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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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Die DDR-Presse beri<strong>ch</strong>tete re<strong>ch</strong>t häufig über die Tätigkeit der Esperantisten und<br />

Interl<strong>in</strong>guisten <strong>in</strong> der DDR, e<strong>in</strong>e Tatsa<strong>ch</strong>e, die von der esperantist <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> ohne Stolz dokumentiert<br />

werden konnte. 71<br />

1974 nahmen an der Republikanis<strong>ch</strong>en Konferenz der Esperantisten im Rahmen des 25.<br />

Geburtstags der DDR <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> 200 Personen teil – 100 e<strong>in</strong>geladene Delegierte, die <strong>in</strong> den Genuss<br />

e<strong>in</strong>er Reiserückvergütung kamen, und 100 „Gäste“, die ihre Teilnahme selbst bezahlen mussten, wie<br />

es hiess. In se<strong>in</strong>em Leitartikel zum DDR-Jubiläum bes<strong>ch</strong>werte si<strong>ch</strong> der esperantist mit überhebli<strong>ch</strong>er<br />

Larmoyanz, dass der bisherige Weg zu diesem Zeitpunkt s<strong>ch</strong>wierig war, weil die „reaktionären Zirkel“<br />

des „anderen deuts<strong>ch</strong>en Staates“ die DDR <strong>in</strong> die „künstli<strong>ch</strong>e diplomatis<strong>ch</strong>e Isolierung“ geführt hätten.<br />

Die DDR sei aber als Sieger vor dem Urteil der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te hervorgegangen. Dies bezeuge die<br />

„blühende sozialistis<strong>ch</strong>e Gesells<strong>ch</strong>aft“ und die <strong>in</strong>ternationale Position, die die DDR errei<strong>ch</strong>t habe.<br />

Diplomatis<strong>ch</strong>e Beziehungen bestanden <strong>in</strong>zwis<strong>ch</strong>en mit 110 Staaten und die DDR war au<strong>ch</strong> Mitglied<br />

der UNO geworden.<br />

In se<strong>in</strong>em Hauptreferat konnte Rudi Graetz vermelden, dass <strong>in</strong> Südostasien si<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>e Lösung<br />

des Konflikts anbahnt und dass der Friedensprozess <strong>in</strong> Europa Forts<strong>ch</strong>ritte ma<strong>ch</strong>t. <strong>Esperanto</strong> werde <strong>in</strong><br />

der DDR als Mittel für die <strong>in</strong>ternationalen Beziehungen seriös behandelt, die Esperantisten im DKB<br />

seien ke<strong>in</strong>e Phantasten, sondern würden ihren Beitrag zur Popularisierung der DDR, zum Kampf für<br />

Frieden, Si<strong>ch</strong>erheit und gegen imperialistis<strong>ch</strong>e Kriege leisten. Falls es no<strong>ch</strong> Vorurteile gegen<br />

<strong>Esperanto</strong> gäbe (offenbar gab es wel<strong>ch</strong>e), sei es „unsere Pfli<strong>ch</strong>t, ihnen dur<strong>ch</strong> unsere politis<strong>ch</strong> bewusste<br />

und wirksame <strong>in</strong>ternationale Arbeit die Grundlage zu entziehen. Zu den wi<strong>ch</strong>tigsten Aufgaben dieser<br />

Arbeit zählte Graetz die Verbesserung des <strong>Esperanto</strong>-Unterri<strong>ch</strong>ts <strong>in</strong> den vers<strong>ch</strong>iedenen Kursen und die<br />

„Erhöhung der Qualität unserer politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>en und Fa<strong>ch</strong>arbeit“ (als „untrennbare E<strong>in</strong>heit“)<br />

sowie die „Vertiefung der Freunds<strong>ch</strong>aft mit den Esperantisten der Sowjetunion, den Na<strong>ch</strong>barländern<br />

und den anderen Ländern der sozialistis<strong>ch</strong>en Geme<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>aft“ 72 .<br />

Au<strong>ch</strong> am 59. <strong>Esperanto</strong>-Weltkongress von 1974 beim westdeuts<strong>ch</strong>en Klassenfe<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

Hamburg ers<strong>ch</strong>ien wieder die übli<strong>ch</strong>e zweiköpfige DDR-Delegation <strong>in</strong> Gestalt von R. Graetz und D.<br />

Blanke, 73 wo sie Zeugen der sensationellen Ablösung des im Ostblock <strong>in</strong> Ungnade gefallenen<br />

Präsidenten Ivo Lapenna dur<strong>ch</strong> den GB/US-Bürger und TEJO-Präsidenten Humphrey Tonk<strong>in</strong> (*1939)<br />

wurden. In e<strong>in</strong>em Satz wurde dies immerh<strong>in</strong> als „Überras<strong>ch</strong>ung“ vermeldet. Die eigentli<strong>ch</strong>en<br />

H<strong>in</strong>tergründe dieses für die Verhältnisse <strong>in</strong> der <strong>Esperanto</strong>-Bewegung do<strong>ch</strong> epo<strong>ch</strong>alen Ereignisses, das<br />

neben der personellen Brisanz dur<strong>ch</strong>aus <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> ohne politis<strong>ch</strong>e Bedeutung war, wurde <strong>in</strong> der esperantist<br />

aber <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> ausgeführt. 74 Anlässli<strong>ch</strong> der „grossen Kongressdebatte“ zum Thema ‚Nationalismus und<br />

