Der Wahrheit nicht ganz verpflichtet Esperanto in ... - Plansprachen.ch
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vor se<strong>in</strong>em Staat, der DDR, wahrnimmt“. Diese Haltung wurde vor allem von Graetz und Blanke<br />
e<strong>in</strong>genommen. Wer konkret <strong>in</strong> die Kategorie von Phantasten und komis<strong>ch</strong>en Käuzen fiel ist<br />
unbekannt, und es dürfte wohl alle<strong>in</strong> den Funktionären des ZAKE vorenthalten geblieben se<strong>in</strong>, die<br />
Zugehörigkeit von Mens<strong>ch</strong>en zu dieser Kategorie zu def<strong>in</strong>ieren, sie <strong>in</strong>s Visier zu nehmen und gegen<br />
sie Druck auszuüben.<br />
<strong>Der</strong> Redaktionsstil des Jahres 1971 verhiess zwar e<strong>in</strong>e lei<strong>ch</strong>te Ents<strong>ch</strong>ärfung des offenen<br />
politis<strong>ch</strong>en Tons etwa der Bundesrepublik gegenüber, glei<strong>ch</strong>zeitig bedeutete er e<strong>in</strong>en herben Rückfall<br />
<strong>in</strong> die absolute Banalität. Die traditionelle Term<strong>in</strong>ologie des „westdeuts<strong>ch</strong>en Imperialismus“ bei<br />
glei<strong>ch</strong>zeitiger „Vertiefung der Freunds<strong>ch</strong>aft mit der SU“ blieb dem Blatt jedo<strong>ch</strong> weiterh<strong>in</strong> erhalten.<br />
<strong>Der</strong> Protest gegen den Vietnamkrieg war <strong>in</strong>zwis<strong>ch</strong>en etwas verblasst – es war jetzt von den „Völkern<br />
Indo<strong>ch</strong><strong>in</strong>as“ und verstärkt von der „deuts<strong>ch</strong>-vietnamesis<strong>ch</strong>en Freunds<strong>ch</strong>aft“ die Rede.<br />
Als Hauptziel des Informationsblattes wurde na<strong>ch</strong> wie vor die „Führung und Reifung der<br />
politis<strong>ch</strong>-ideologis<strong>ch</strong>en und fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Tätigkeit der DDR-Esperantisten“ auf „marxistis<strong>ch</strong>len<strong>in</strong>istis<strong>ch</strong>er<br />
Grundlage“ genannt. der esperantist sei ke<strong>in</strong> „Kursmaterial“ und man widme si<strong>ch</strong><br />
ke<strong>in</strong>en „utopis<strong>ch</strong>en Ideen“, sondern den „Hauptaufgaben, die die sozialistis<strong>ch</strong>e Gesells<strong>ch</strong>aft mit si<strong>ch</strong><br />
br<strong>in</strong>ge“ (Esp. frontas). Die (Selbst-)„Isolierung“ im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „grünen Familie“ sei „<strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mögli<strong>ch</strong>“.<br />
Zweierlei Politik, e<strong>in</strong>e staatli<strong>ch</strong>e und e<strong>in</strong>e das <strong>Esperanto</strong> betreffend, gäbe es <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>. <strong>Der</strong> das <strong>Esperanto</strong><br />
selbst betreffende Inhalt des Jahres 1971 bes<strong>ch</strong>ränkte si<strong>ch</strong> neben Meldungen über wi<strong>ch</strong>tigere<br />
<strong>Esperanto</strong>-Ereignisse (Treffen, Neuers<strong>ch</strong>e<strong>in</strong>ungen) auf Auszüge aus Wörterbü<strong>ch</strong>ern, auf monotone<br />
und <strong>in</strong>haltslose ZAKE-Beri<strong>ch</strong>te, den Abdruck der DDR-Nationalhymne auf <strong>Esperanto</strong> und auf e<strong>in</strong>ige<br />
Todesmeldungen (es starben Eugen Menger und Evgenij Bokarjov). Au<strong>ch</strong> auf den E<strong>in</strong>bezug der<br />
Philatelie wurde Wert gelegt. Man musste zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen lesen, um etwas von Interesse und<br />
Belang herauszubekommen. Am lesenswertesten waren viellei<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong> die Reiseberi<strong>ch</strong>te. Kritisiert<br />
wurden neben den E<strong>in</strong>zelgängern au<strong>ch</strong> diejenigen Esperantisten, die den „Wert der wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />
Arbeit <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>“ zu s<strong>ch</strong>ätzen verstünden. <strong>Der</strong> Tonfall wurde bewusst ziemli<strong>ch</strong> autoritär gehalten,<br />
Aufheiterung gab es kaum, der gesamte Inhalt war streng offiziell und fur<strong>ch</strong>tbar öde und trocken<br />
verfasst, Kritik, oder e<strong>in</strong>e Diskussion fand <strong>in</strong> dem hauseigenen Blatt <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> statt, ‚oppositionelle’<br />
Me<strong>in</strong>ungen kamen <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> zu Wort. 46 Dies musste auf viele <strong>Esperanto</strong>freunde abs<strong>ch</strong>reckend wirken.<br />
In ideologis<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>seitigen Tönen wurde des 100. Geburtstags von He<strong>in</strong>ri<strong>ch</strong> Mann (+1950)<br />
geda<strong>ch</strong>t. Er sei der „s<strong>ch</strong>ärfste Kritiker des militaristis<strong>ch</strong>en Deuts<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong>s“ gewesen. „Ke<strong>in</strong> anderer<br />
