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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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Anhang 2<br />

Anhang 2 weist auf e<strong>in</strong>en bemerkenswerten und im Allgeme<strong>in</strong>en eher unbekannten Beitrag von D.<br />

Blanke h<strong>in</strong>, der kurz vor der Wende entstand und als Na<strong>ch</strong>wort zur sowjetis<strong>ch</strong>en Ausgabe des Bu<strong>ch</strong>es<br />

‚Die gefährli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e’ (1990), das die Verfolgungen der Esperantisten unter Hitler und Stal<strong>in</strong><br />

behandelte, veröffentli<strong>ch</strong>t wurde. In diesem Kommentar stilisierte Blanke, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en eigenen<br />

Publikationen und denjenigen se<strong>in</strong>es Verbands während Jahrzehnten selbst die Verfolgungen der<br />

Esperantisten aus ideologis<strong>ch</strong>-politis<strong>ch</strong>en Gründen zu vers<strong>ch</strong>weigen (od. bes<strong>ch</strong>weigen) hatte, si<strong>ch</strong> nun<br />

plötzli<strong>ch</strong> zum feurigen Verfe<strong>ch</strong>ter der Notwendigkeit ho<strong>ch</strong>, dieses dunkle Kapitel endli<strong>ch</strong> zu<br />

enttabuisieren und begrüsste das Ers<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>en des Bu<strong>ch</strong>s von dem Westdeuts<strong>ch</strong>en U. L<strong>in</strong>s euphoris<strong>ch</strong>.<br />

Man sollte aus der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te lernen, lautete das Motto se<strong>in</strong>es Na<strong>ch</strong>worts. Er, Blanke selbst, s<strong>ch</strong>ien<br />

aus der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te gelernt zu haben, dass es „absurd“ sei, „e<strong>in</strong>e Spra<strong>ch</strong>e mit e<strong>in</strong>er bestimmten<br />

Ideologie zu identifizieren“. In se<strong>in</strong>er kolossalen Übers<strong>ch</strong>ätzung der Rolle des <strong>Esperanto</strong> als<br />

„demokratis<strong>ch</strong>e transnationale Weltspra<strong>ch</strong>e“ s<strong>ch</strong>reckte Blanke, wohl no<strong>ch</strong> immer im stal<strong>in</strong>istis<strong>ch</strong>en<br />

Korsett des reaktionären DDR-Jargons gefangen, <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> davor zurück, die Gegner des <strong>Esperanto</strong> als<br />

„mit Vorurteilen behaftete Ignoranten und Kurzsi<strong>ch</strong>tige“ zu bezei<strong>ch</strong>nen, analog wie die Esperantisten<br />

e<strong>in</strong>st von den Stal<strong>in</strong>isten als „Konterrevolutionäre“ und „bourgeoise Elemente“ bes<strong>ch</strong>impft wurden.<br />

Den Teil über die sowjetis<strong>ch</strong>e <strong>Esperanto</strong>-Bewegung betreffend beurteilte Blanke h<strong>in</strong>gegen als <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong><br />

ausrei<strong>ch</strong>end für e<strong>in</strong>e „wahre objektive Präsentation“ verfasst, weil „viele sowjetis<strong>ch</strong>e Quellen“ fehlten,<br />

die L<strong>in</strong>s <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> zugängli<strong>ch</strong> gewesen seien. So sei der E<strong>in</strong>druck entstanden, das die sowjetis<strong>ch</strong>e<br />

„Bewegung ständig nur manövriert habe, dass ihre Führer pseudowissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> theoretisiert und<br />

darum gerungen hätten, irgendwie zu überleben“. Dieser E<strong>in</strong>druck sei zu „e<strong>in</strong>seitig“. E<strong>in</strong> grosses<br />

Manko sei das Fehlen e<strong>in</strong>es Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tswerks über die sowjetis<strong>ch</strong>e <strong>Esperanto</strong>-Bewegung. Da L<strong>in</strong>s si<strong>ch</strong><br />

zu fest an die Unterlagen der SAT geklammert habe, sei e<strong>in</strong> allzu negatives Bild von E.K. Drezen<br />

entstanden, das „wir <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> akzeptieren können“. Marxistis<strong>ch</strong>-len<strong>in</strong>istis<strong>ch</strong> orientierte Esperantisten<br />

hätten das Re<strong>ch</strong>t gehabt, eigene Gesi<strong>ch</strong>tspunkte zu vertreten, was halt zwangsweise zu Konflikten mit<br />

den Theoretikern der SAT geführt habe. Au<strong>ch</strong> das Kapitel über die Beziehungen des Sozialismus zur<br />

<strong>in</strong>ternationalen Spra<strong>ch</strong>e gefiel Blanke <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>. Bei der Behandlung dieser Thematik müsse man die<br />

