Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch
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1987 übers<strong>ch</strong>nitten si<strong>ch</strong> zufällig das 750. Berl<strong>in</strong>-Jubiläum, das 70. Jubiläum seit der<br />
Oktoberrevolution <strong>in</strong> Russland und das 100. Jubiläum der Entstehung der Spra<strong>ch</strong>e <strong>Esperanto</strong>. Berl<strong>in</strong>,<br />
„Hauptstadt der DDR“, wurde als „Hauptstadt des Friedens gefeiert“. Berl<strong>in</strong> geniesse heute weltweit<br />
wieder e<strong>in</strong>en „guten Ruf“ und die Berl<strong>in</strong>er seien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er „Koalition der Vernunft“ gegen die<br />
„aggressiven Kräfte des Imperialismus“ engagiert, hiess es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Leitartikel von der esperantist.<br />
<strong>Der</strong> Beri<strong>ch</strong>t Gorbats<strong>ch</strong>ows zum 27. Parteitag der KPdSU wurde zaghaft als „brillant“ bezei<strong>ch</strong>net, da er<br />
mit e<strong>in</strong>em „neuen Denken“ an die „<strong>in</strong>ternationale Situation“ herangehe. Endli<strong>ch</strong> wurde dieses neue<br />
Denken des reformeris<strong>ch</strong>en Sowjetführers auf der Frontseite von der esperantist 6/1988 auszugsweise<br />
vorgestellt. In der DDR ers<strong>ch</strong>ien e<strong>in</strong>e Briefmarke aus Anlass des <strong>Esperanto</strong>-Jubiläums. E<strong>in</strong>e muntere<br />
S<strong>ch</strong>ar von 130 DDR-Bürgern pilgerte unter der Führung der offiziellen DDR-Delegation, bestehend<br />
aus He<strong>in</strong>el, Blanke und Krause, na<strong>ch</strong> Wars<strong>ch</strong>au, wo mit 6000 Teilnehmern der grösste <strong>Esperanto</strong>-<br />
Weltkongress aller Zeiten stattfand.<br />
Als wi<strong>ch</strong>tigste Ergebnisse des Jubiläumsjahr 1987 wurden von der esperantist genannt:<br />
GDREA erhielt neue Büroräume und e<strong>in</strong>en zweiten Angestellten, Kontakte zur UNESCO-<br />
Kommission der DDR, Bewilligung für die Dur<strong>ch</strong>führung von IFER 87, Presseberi<strong>ch</strong>terstattung, TV-<br />
Beiträge, Radio<strong>in</strong>terviews, Ausstellungen, Vorträge an Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen, Gruppengründungen, die<br />
Enthüllung e<strong>in</strong>er Zamenhof-Gedenktafel <strong>in</strong> Wehlen bei Dresden, die erwähnte Eo-Briefmarke,<br />
Mögli<strong>ch</strong>keit, fakultative Eo-Kurse dur<strong>ch</strong>zuführen. Blanke wurde zum „Honorardozent für<br />
Interl<strong>in</strong>guistik an der Humboldt-Uni <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>“ ernannt. 142 Die GDREA-Mitgliederzahl errei<strong>ch</strong>t fast<br />
2000. Ende 1988 wurde au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Liste mit dem aktuellen Bestand des GDREA-<br />
Vorstands veröffentli<strong>ch</strong>t:<br />
1. Arnold, Manfred<br />
2. Bartos, Hans-Peter, neu (Halle) 143<br />
3. Beau, Rolf<br />
4. Becker, Ulri<strong>ch</strong>, neu<br />
5. Behr, Mi<strong>ch</strong>ael<br />
6. Bendias, Torsten, neu<br />
7. Blanke, Detlev (se<strong>in</strong> offizieller akadem. Titel lautete (auf Eo): Doc. d-ro sc. phil., Abteilungsleiter<br />
im Hauptsekretariat des Kulturbunds der DDR<br />
8. Blanke, Wera, neu<br />
9. Borgwardt, Hans-Joa<strong>ch</strong>im<br />
10. Bros<strong>ch</strong>e, Giso<br />
11. Burmeister, Rudolf<br />
12. Dahlenburg, Till-Dietri<strong>ch</strong> (offiz. Titel: Studienrat Dr. pädagog.)<br />
