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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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e<strong>in</strong>er der esperantist-Ausgaben der Mangel an guten <strong>Esperanto</strong>-Übersetzern aus der deuts<strong>ch</strong>en<br />

Literatur beklagt. 18<br />

Dem ZAKE gehörte damals au<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> gewisser Detlev Blanke (*30.5.1941 <strong>in</strong> Neumünster,<br />

S<strong>ch</strong>leswig-Holste<strong>in</strong>) an, der im Kreis Wismar (Mecklenburg/DDR) aufwu<strong>ch</strong>s und na<strong>ch</strong> dem Abitur<br />

1959 e<strong>in</strong> Studium an der Universität Rostock aufnahm. Vier Jahre lang war er Lehrer für Deuts<strong>ch</strong> und<br />

Geografie. <strong>Esperanto</strong> begann er 1957 im Selbststudium zu lernen, erteilte <strong>Esperanto</strong>-Kurse und wurde<br />

Vorsitzender e<strong>in</strong>es <strong>Esperanto</strong>-Bezirksarbeitskreises. 19 Mit e<strong>in</strong>er ersten Kostprobe se<strong>in</strong>es Denkens<br />

debütierte er <strong>in</strong> der esperantist 5-6/1966 über die „Bedeutung und Grenzen des <strong>Esperanto</strong>“. Dar<strong>in</strong><br />

spra<strong>ch</strong> er si<strong>ch</strong> vor allem gegen den Zamenhofkult und die sogenannte ‚<strong>in</strong>nere Idee des Esperantismus’<br />

aus. Die Rolle des <strong>Esperanto</strong> dürfe „<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> idealisiert werden, sondern muss vielmehr sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

e<strong>in</strong>ges<strong>ch</strong>ätzt werden. Zamenhofkult und Mystizismus, verbunden mit der sogenannten ‚<strong>in</strong>terna ideo’<br />

(<strong>Esperanto</strong> als Ideologie und Völkerverbrüderung) könne, obwohl oft gut geme<strong>in</strong>t, der Verbreitung des<br />

<strong>Esperanto</strong> als seriöses und hervorragendes Verständigungsmittel nur h<strong>in</strong>derli<strong>ch</strong> se<strong>in</strong>,“ me<strong>in</strong>te er. 20<br />

Dabei galt gerade die ‚<strong>in</strong>terna ideo de <strong>Esperanto</strong>’ als allgeme<strong>in</strong>e Grundlage der <strong>Esperanto</strong>-Bewegung.<br />

Und weiter: Es gehe <strong>in</strong> unserer Zeit „um die Verbesserung der Verständigungsmögli<strong>ch</strong>keiten und die<br />

Unterstützung des Kampfes um die Dur<strong>ch</strong>setzung der friedli<strong>ch</strong>en Koexistenz“, s<strong>ch</strong>rieb der offenbar<br />

sowjetmarxistis<strong>ch</strong> geprägte Intellektuelle, der si<strong>ch</strong> gegen ‚sektiereris<strong>ch</strong>e’ Tendenzen aller Art <strong>in</strong> der<br />

<strong>Esperanto</strong>-Bewegung wehrte und si<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>zeitig beharrli<strong>ch</strong> bemühte, der Weltspra<strong>ch</strong>enfrage e<strong>in</strong>e<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Diskussionsgrundlage zu vers<strong>ch</strong>affen. Von der Spra<strong>ch</strong>wissens<strong>ch</strong>aft forderte Blanke<br />

„mehr Sa<strong>ch</strong>kenntnis“ über <strong>Esperanto</strong>. Bee<strong>in</strong>druckt von e<strong>in</strong>er (im Grunde weitgehend folgenlosen)<br />

UNESCO-Resolution zum <strong>Esperanto</strong> aus dem Jahr 1954 bedauerte er, dass die „praktis<strong>ch</strong>e Bedeutung<br />

des <strong>Esperanto</strong> für die Gegenwart“ no<strong>ch</strong> oft „unters<strong>ch</strong>ätzt“ werde. <strong>Esperanto</strong> könne nur dann<br />

