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Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch

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es <strong>in</strong> der DDR ke<strong>in</strong>e Arbeitslose gebe, sondern dass im Gegensatz viele Arbeitskräfte fehlten. 145<br />

Ferner stand dort, dass es <strong>in</strong> der DDR ke<strong>in</strong>e „räuberis<strong>ch</strong>en Mietpreise“ gäbe wie „anderswo“, dass die<br />

ärztli<strong>ch</strong>e Versorgung „selbstverständli<strong>ch</strong> kostenlos“ sei, dass die Preise für Lebensmittel,<br />

Dienstleistungen, Verkehrsmittel „stabil“ geblieben seien. Das Wohnungsproblem sei „im Pr<strong>in</strong>zip<br />

gelöst“, es gäbe „e<strong>in</strong> <strong>ganz</strong>es System für besondere Unterstützung junger Ehepaare“. Die Krim<strong>in</strong>alität<br />

sei sehr niedrig. Ob dies die perfekte Gesells<strong>ch</strong>aft bedeute? „Ne<strong>in</strong>, und no<strong>ch</strong>mals ne<strong>in</strong>“. Aber weil es<br />

Mode geworden sei zu behaupten, dass der Sozialismus <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>s errei<strong>ch</strong>t habe, ges<strong>ch</strong>eitert sei, usw.<br />

„spüren wir das Bedürfnis auf e<strong>in</strong>ige fundamentale Errungens<strong>ch</strong>aften h<strong>in</strong>zuweisen. Gut, und nun<br />

gehen wir zur Lösung unserer Probleme über.“ Es war klar, man mo<strong>ch</strong>te e<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong> immer no<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong><br />

über die Probleme der DDR reden. Mögli<strong>ch</strong>erweise hielt man den Sozialismus für gelaufen, aber dass<br />

es mit der DDR bald zu Ende se<strong>in</strong> könnte, konnte damals no<strong>ch</strong> niemand für wirkli<strong>ch</strong> halten. Als<br />

Hauptartikel folgte e<strong>in</strong> Beitrag von D. Blanke zum Thema wie man die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ung<br />

über <strong>Esperanto</strong> organisieren sollte. Ironie des S<strong>ch</strong>icksals: <strong>in</strong> der esperantist 156/1989, wärmte Blanke<br />

no<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er Liebl<strong>in</strong>gsthemen auf - die <strong>Esperanto</strong>-Ausgabe des Kommunistis<strong>ch</strong>en<br />

Manifests, das er <strong>in</strong>s <strong>Esperanto</strong> übersetzt hatte. Die „politis<strong>ch</strong>e und ökonomis<strong>ch</strong>e Entwicklung der<br />

DDR“ s<strong>ch</strong>ien e<strong>in</strong> Thema an der 4. Vollsitzung des Zentralvorstands der GDREA gewesen zu se<strong>in</strong>,<br />

Details wurden ke<strong>in</strong>e genannt. Blanke zog es vor, über die „Errungens<strong>ch</strong>aften der GDREA während<br />

des Jahres 1988“ zu referieren. Wie si<strong>ch</strong> die sowjetis<strong>ch</strong>e <strong>Esperanto</strong>-Bewegung dramatis<strong>ch</strong> veränderte,<br />

zeigte Ulri<strong>ch</strong> Becker <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beitrag auf. In Moskau wurde die ASE aufgelost und die SEU<br />

wiederhergestellt, die vorsowjetis<strong>ch</strong>en Eo-Organisationen <strong>in</strong> den Baltis<strong>ch</strong>en Staaten wurden<br />

wiedererri<strong>ch</strong>tet, <strong>in</strong> der Ukra<strong>in</strong>e wurde e<strong>in</strong>e eigene Vere<strong>in</strong>igung gegründet. <strong>Der</strong> <strong>in</strong> der esperantist<br />

bisher eher verna<strong>ch</strong>lässigte sowjetis<strong>ch</strong>e Interl<strong>in</strong>guist Sergej Kuznecov 146 beantwortete Fragen von<br />

Ulri<strong>ch</strong> Becker.<br />

Zur Perestrojka-Zeit s<strong>ch</strong>rieb Bendias <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bu<strong>ch</strong> über die <strong>Esperanto</strong>-Jugend (S. 167f.) das<br />

Folgende: „Die Aktionen der Eo-Jugend waren von weniger Vorsi<strong>ch</strong>t und neuem Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

geprägt. Sie ges<strong>ch</strong>ahen vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>er langsam stärker werdenden demokratis<strong>ch</strong>en und<br />

toleranten Stimmung, die die Jahre 1985 bis 1989 geprägt hat. Die Mens<strong>ch</strong>en öffnet si<strong>ch</strong>. Es wurden<br />

bislang tabuisierte Tatsa<strong>ch</strong>en ans Tagesli<strong>ch</strong>t gefördert. Drei Tendenzen waren neu: 2. Viele Mens<strong>ch</strong>en,<br />

au<strong>ch</strong> Kommunisten und Apparats<strong>ch</strong>iks, bra<strong>ch</strong>ten Na<strong>ch</strong>denkli<strong>ch</strong>keit zum Ausdruck, den Wuns<strong>ch</strong>,<br />