13. Dungert, Dieter<br />
14. Erfurth, Ingrid<br />
15. Fiedler, Sab<strong>in</strong>e, Dr. phil., neu<br />
16. Grimm, Bernd, neu (z.Zt. <strong>in</strong> Mosambik)<br />
17. Güse, Kurt, neu (S<strong>ch</strong>wer<strong>in</strong>)<br />
142 In se<strong>in</strong>em Bu<strong>ch</strong>, S. 200f., bes<strong>ch</strong>reibt Bendias e<strong>in</strong>en Konflikt zwis<strong>ch</strong>en der Jugendkommission (JK) und GDREA, der dar<strong>in</strong><br />
bestand, dass die GDREA im Zuge ihrer Emanzipation von e<strong>in</strong>er vom Staat gegängelten sozialen Gruppe e<strong>in</strong>e Wahl der<br />
Führungsgremien, die die Jugendli<strong>ch</strong>en selbst vornahmen, per Verfügung am 21.10.1987 untersagte. Die JK verlor den<br />
Ma<strong>ch</strong>tkampf, und der JK-Vorstand zerbra<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> halbes Jahr später. Bendias s<strong>ch</strong>reibt (S., 201): „GDREA verstand es lange<br />
Zeit gut, widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Bestrebungen zu kanalisieren, Freiräume zu gewähren und <strong>in</strong> vielen Fällen au<strong>ch</strong> neue zu eröffnen.<br />
GDREA blieb somit <strong>in</strong> der Lage, Regeln vorzugeben bei glei<strong>ch</strong>zeitiger f<strong>in</strong>anzieller und fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Förderung. Die<br />
Darstellung e<strong>in</strong>er „langen vormaligen Unterdrückung der unabhängigen <strong>Esperanto</strong>-Jugendbewegung der DDR“ (offenbar <strong>in</strong><br />
<strong>Esperanto</strong>/UEA 1991 kolportiert) „entspri<strong>ch</strong>t deshalb <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> den wirkli<strong>ch</strong>en Verhältnissen (...). Die S<strong>ch</strong>ere von Restriktion<br />
und Anreizen gestaltete si<strong>ch</strong> differenzierter.“<br />
143 Bartos war der Redaktor des Hallenser Eo-Bullet<strong>in</strong>s Die rationelle Spra<strong>ch</strong>e, das bis zur Wende als Mitteilungsblatt des<br />
Bezirksvorstandes Halle der GDREA diente. 1991 kritisierte Bartos <strong>in</strong> diesem Blatt den „alten Stil“ der GDREA-Konferenz<br />
und den „Alle<strong>in</strong>vertretungsanspru<strong>ch</strong>“ der GDREA, wobei er mit dieser Position den Bru<strong>ch</strong> mit Blanke riskierte. Ausserdem<br />
ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview mit A. Künzli <strong>in</strong> der Zeits<strong>ch</strong>rift TEJO tutmonde! 2/1990 der Vorwurf von Seiten von Hans-Peter<br />
Bartos an den Kulturbund der DDR belegt, wona<strong>ch</strong> dieser an (der Verbreitung von) <strong>Esperanto</strong> gar <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> <strong>in</strong>teressiert gewesen<br />
sei, sondern versu<strong>ch</strong>t habe, <strong>Esperanto</strong>-Tätigkeiten zu bremsen und zu verh<strong>in</strong>dern. Ganz am Ende der DDR wurde au<strong>ch</strong> das<br />
Bullet<strong>in</strong> TEJO tutmonde!, das offizielle Organ von TEJO, <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mehr ignoriert, das während der 80er Jahre <strong>in</strong> der S<strong>ch</strong>weiz<br />
redigiert, gedruckt und per Post au<strong>ch</strong> <strong>in</strong> die DDR expediert wurde, von wo es regelmässig mit entspre<strong>ch</strong>endem Vermerk<br />
zurückkam, ohne den Empfänger errei<strong>ch</strong>t zu haben.<br />
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