„gebührend wirksam werden, wenn die Mögli<strong>ch</strong>keiten und Grenzen des <strong>Esperanto</strong> bekannt“ seien und<br />

wenn „jeder Esperantist se<strong>in</strong>e Spra<strong>ch</strong>e realistis<strong>ch</strong> würdigt, nämli<strong>ch</strong> als e<strong>in</strong> Mittel zur Veränderung der<br />

Welt“. Aber vor allem müsse das Ziel der Esperantisten se<strong>in</strong>, „gegen Militarismus und Imperialismus<br />

e<strong>in</strong>e Welt ohne Krieg aufbauen zu helfen“. In e<strong>in</strong>em separaten Artikel er<strong>in</strong>nerte Otto Bässler an die<br />

bewegende Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Arbeiter-<strong>Esperanto</strong>-Bewegung und hielt fest, dass die Leipziger<br />

Arbeiteresperantisten im Jahr 1923 do<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>mütig auf der Seite der revolutionären Arbeiter standen<br />

und geholfen hatten, kommunistis<strong>ch</strong>e Zeitungen zu verbreiten. Dies sei damals e<strong>in</strong>e gewagte Aktion<br />

gewesen. 21 Die bes<strong>ch</strong>lagnahmten Zeitungen „bildeten e<strong>in</strong>en Beweis für die Auffassung, dass die KPD<br />

18 Als „hervorragender Di<strong>ch</strong>ter“ wurde neben Johannes R. Be<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> Bert Bre<strong>ch</strong>t genannt. Als e<strong>in</strong>er der wenigen Werke<br />

von Rang wurde der Roman ‚Nackt unter Wölfen’ des bisher unbekannten DDR-Autors Bruno Apitz aus dem Jahr 1961 von<br />

Karl S<strong>ch</strong>ulze <strong>in</strong>s <strong>Esperanto</strong> übersetzt und 1974 <strong>in</strong> Leipzig herausgegeben (e<strong>in</strong>e kritis<strong>ch</strong>e Beurteilung dieses Romans s. etwa<br />

M. Rei<strong>ch</strong>-Ranicki: Ohne Rabatt. Über Literatur aus der DDR. 1993. S. 27-31. I<strong>ch</strong> habe diesen Roman, der damals Furore<br />

ma<strong>ch</strong>te, kürzli<strong>ch</strong> auf Deuts<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>gelesen und fand ihn literaris<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t und dramaturgis<strong>ch</strong> langweilig, trotz der<br />

s<strong>ch</strong>aurigen Rahmenkulisse des KZ Bu<strong>ch</strong>enwald und des Kriegs sowie der etwas ausgefallenen Idee mit dem zu<br />

versteckenden Judenk<strong>in</strong>d. Aber viellei<strong>ch</strong>t entspra<strong>ch</strong> er ja dem damaligen Ges<strong>ch</strong>mack. 1977 folgte ebenfalls <strong>in</strong> Leipzig die<br />

<strong>Esperanto</strong>-Übersetzung von Bre<strong>ch</strong>ts 1928 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> uraufgeführter und 1933 von den Nazis verbotener ‚Dreigros<strong>ch</strong>enoper’,<br />

die <strong>in</strong> der esperantist s<strong>ch</strong>on Anfang 1975 angekündigt und <strong>in</strong> Nr. 89/1978 von L<strong>in</strong>de Knös<strong>ch</strong>ke rezensiert wurde. So hiess es,<br />

dass beim „<strong>in</strong>tensiven marxistis<strong>ch</strong> orientierten Studium“ des Werks „neue Gesi<strong>ch</strong>tspunkte gewonnen“ wurden. Viele<br />

handelnde Personen seien Prototypen der kapitalistis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aftsordnung und Mackie Messer sei von e<strong>in</strong>em<br />

s<strong>ch</strong>limmen Verbre<strong>ch</strong>er bis zu e<strong>in</strong>em ehrli<strong>ch</strong>en Unternehmer und Banker avanciert (mit Zitaten). Bre<strong>ch</strong>t zeige ausführli<strong>ch</strong> die<br />

räuberis<strong>ch</strong>e Praktik und die Psy<strong>ch</strong>ologie der kapitalistis<strong>ch</strong>en ‚grossen Welt’. S<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>bare Moral erweise si<strong>ch</strong> bald ledigli<strong>ch</strong> als<br />