71<br />

Um die Haltung der DDR-Presse gegenüber <strong>Esperanto</strong> zu kennen, müssten sämtli<strong>ch</strong>e Artikel, die <strong>in</strong> der DDR-Presse über<br />

<strong>Esperanto</strong> ers<strong>ch</strong>ienen, na<strong>ch</strong>gelesen und kritis<strong>ch</strong> ausgewertet werden. der esperantist hatte diese Artikel regelmässig (oder<br />

sporadis<strong>ch</strong>) bibliographis<strong>ch</strong> erfasst.<br />

72<br />

Diese Nuance und die Reihenfolge s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>en bemerkenswert zu se<strong>in</strong>. Erstmals wurde davon gespro<strong>ch</strong>en, die Beziehungen<br />

zu den Na<strong>ch</strong>barländern – geme<strong>in</strong>t war wohl <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nur die BRD – zu vertiefen. In der Abs<strong>ch</strong>lusserklärung fehlten<br />

dann diese „Na<strong>ch</strong>barländer“ allerd<strong>in</strong>gs wieder.<br />

73<br />

Au<strong>ch</strong> an den weiteren Weltkongressen wurde die DDR offiziell stets dur<strong>ch</strong> Graetz und Blanke, na<strong>ch</strong> Graetz’ Tod von<br />

Blanke und Rudolf Hahlbohm vertreten.<br />

74<br />

Immerh<strong>in</strong> wurden die Stimmenverhältnisse gezeigt: Von 61 stimmbere<strong>ch</strong>tigten UEA-Komiteemitglieder, davon 18 aus<br />

dem Ostblock, stimmten 47 für Tonk<strong>in</strong>. Kommentiert wurde diese Wahl damit, dass man „das sterile Sektierertum“ (unter<br />

Lapenna) „und die Selbstisolation des <strong>in</strong>ternationalen Gesells<strong>ch</strong>aftslebens“ verlassen wollte. Da Lapenna befür<strong>ch</strong>tete, als<br />

Präsident <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> wieder gewählt zu werden, weil er die notwendigen Stimmen im Komitee <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> zusammenkriegte, verkündete<br />

er zu Beg<strong>in</strong>n des Kongresses, dass er von allen Ämtern <strong>in</strong> der UEA zurücktreten werde. <strong>Der</strong> Konflikt zwis<strong>ch</strong>en Lapenna und<br />

e<strong>in</strong>em Teil des UEA-Komitees s<strong>ch</strong>welte s<strong>ch</strong>on e<strong>in</strong>ige Jahre, und es wurde Zeit, e<strong>in</strong>en Generationswe<strong>ch</strong>sel an der Spitze des<br />

Weltbunds herbeizuführen. In der Folge gab es unter Tonk<strong>in</strong>, wohl selbst e<strong>in</strong> L<strong>in</strong>ker der 68er Generation, e<strong>in</strong>e spürbare<br />

Annäherung der UEA an die sozialistis<strong>ch</strong>en Staaten, an den Weltfriedensrat unter Chandra und an die UNESCO unter dem<br />

<strong>in</strong>ternational umstrittenen Generalsekretär M’Bow. In Hamburg wurden ausser Werner Bormann, e<strong>in</strong> westdeuts<strong>ch</strong>er Beamter,<br />

e<strong>in</strong> norwegis<strong>ch</strong>er Wissens<strong>ch</strong>aftler (Zoologe), drei unbedeutende Aktivisten aus den Beneluxstaaten sowie zwei der KP<br />

nahestehende Vertreter aus Ungarn und Polen <strong>in</strong> den UEA-Vorstand gewählt. <strong>Der</strong> Ostblock s<strong>ch</strong>ien mit diesen Veränderungen<br />

e<strong>in</strong>igermassen zufrieden zu se<strong>in</strong>, der unbequeme Lapenna war weg, ausgere<strong>ch</strong>net e<strong>in</strong> US-Bürger an der Spitze der UEA<br />

konnte aber trotz se<strong>in</strong>er Sympathien für die <strong>Esperanto</strong>-Bewegung <strong>in</strong> den sozialistis<strong>ch</strong>en und Drittweltländern no<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> <strong>ganz</strong><br />

die ideale Lösung bedeuten; während e<strong>in</strong> sol<strong>ch</strong>er, und gerade <strong>in</strong> der Gestalt e<strong>in</strong>es H. Tonk<strong>in</strong>, für die osteuropäis<strong>ch</strong>en<br />

Satelliten akzeptabel s<strong>ch</strong>ien, war er vor allem den für die <strong>Esperanto</strong>-Bewegung zuständigen Hardl<strong>in</strong>ern <strong>in</strong> der Sowjetunion<br />

suspekt, wie die <strong>ganz</strong>e UEA überhaupt (au<strong>ch</strong> dieser pe<strong>in</strong>li<strong>ch</strong>e Umstand konnte von der esperantist aus begreifli<strong>ch</strong>en Gründen<br />

nie beleu<strong>ch</strong>tet werden). Tonk<strong>in</strong> entwickelte si<strong>ch</strong> dann aber zu e<strong>in</strong>em der populärsten, vorbildli<strong>ch</strong>sten und unumstrittensten<br />

Präsidenten, den die UEA je hatte. Ausser über ihre Weltkongresse, wurde aber über die Arbeit der UEA selbst, die man im<br />

Ostblock genau beoba<strong>ch</strong>tete und zu bee<strong>in</strong>flussen versu<strong>ch</strong>te, <strong>in</strong> der esperantist im Allgeme<strong>in</strong>en wenig beri<strong>ch</strong>tet. Die<br />

31

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