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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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Letzte Bemerkungen zur <strong>Esperanto</strong>-Bewegung<br />

Während ehemalige DDR-Propagandisten und DDR-‚Historiker’ unter den Esperantisten und<br />

Planspra<strong>ch</strong>lern die stal<strong>in</strong>istis<strong>ch</strong>e Vergangenheit zu vers<strong>ch</strong>weigen hatten, ist es <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>, dass<br />

etwa dieselben Leute na<strong>ch</strong> 1990 ‚ihre’ eigene DDR-Vergangenheit erneut vers<strong>ch</strong>wiegen und hö<strong>ch</strong>stens<br />

no<strong>ch</strong> am Rande vermerkten bzw. vermerken liessen. 168 Ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Esperantist spri<strong>ch</strong>t heute no<strong>ch</strong><br />

darüber, weil die <strong>ganz</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> pe<strong>in</strong>li<strong>ch</strong> (oder angebli<strong>ch</strong> verjährt) ist und der<br />

<strong>Esperanto</strong>-Propaganda abträgli<strong>ch</strong> se<strong>in</strong> könnte, so wie zu DDR-Zeiten die Propaganda im umgekehrten<br />

S<strong>in</strong>n der Bewegung hätte s<strong>ch</strong>aden können. Im Fall der GDREA und von der esperantist hat man es<br />

zwar mit E<strong>in</strong>ri<strong>ch</strong>tungen e<strong>in</strong>es totalitären Staates zu tun, <strong>in</strong> dem es kaum Alternativen gab, als die<br />

offizielle politis<strong>ch</strong>e L<strong>in</strong>ie zu befolgen. Jedes Abwei<strong>ch</strong>en davon wäre mit unabsehbaren Konsequenzen<br />

verbunden gewesen, die si<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> e<strong>in</strong>mal exhibitionistis<strong>ch</strong>e Dissidenten wüns<strong>ch</strong>ten. Wie es s<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>t<br />

muss man für die Probleme damaliger Organisationen im Rahmen des diktatoris<strong>ch</strong>-bürokratis<strong>ch</strong>en<br />

Zwangstaats sogar no<strong>ch</strong> e<strong>in</strong> gewisses Verständnis aufbr<strong>in</strong>gen, au<strong>ch</strong> wenn es e<strong>in</strong>em äusserst<br />

s<strong>ch</strong>werfällt. Von ehem. DDR-Seite versu<strong>ch</strong>te man si<strong>ch</strong> immer wieder quasi damit zu ents<strong>ch</strong>uldigen,<br />

die <strong>ganz</strong>e unselige politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>e Propagandaarbeit habe als natürli<strong>ch</strong>es, unvermeidli<strong>ch</strong>es und<br />

notwendige Übel „halt zu den Spielregeln gehört“. Diese Vorgänge als e<strong>in</strong>e Art Betriebsunfall der<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te betra<strong>ch</strong>ten und verharmlosen zu wollen wäre aber zu billig. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> hat man 1990<br />

zugegeben, dass man si<strong>ch</strong> geirrt habe. 169 Gegen aussen g<strong>in</strong>g es um e<strong>in</strong>en bewusst geführten,<br />

knallharten rhetoris<strong>ch</strong>en Krieg gegen das fe<strong>in</strong>dli<strong>ch</strong>e „<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>sozialistis<strong>ch</strong>e Lager“, gegen den imag<strong>in</strong>ären<br />

Klassenfe<strong>in</strong>d, und im Innern des zentralistis<strong>ch</strong>-despotis<strong>ch</strong>en Unterdrückungssystems mit absolutem<br />

<strong>Wahrheit</strong>sanspru<strong>ch</strong> wurde e<strong>in</strong> skrupelloser ideologis<strong>ch</strong>-politis<strong>ch</strong>er Druck gegen das Volk, gegen die<br />

eigenen Verbandsmitglieder ausgeübt. Diese Massnahmen wurden au<strong>ch</strong> von den Verantwortli<strong>ch</strong>en der<br />

GDREA und von der esperantist, wie <strong>in</strong> dieser Darstellung aufgezeigt wurde, im vollen Bewusstse<strong>in</strong>,<br />

freiwillig, vorsätzli<strong>ch</strong> und aus voller Überzeugung und übrigens <strong>in</strong> bester Kenntnis der nationalen und<br />

<strong>in</strong>ternationalen Lage ausgetragen. Ob die <strong>ganz</strong>e Politik e<strong>in</strong> (historis<strong>ch</strong>er) Irrtum war ist nebensä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>.<br />

Die ideologis<strong>ch</strong>-politis<strong>ch</strong>e Vergewaltigung ist aber ges<strong>ch</strong>ehen. Bei der Betra<strong>ch</strong>tung der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der<br />

<strong>Esperanto</strong>-Bewegung der DDR kann und darf das politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>e Verhalten der GDREA und<br />

von der esperantist also <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> übersehen und ausgeblendet werden, wie dies von gewissen<br />