Fehler zu korrigieren. (...). 2. Viele Mens<strong>ch</strong>en nutzten die Chance und begannen mit E<strong>in</strong>geständnissen.<br />

Persönli<strong>ch</strong>er Standpunkt wurde wi<strong>ch</strong>tig. (...) 3. Die Politik und Persönli<strong>ch</strong>keit Gorbats<strong>ch</strong>ows weckte<br />

e<strong>in</strong>e Welle der Sympathie. (...).“ Bekanntli<strong>ch</strong> wurde die Perestrojka von der DDR-Führung abgelehnt.<br />

„Das Beharren hatte e<strong>in</strong>e Konsequenz: Viele Jugendli<strong>ch</strong>e verabs<strong>ch</strong>iedeten si<strong>ch</strong> <strong>in</strong> jenen Jahren mental<br />

von der DDR.“ Viele Jugendli<strong>ch</strong>e verliessen damals die DDR, und <strong>in</strong> den Eo-Organisationen anderer<br />

sozialistsi<strong>ch</strong>er Länder war e<strong>in</strong>e Demokratisierung im Gang. 147<br />

Wenig von all diesen Veränderungen war <strong>in</strong> der esperantist zu spüren. Die Redaktion<br />

verharrte auf offiziellem DDR-Kurs und dürfte dem <strong>ganz</strong>en unheimli<strong>ch</strong>en Treiben wohl <strong>in</strong>teressiert<br />

zuges<strong>ch</strong>aut haben.<br />

Mit Nr. 6 bzw. 158 148 g<strong>in</strong>g 1989 die eigentli<strong>ch</strong>e DDR-Serie von der esperantist zu Ende. 149 In<br />

den letzten Ausgaben wurde der ideologis<strong>ch</strong>e Ballast das GDREA-Organs unter dem Druck der<br />

145 Was <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> erwähnt wurde, war, dass <strong>in</strong>zwis<strong>ch</strong>en Tausende von DDR-Bürgern aus ihrem Land geflü<strong>ch</strong>tet waren und e<strong>in</strong>e<br />

enorme Lücke im Arbeitsmarkt der DDR h<strong>in</strong>terlassen hatten. Alle<strong>in</strong> 1989 verliessen die DDR 348’000 Personen, e<strong>in</strong><br />

Grossteil davon, na<strong>ch</strong>dem Ungarn am 10.9. se<strong>in</strong>e Grenzen geöffnet hatte, um die Flu<strong>ch</strong>twilligen ausreisen zu lassen.<br />

146 N.S. Kuznecov, neben A.D. Duličenko der wohl profilierteste sowjetis<strong>ch</strong>e (und heute aber methodologis<strong>ch</strong> veraltete)<br />

Interl<strong>in</strong>guist, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Bü<strong>ch</strong>ern im Wesentli<strong>ch</strong>en ohne Ideologie auskam, wurde <strong>in</strong> D. Blankes Bu<strong>ch</strong> ‚Internationale<br />

<strong>Planspra<strong>ch</strong>en</strong>’ (1985) dem Strukturalismus zugeordnet, der ideologis<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> lupenre<strong>in</strong> war und mit dem der Autor folgli<strong>ch</strong><br />

wohl selbst <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>s anzufangen wusste.<br />

147 1989 gab es no<strong>ch</strong> die Idee e<strong>in</strong>es TEJO-Kongresses <strong>in</strong> der DDR für 1995.<br />

148 Das erste Mal wurde <strong>in</strong> dieser Ausgabe von der esperantist, die also na<strong>ch</strong> dem Mauerfall ers<strong>ch</strong>ien, das Bullet<strong>in</strong> Tejotutmonde!<br />

erwähnt. Das als offizielles Organ von TEJO herausgegebene Blätt<strong>ch</strong>en, das immer wieder au<strong>ch</strong> über <strong>Esperanto</strong>-<br />

Aktivitäten <strong>in</strong> der DDR beri<strong>ch</strong>tete, wurde <strong>in</strong> den 80ern vom Verfasser der vorliegenden Darstellung redigiert. Tejo-tutmonde!<br />

wurde regelmässig au<strong>ch</strong> <strong>in</strong> die DDR ges<strong>ch</strong>ickt, au<strong>ch</strong> an private Adressen; ab und zu kam der Ums<strong>ch</strong>lag samt Inhalt mit<br />

entspre<strong>ch</strong>endem Post- oder Zollstempel der DDR an den (S<strong>ch</strong>weizer) Absender zurück.<br />

149 Dana<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>ienen bis 1991 no<strong>ch</strong> 6 Ausgaben, die vor allem der – politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong> gesäuberten –<br />

Vergangenheitsbewältigung meist im S<strong>in</strong>ne der Bes<strong>ch</strong>önigung der GDREA-Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te dienten (s. Annex). I<strong>ch</strong> gehe an dieser<br />

Stelle darauf <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mehr e<strong>in</strong>. Bezei<strong>ch</strong>nenderweise s<strong>in</strong>d diese Ausgaben <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mehr auf der CD enthalten, die die Nummern 1-<br />

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