praktizierten Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>reibung meist ausgeklammert. Die Bemerkung<br />

auf S. 50, die als letzter Mangel genannt wird, dass man „gewisse ideologis<strong>ch</strong>e Komponenten <strong>in</strong> vers<strong>ch</strong>iedenen GDREA-<br />

Veröffentli<strong>ch</strong>ungen heute natürli<strong>ch</strong> distanziert e<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>ätzen und beurteilen“ müsse, rei<strong>ch</strong>t als kritis<strong>ch</strong>e Analyse <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> aus, da <strong>in</strong><br />

diesen ‚Studien’ und „Skizzen“ e<strong>in</strong> Verständnis für den Kollaps der DDR und des Ostblocks völlig fehlt. Au<strong>ch</strong> <strong>in</strong> späteren<br />

Beiträgen folgten ledigli<strong>ch</strong> Lippenbekenntnisse. So beklagte si<strong>ch</strong> Blanke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er 2010 veröffentli<strong>ch</strong>ten Würdigung des DDR-<br />

L<strong>in</strong>guisten Georg Friedri<strong>ch</strong> Meier über den „enormen S<strong>ch</strong>aden“, die ideologis<strong>ch</strong> verbrämte Unfähigkeit anri<strong>ch</strong>ten kann“ – die<br />

Aussage bezog si<strong>ch</strong> auf e<strong>in</strong> vom ZK der SED und vom Akademie-Verlag se<strong>in</strong>erzeit verh<strong>in</strong>derten Drucklegung e<strong>in</strong>es<br />

l<strong>in</strong>guistis<strong>ch</strong>en Werks. Zumal die genannten Instanzen zu DDR-Zeiten von Blanke no<strong>ch</strong> völlig unkritis<strong>ch</strong> vergöttert worden<br />

waren, kl<strong>in</strong>gen sol<strong>ch</strong>e und ähnli<strong>ch</strong>e Äusserungen komplett unglaubwürdig.<br />

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