deuts<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>riftsteller“ habe „die Entwicklung des deuts<strong>ch</strong>en Untertanen, der vom preussis<strong>ch</strong>en<br />
Militarismus zum fas<strong>ch</strong>istis<strong>ch</strong>en Unterworfenen dressiert wurde, so beoba<strong>ch</strong>tet und vorausgespürt.“ In<br />
se<strong>in</strong>en Romanen habe er „die Defekte der bürgerli<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aftsordnung gnadenlos aufgezeigt<br />
und das reaktionäre Bürgertum demaskiert und se<strong>in</strong>e heu<strong>ch</strong>leris<strong>ch</strong>e Maske se<strong>in</strong>en Gesi<strong>ch</strong>tern<br />
46 Sogar e<strong>in</strong>e Gruppe kommunistis<strong>ch</strong>er Esperantisten (IKEK), Mitte der 1970er Jahre von älteren, wohl Kom<strong>in</strong>tern-nahen<br />
österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Arbeiter-Esperantisten gegründet, die von ihrer KP unterstützt wurden, wurde <strong>in</strong> der DDR und im Ostblock<br />
unterdrückt. In e<strong>in</strong>em Interview für die KEK-Zeits<strong>ch</strong>rift Internaciisto, <strong>in</strong> dem Redaktor Luis Serano si<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>werte, dass<br />
Blanke das Komunista Esperantista Kolektivo (KEK) <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> unterstützt habe, lieferte Blanke e<strong>in</strong>e bea<strong>ch</strong>tenswerte<br />
Re<strong>ch</strong>tfertigung na<strong>ch</strong>, die glei<strong>ch</strong>zeitig den Konflikt mit dem KEK aufdeckte: Die <strong>Esperanto</strong>-Landessektionen, so au<strong>ch</strong> die<br />
GDREA, seien ke<strong>in</strong>e kommunistis<strong>ch</strong>en Organisationen, sondern seien „offen für alle Tendenzen, die es unter den<br />
Esperantisten“ gab, gewesen. Die „allgeme<strong>in</strong>e politis<strong>ch</strong>e L<strong>in</strong>ie“ der sozialistis<strong>ch</strong>en Länder sei es <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> gewesen, neue<br />
<strong>in</strong>ternationale kommunistis<strong>ch</strong>e Organisationen, also quasi e<strong>in</strong>e neue Kom<strong>in</strong>tern zu unterstützen. Ausserdem seien die<br />
hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Partner die UEA, TEJO und die MEM gewesen. „Wir hatten den starken E<strong>in</strong>druck gehabt, dass das KEK<br />
sehr <strong>in</strong> vergangenen Jahrhunderten lebte, si<strong>ch</strong> leider von der allgeme<strong>in</strong>en <strong>Esperanto</strong>-Bewegung isolierte und sehr<br />
vere<strong>in</strong>fa<strong>ch</strong>te ‚kommunistis<strong>ch</strong>e’ Standpunkte vertrat. <strong>Der</strong> Inhalt und das äussere Niveau des Internaciisto hatte me<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>druck bestätigt. Wenn wir KEK-Sektionen gegründet hätten, hätten wir au<strong>ch</strong> andere politis<strong>ch</strong>e Sektionen gründen müssen.<br />
Und dies wollten wir <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>. Dies s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Gründe.“ Die „e<strong>in</strong>s<strong>ch</strong>neidenden politis<strong>ch</strong>en Ereignisse <strong>in</strong> den ehemaligen<br />
sozialistis<strong>ch</strong>en Ländern“ zeigten heute klar, dass „unsere Distanz zum KEK gere<strong>ch</strong>tfertigt s<strong>ch</strong>ien“. Denno<strong>ch</strong> habe die<br />
GDREA die Tätigkeit der KEK-Aktivisten „ke<strong>in</strong>eswegs“ beh<strong>in</strong>dert. Wegen der strikten Reisebes<strong>ch</strong>ränkungen habe man<br />
ihnen aber <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> helfen können, an die KEK-Konferenzen <strong>in</strong>s westli<strong>ch</strong>e Ausland zu reisen. E<strong>in</strong>ige Genossen hätten dies<br />
damals <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> verstehen wollen und hätten „uns das Leben ziemli<strong>ch</strong> seltsam ers<strong>ch</strong>wert“. Sie hätten man<strong>ch</strong>mal an das ZK der<br />
Partei ges<strong>ch</strong>rieben und si<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>wert, dass die GDREA politis<strong>ch</strong> <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> ri<strong>ch</strong>tig handle usw. Die GDREA habe sogar e<strong>in</strong>e Zeit<br />
lang das Bullet<strong>in</strong> Internaciisto <strong>in</strong> der DDR verteilt, habe dann aber vor allem wegen „te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er Missstände“, für die die<br />
GDREA <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong>s dafür konnte, ihre Vermittlerfunktion e<strong>in</strong>stellen müssen. Im Übrigen habe Blanke persönli<strong>ch</strong> e<strong>in</strong>ige Genossen<br />
des KEK dur<strong>ch</strong>aus ges<strong>ch</strong>ätzt, au<strong>ch</strong> wenn deren „sloganistis<strong>ch</strong>en Me<strong>in</strong>ungen“ oft <strong>ni<strong>ch</strong>t</strong> mit den se<strong>in</strong>en übere<strong>in</strong>gestimmt<br />
hätten.<br />
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