Autoren versu<strong>ch</strong>t wurde, d.h. man kann <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> so tun, als ob dies alles <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> existierte und <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong><br />

stattfand und als ob dies alles heute niemanden mehr <strong>in</strong>teressiert.<br />

Es bleiben die Fragen übrig, ob es mögli<strong>ch</strong> gewesen wäre, <strong>in</strong> der esperantist auf e<strong>in</strong>en sol<strong>ch</strong>en<br />

politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>en Kurs wie den oben dargestellten weitgehend zu verzi<strong>ch</strong>ten (ihn eventuell <strong>in</strong><br />

abges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ter Form zu fahren ähnli<strong>ch</strong> wie <strong>in</strong> den <strong>Esperanto</strong>-Zeits<strong>ch</strong>riften Polens, Ungarns oder wie<br />

im Falle des Saksa Kuriero) und ob es überhaupt Alternativen gegeben hätte, <strong>Esperanto</strong> unpolitis<strong>ch</strong> zu<br />

betreiben (z.B. ohne Staatspropaganda), 170 ohne als Esperantisten glei<strong>ch</strong> <strong>in</strong> die Ecke der<br />

Oppositionellen, Dissidenten, Bürgerre<strong>ch</strong>tler oder Reformer (was es <strong>in</strong> der DDR ja au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> gab)<br />

gestellt zu werden, die <strong>in</strong> der DDR und anderswo im Ostblock bekanntli<strong>ch</strong> unterdrückt und verfolgt<br />

wurden. 171 Denno<strong>ch</strong> sollten sie gestellt und allenfalls beantwortet werden können. 172<br />

Die <strong>Esperanto</strong>-Organisationen der Ostblockstaaten waren mit der Politik glei<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>altet und<br />

<strong>in</strong> das politis<strong>ch</strong>e System ‚organis<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>gebettet’ worden. E<strong>in</strong>e <strong>ganz</strong>e (untere<strong>in</strong>ander gut vernetzte)<br />

Clique von unantastbaren Partei-Apologeten sorgte <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen <strong>Esperanto</strong>-Verbänden zwis<strong>ch</strong>en<br />

Moskau, Ostberl<strong>in</strong> und Sofia dafür, dass das ‚Verhältnis zum Sozialismus’ <strong>in</strong>takt blieb, dass die<br />

168 So wie die ‚gesäuberten’ Biographien von Dr. Detlev Blanke.<br />

169 S. no<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>mal Blanke <strong>in</strong> der esperantist 1/1990. <strong>Der</strong> H<strong>in</strong>weis, beim realen Sozialismus habe es si<strong>ch</strong> weder um den<br />

wahren Sozialismus no<strong>ch</strong> um e<strong>in</strong>e Form des Kommunismus no<strong>ch</strong> um die ri<strong>ch</strong>tige Realisierung marxistis<strong>ch</strong>-len<strong>in</strong>istis<strong>ch</strong>en<br />

Gedankenguts gehandelt, s<strong>in</strong>d fadens<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>ige Ausflü<strong>ch</strong>te und lenken vom eigentli<strong>ch</strong>en Problem ab.<br />

170 Um entspre<strong>ch</strong>ende Erkenntnisse zu erzielen, wäre es notwendig, analoge Medienorgane des Kulturbunds der DDR zu<br />

verglei<strong>ch</strong>en, wenn man s<strong>ch</strong>on von e<strong>in</strong>er liberaleren Organisation spri<strong>ch</strong>t.<br />

171 D. Blanke bestätigte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview mit dem KEK-Bullet<strong>in</strong> Internaciisto, 1/1994, S. 5, dass es <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mögli<strong>ch</strong> gewesen<br />

sei, e<strong>in</strong>e gegen das Regime geri<strong>ch</strong>tete Tätigkeit zu führen und dass die Leiter dieser Bewegung <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> „antisozialistis<strong>ch</strong>“ se<strong>in</strong><br />

konnten, sondern si<strong>ch</strong> gegenüber dem Staat loyal verhalten mussten.<br />

172 T. Bendias versu<strong>ch</strong>t <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bu<strong>ch</strong> über die Eo-Jugend <strong>in</strong> der DDR, das <strong>in</strong> man<strong>ch</strong>er H<strong>in</strong>si<strong>ch</strong>t das Eis der düsteren DDR-<br />

Vergangenheit bra<strong>ch</strong>, auf sol<strong>ch</strong>e und ähnli<strong>ch</strong>e Fragen mit Beispielen Antworten zu geben. Das Thema der Staatssi<strong>ch</strong>erheit<br />

behandelte Bendias auf S. 262-73 jedo<strong>ch</strong> stiefmütterli<strong>ch</strong>. redete weit um den Brei herum und liess das brisante Thema bei<br />

e<strong>in</strong>igen Anspielungen bewenden.<br />

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