Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch
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denno<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong> erhalten, wahrs<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>li<strong>ch</strong> konnte der misstrauis<strong>ch</strong>e Staat vom übermässigen<br />
Kadavergehorsam und der übertriebenen Nibelungentreue der offiziellen Eo-Organisation mit der Zeit<br />
<strong>in</strong>zwis<strong>ch</strong>en genügend überzeugt werden. Das „Erlernen, die Anwendung und die Pflege des<br />
<strong>Esperanto</strong>“, „als Bestandteil fremdspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Bildung“ betra<strong>ch</strong>tet, „bietet vielseitige Mögli<strong>ch</strong>keiten<br />
für die Gestaltung e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nerfüllten Freizeit“, hiess es unter anderem, und der Verband gebe se<strong>in</strong>en<br />
„Mitgliedern vielfältige Mögli<strong>ch</strong>keiten, si<strong>ch</strong> entspre<strong>ch</strong>end ihren Interessen und Neigungen mit<br />
<strong>Esperanto</strong> geistig und kulturell zu betätigen“. 124<br />
In e<strong>in</strong>em gesonderten Artikel wurde erklärt, wie es zur Gründung bzw. Umbenennung des<br />
Verbands kam. Dies sei e<strong>in</strong>e Anpassung an die Strukturänderungen <strong>in</strong>nerhalb des Kulturbunds, denn<br />
<strong>in</strong>zwis<strong>ch</strong>en seien au<strong>ch</strong> Verbände der Philatelisten u.a. entstanden. Dies bedeute aber <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> die<br />
Gründung irgende<strong>in</strong>es Verbands, sondern es handle si<strong>ch</strong> um e<strong>in</strong>e „wi<strong>ch</strong>tige qualitative Änderung, die<br />
Erhöhung des Status und die Anerkennung der Arbeit der Esperantisten“.<br />
Im Re<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aftsberi<strong>ch</strong>t des Verbands wurde <strong>Esperanto</strong> als „kultureller Wert“ dargestellt.<br />
Viel bea<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er als die <strong>ganz</strong>en Plattitüden <strong>in</strong> diesem Beri<strong>ch</strong>t war e<strong>in</strong> Passus am Anfang des<br />
zitierten Textes, der wie folgt lautete:<br />
„Trotz der dur<strong>ch</strong> die NATO hervorgerufenen gefährli<strong>ch</strong>en Vers<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terung des<br />
<strong>in</strong>ternationalen Klimas, trotz der erhebli<strong>ch</strong>en Belastungen unserer Volkswirts<strong>ch</strong>aft dur<strong>ch</strong> die äusseren<br />
ökonomis<strong>ch</strong>en Bed<strong>in</strong>gungen, unterstri<strong>ch</strong> der X. Parteitag der SED den festen Willen, die<br />
Herausforderungen der 80er Jahre anzunehmen und weiterh<strong>in</strong> erfolgrei<strong>ch</strong> die entwickelte<br />
sozialistis<strong>ch</strong>e Gesells<strong>ch</strong>aft zu gestalten, die Hauptaufgabe zu verwirkli<strong>ch</strong>en.“ 125<br />
Rudolf Hahlbohm, Vorsitzender des <strong>Esperanto</strong>-Verbands (auf <strong>Esperanto</strong>: GDREA), zeigte<br />
si<strong>ch</strong> an der Konferenz entspre<strong>ch</strong>end dankbar gegenüber Staat und Partei:<br />
„Wir im Kulturbund der DDR organisierten Freunde der <strong>in</strong>ternationalen Spra<strong>ch</strong>e <strong>Esperanto</strong><br />
stehen voll h<strong>in</strong>ter den Bes<strong>ch</strong>lüssen des X. Parteitages und werden unseren bes<strong>ch</strong>eidenen Beitrag zu<br />
ihrer Verwirkli<strong>ch</strong>ung leisten. Wir s<strong>in</strong>d uns dessen bewusst, dass wir unsere Ergebnisse, die wir <strong>in</strong><br />
unserem Re<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aftsberi<strong>ch</strong>t zusammengefasst haben, nur dank der Si<strong>ch</strong>erung e<strong>in</strong>er stabilen und<br />
harmonis<strong>ch</strong>en gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Entwicklung dur<strong>ch</strong> die Partei der Arbeiterklasse errei<strong>ch</strong>en konnten,<br />
dank der daher mögli<strong>ch</strong>en umfangrei<strong>ch</strong>en politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>en und materiellen Unterstützung dur<strong>ch</strong><br />
unseren Kulturbund auf allen Leitungsebenen.“ Aber er sagte au<strong>ch</strong>: „Wir müssen die uns gemässe<br />