Imitation e<strong>in</strong>er sentimentalen bürgerli<strong>ch</strong>en Ehrli<strong>ch</strong>keit. In der Tat bezweckte Bre<strong>ch</strong>t mit se<strong>in</strong>em Stück – gemäss Hannah<br />

Arendt (1951) – die Entlarvung bürgerli<strong>ch</strong>er Heu<strong>ch</strong>elei. Sonst wurden die Probleme, denen die ‚Dreigros<strong>ch</strong>enoper’ <strong>in</strong> der<br />

DDR begegnete, <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> reflektiert. No<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem 2. WK war das Werk <strong>in</strong> der DDR aber unerwüns<strong>ch</strong>t. Zwis<strong>ch</strong>en Bre<strong>ch</strong>t und<br />

der DDR-Staats- und Parteiführung entwickelte si<strong>ch</strong> ke<strong>in</strong> problemfreies Verhältnis, denno<strong>ch</strong> wurde er mit wi<strong>ch</strong>tigen Preisen,<br />

wie 1951 dem Nationalpreis 1. Klasse der DDR oder 1954 dem Stal<strong>in</strong>-Friedenspreis geehrt. Au<strong>ch</strong> dies alles blieb <strong>in</strong> der<br />

esperantist unerwähnt. E<strong>in</strong>e literaturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Analyse konnte unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen und Umständen gar <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong><br />

zustande kommen, au<strong>ch</strong> weil <strong>in</strong> der esperantist si<strong>ch</strong> weder e<strong>in</strong> e<strong>ch</strong>tes Interesse für Literatur no<strong>ch</strong> für Philosophie (und au<strong>ch</strong><br />

<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> für Kunst-, Natur- und Sozialwissens<strong>ch</strong>aften) manifestierte. Au<strong>ch</strong> blieb <strong>in</strong> der esperantist der Marxismus-Len<strong>in</strong>ismus<br />

bzw. der Historis<strong>ch</strong>e Materialismus, auf den man si<strong>ch</strong> berief, völlig unreflektiert und wurde auf die Trivialfloskeln der DDR-<br />

Propaganda reduziert.<br />

19 E<strong>in</strong> lesenswertes Interview mit Detlev Blanke über dessen Anfangszeit als Esperantist und Rolle <strong>in</strong> der Bewegung hat<br />

Bendias <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bu<strong>ch</strong> über die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Eo-Jugend <strong>in</strong> der DDR veröffentli<strong>ch</strong>t.<br />

20 Offenbar wurde D. Blanke <strong>in</strong> der Zamenhof-Rezeption v.a. vom Denken der Marxisten/Kommunisten/Atheisten um E.K.<br />

Drezen und R. Graetz sowie von den bulgaris<strong>ch</strong>en Antifas<strong>ch</strong>isten (Murg<strong>in</strong>, Aleksiev usw.) na<strong>ch</strong>haltig bee<strong>in</strong>flusst, die den<br />

Homaranismus L.L. Zamenhofs im Pr<strong>in</strong>zip ablehnten.<br />

21 Man er<strong>in</strong>nert si<strong>ch</strong> an die Biographie Ulbri<strong>ch</strong>ts, der <strong>in</strong> Sa<strong>ch</strong>sen zu dieser Zeit kommunistis<strong>ch</strong>es Propagandamaterial vertrieb.<br />

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