Methoden des Marxismus, d.h. des dialektis<strong>ch</strong>en und historis<strong>ch</strong>en Materialismus, anwenden. Die Art<br />

und Weise der Behandlung des Themas ‚Len<strong>in</strong> und <strong>Esperanto</strong>’ fand Blanke ungere<strong>ch</strong>t, weil L<strong>in</strong>s mit<br />

e<strong>in</strong>em S<strong>ch</strong>lag die diesbezügli<strong>ch</strong>e Studie S.N. Podkam<strong>in</strong>ers 178 verwis<strong>ch</strong>t habe. Bei dieser Gelegenheit<br />

beeilte si<strong>ch</strong> Blanke, das „len<strong>in</strong>istis<strong>ch</strong>e Konzept von der Glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigung der Nationen und<br />

Spra<strong>ch</strong>en“ zu verteidigen. Au<strong>ch</strong> <strong>in</strong> Bezug auf viele weitere Berei<strong>ch</strong>e wie die <strong>Esperanto</strong>-<br />

Arbeiterbewegung, die <strong>Esperanto</strong>-Friedensbewegung, die <strong>Esperanto</strong>-Bewegung <strong>in</strong> den sozialistis<strong>ch</strong>en<br />

Ländern und <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der DDR zeigte si<strong>ch</strong> Blanke unbefriedigt von L<strong>in</strong>s’ Arbeit; e<strong>in</strong>en Grund<br />

<strong>in</strong> der „Fals<strong>ch</strong>präsentation“ (Esp. misprezento) e<strong>in</strong>iger Themen sah er dar<strong>in</strong>, dass L<strong>in</strong>s selbst <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> <strong>in</strong><br />

den sozialistis<strong>ch</strong>en Ländern gelebt habe. 179 Zu e<strong>in</strong>igen wi<strong>ch</strong>tigen Aussagen, die L<strong>in</strong>s gema<strong>ch</strong>t habe,<br />

würden zusätzli<strong>ch</strong>e Ausführungen fehlen. Ausserdem stellte Blanke bei L<strong>in</strong>s „zu krasse<br />

Verallgeme<strong>in</strong>erungen und oft unbeweisbare Behauptungen“, ja sogar e<strong>in</strong>e „sarkastis<strong>ch</strong>e Komponente<br />

bei der Interpretation des Autors“ fest, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Werk <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> vorkommen“<br />

sollten. E<strong>in</strong>e eigene selbstkritis<strong>ch</strong>e Reflexion über die Verhältnisse <strong>in</strong> der DDR und im Ostblock<br />

178 Bei Semjon Naumovič Podkam<strong>in</strong>er handelt es si<strong>ch</strong> um e<strong>in</strong>e s<strong>ch</strong>illernde Gestalt, deren politis<strong>ch</strong>e Vergangenheit no<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong><br />

<strong>ganz</strong> geklärt zu se<strong>in</strong> s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t. Se<strong>in</strong>e Biographie wurde <strong>in</strong> diversen Ostblock-Organen verherrli<strong>ch</strong>t und <strong>in</strong>s ri<strong>ch</strong>tige ideologis<strong>ch</strong>e<br />

Li<strong>ch</strong>t gerückt, während e<strong>in</strong>e kritis<strong>ch</strong>e Diskussion nie stattfand. Im Internet f<strong>in</strong>det man e<strong>in</strong>en Semjon Podkam<strong>in</strong>er, der<br />

während des Kriegs Oberst des NKVD der Len<strong>in</strong>grader Front gewesen se<strong>in</strong> soll. Au<strong>ch</strong> A. Char’kovskij erwähnte dies <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Aufsatz ‚Gefährli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e’, Teil IV. E<strong>in</strong>e Bestätigung, ob es si<strong>ch</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> um den glei<strong>ch</strong>en Semjon Podkam<strong>in</strong>er<br />

handelt, konnte i<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> f<strong>in</strong>den, au<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> <strong>in</strong> Blankes Bros<strong>ch</strong>üre ‚Movado sur la alia flanko’, wo der Autor, e<strong>in</strong> Verehrer<br />

Podkam<strong>in</strong>ers, auf S. 27 darauf h<strong>in</strong>weist, dass au<strong>ch</strong> Podkam<strong>in</strong>er aus der Partei entfernt wurde und e<strong>in</strong> ähnli<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>icksal wie<br />

se<strong>in</strong>e <strong>Esperanto</strong>-Ges<strong>in</strong>nungsfreunde, die der Repression zum Opfer fielen, zu befür<strong>ch</strong>ten hatte. Details zu dieser Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

fehlen.<br />

179 Dieses Argument setzte Blanke au<strong>ch</strong> anderen westli<strong>ch</strong>en Kritikern immer wieder entgegen.<br />

79

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