Form f<strong>in</strong>den, die Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit Theorien des Antikommunismus <strong>in</strong>tensiver zu führen,<br />
Fragen des Wettrüstens behandeln und der Bedrohungslüge von der angebli<strong>ch</strong>en sowjetis<strong>ch</strong>en Gefahr<br />
entgegentreten.“<br />
Mit dem unendli<strong>ch</strong>en, langweiligen und e<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>läfernden Worts<strong>ch</strong>wall enthielt Hahlbohms<br />
Beri<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> paar kritis<strong>ch</strong>e Anmerkungen, die dur<strong>ch</strong>aus <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> un<strong>in</strong>teressant waren. Es musste dabei<br />
aber wie übli<strong>ch</strong> bei offiziellen Ostblocktexten zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen gelesen werden. Trotz aller<br />
‚Errungens<strong>ch</strong>aften’, fragte si<strong>ch</strong> Hahlbohm, „warum es uns no<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> <strong>in</strong> ausrei<strong>ch</strong>endem Mass<br />
gelungen ist, Na<strong>ch</strong>wu<strong>ch</strong>skader heranzubilden, die <strong>in</strong> der Gruppe wirken. (...) Wir s<strong>in</strong>d uns völlig<br />
darüber im klaren, dass gerade die Lösung dieser Qualitätsfrage relativ hohen organisatoris<strong>ch</strong>en<br />
Aufwand erfordert. (...) Wie s<strong>ch</strong>on angedeutet, hängt sehr viel von der Persönli<strong>ch</strong>keit des<br />
ehrenamtli<strong>ch</strong>en Funktionärs ab. Se<strong>in</strong>e Aktivität, se<strong>in</strong> Optimismus (sic) s<strong>in</strong>d oft ents<strong>ch</strong>eidend für die<br />
Entwicklung der Gruppe. (...) E<strong>in</strong>e Tätigkeit, die ja neben der berufli<strong>ch</strong>en Belastung zu leisten ist, die<br />
mit den Familien abgestimmt se<strong>in</strong> will. (...) No<strong>ch</strong> zu oft ist das S<strong>ch</strong>icksal e<strong>in</strong>er Gruppe und selbst<br />
e<strong>in</strong>es Bezirksarbeitskreises sehr eng an e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Persönli<strong>ch</strong>keit gebunden. Wenn dieser Motor aus<br />
objektiven oder subjektiven Gründen dann viellei<strong>ch</strong>t e<strong>in</strong>mal <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mehr läuft, steht alles still. 126 (...) In<br />
Zukunft müssen wir no<strong>ch</strong> beharrli<strong>ch</strong>er, no<strong>ch</strong> systematis<strong>ch</strong>er dafür wirken, dass die Kont<strong>in</strong>uität im<br />
Leitungsprozess gesi<strong>ch</strong>ert wird. Das ist <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong>. Viellei<strong>ch</strong>t muss man aber öfter deutli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en,<br />
124 S. Fn. 116.<br />
125 Erstmals wurde e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf Probleme <strong>in</strong> der DDR-Volkswirts<strong>ch</strong>aft zugegeben, obwohl aus DDR-Si<strong>ch</strong>t <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> die<br />
Politik Ostberl<strong>in</strong>s selbst für die zunehmende Misere verantwortli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t wurde, sondern die anderen, d.h. die westli<strong>ch</strong>en<br />
‚Imperialisten und Kriegstreiber’ die S<strong>ch</strong>uldigen waren. Wie heute h<strong>in</strong>längli<strong>ch</strong> allgeme<strong>in</strong> bekannt, driftete die marode DDR<br />
<strong>in</strong> den 80er Jahren ökonomis<strong>ch</strong> immer mehr <strong>in</strong>s Verderben, so dass der Kollaps Ende des Jahrzehnts au<strong>ch</strong> mit der<br />
verzweifelten Devisenbes<strong>ch</strong>affung dur<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>en S<strong>ch</strong>alck-Golodkowski <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mehr zu vermeiden war. Au<strong>ch</strong> zeigte das<br />
mä<strong>ch</strong>tige Aufrüstungsprogramm des Westens se<strong>in</strong>e eigene Wirkung, mit dem der abgewirts<strong>ch</strong>aftete Ostblock <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mehr<br />
mithalten konnte.<br />
126 Dieses Problem war <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> nur DDR-typis<strong>ch</strong>, sondern trat im Pr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> allen <strong>Esperanto</strong>-Gruppen der Welt auf.<br />
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