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Sonderausgabe: Dekontamination Verletzter (PDF, 2MB)

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Reizhusten und Konjunktivitis, mitunter auch zu<br />

Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Im<br />

Anschluss daran kann sich jedoch mit einer Latenz<br />

von 3-24 Stunden auch ein toxisches Lungenödem<br />

entwickeln. Nur bei massiver Exposition ist bereits<br />

frühzeitig mit einem toxischen Lungenödem zu<br />

rechnen.<br />

Auch hier werden die betroffenen Personen zunächst<br />

aus dem toxischen Gefahrenbereich entfernt<br />

und mit Sauerstoff versorgt. Zur Prophylaxe eines toxischen<br />

Lungenödems erhalten die Patienten eine<br />

inhalative Glucocorticoidtherapie sowie die Verordnung<br />

von Bettruhe. Allerdings ist die Evidenz für diesen<br />

Einsatz inhalativer Glucocorticoide relativ<br />

schwach, sodass diese Therapieform nach wie vor kontrovers<br />

diskutiert wird. Die weiteren therapeutischen<br />

Maßnahmen orientieren sich dann am jeweiligen<br />

Beschwerdebild der Patienten. Bei einer Atemwegsobstruktion<br />

werden inhalative b2-Sympathomimetika,<br />

bei starkem Husten Antitussiva eingesetzt. Beim toxischen<br />

Lungenödem kommen die intravenöse Applikation<br />

von Glucocorticoiden sowie die endotracheale<br />

Intubation und Beatmung zur Anwendung.<br />

Nervenkampfstoffe (Sarin, Soman, Tabun, VX)<br />

Nervenkampfstoffe sind Organophosphate, die<br />

inhalativ und perkutan gut resorbiert werden. Die<br />

systemische Wirkung der Organophosphate beruht<br />

auf einer Hemmung der Acetylcholinesterase, sodass<br />

es im Bereich der Synapsen des autonomen und<br />

zentralen Nervensystems sowie im Bereich der neuromuskulären<br />

Endplatte zu einem Überschuss von<br />

Acetylcholin kommt. Als Folge davon können sich<br />

muskarinartige, nicotinartige und zentralnervöse<br />

Vergiftungssymptome entwickeln. Die muskarinartigen<br />

Symptome sind Miosis, Bradykardie, Bronchorrhoe,<br />

Hypersalivation, Erbrechen und Diarrhoe. Zu<br />

den nicotinartigen Symptomen gehören Mydriasis,<br />

Tachykardie, Hypertonie, Muskelfaszikulieren, Muskelkrämpfe<br />

sowie Lähmung der Muskulatur. Die<br />

zentralnervösen Vergiftungssymptome äußern sich zunächst<br />

in Form von Verwirrtheit, Agitiertheit und<br />

cerebralen Krampfanfällen und gehen schließlich in<br />

ein tiefes Koma über. Dieses Syndrom der systemischen<br />

Giftwirkung kennen wir sehr gut von Vergiftungen<br />

nach oraler Aufnahme von organophosphathaltigen<br />

Insektiziden, nach einer Exposition mit<br />

Nervenkampfstoffen ist diese Syndrom allerdings<br />

häufig inkomplett. Wird der Nervenkampfstoff, wie<br />

1995 in Tokio geschehen, als Aerosol ausgebracht,<br />

kann es sein, dass die systemische Giftwirkung nur<br />

sehr schwach ausgeprägt ist oder sogar komplett fehlt,<br />

während durch eine Kontamination der Augen die<br />

lokale Symptomatik mit Miosis und starken Kopfschmerzen<br />

ganz im Vordergrund steht.<br />

Nach der Rettung aus dem Gefahrenbereich<br />

konzentrieren sich die therapeutischen Maßnahmen<br />

zunächst auf das Stabilisieren der Vitalfunktionen,<br />

wobei dies bei sehr schweren Vergiftungen erst durch<br />

eine Antidot-Therapie mit Atropin möglich wird.<br />

Ähnlich wie nach der oralen Aufnahme von Insektiziden<br />

erhalten die Patienten mit einer schweren, lebensbedrohlichen<br />

Vergiftung mit Nervenkampfstoffen<br />

als Startdosis zunächst 2-5 mg Atropin als Bolus.<br />

Anschließend wird diese Bolusgabe solange wiederholt<br />

bis stabile Kreislaufverhältnisse erreicht sind. Dabei<br />

kann durchaus eine Atropin-Gesamtdosis von<br />

20-50 mg erforderlich werden. Im Anschluss daran<br />

erhält der Patient dann eine Dauerinfusion mit 1-2<br />

mg Atropin/h. Cerebrale Krampfanfälle werden mit<br />

einem Benzodiazepin, z.B. Diazepam behandelt. Bei<br />

den meisten Patienten mit einer inhalatorischen oder<br />

perkutanen Vergiftung mit Nervenkampfstoffen genügt<br />

allerdings eine deutlich niedrigere Atropin-Dosis<br />

als wir es bei oralen Organophosphatvergiftungen<br />

gewohnt sind. Bei leichten Vergiftungen reicht vielleicht<br />

die lokale Applikation von Atropin-Augentropfen<br />

schon aus. Eine intravenöse Applikation darf in<br />

diesen Fällen nur sehr vorsichtig durchgeführt werden,<br />

da es hierbei schnell zu einer Überdosierung von<br />

Atropin kommen kann. In der Regel genügt in diesen<br />

Fällen eine Anfangsdosis von 1-2 mg Atropin.<br />

Als zweites Antidot steht mit dem Obidoxim (Toxogonin<br />

®) ein Cholinesterasereaktivator zur Verfügung,<br />

der bei den Nervenkampfstoffen Sarin, Tabun<br />

und VX wirksam ist. Die ideale Dosierung besteht<br />

in einer Bolusgabe von 250 mg mit einer anschließenden<br />

Dauerinfusion von 750 mg in 24 Stunden.<br />

Sind die Vitalparameter stabilisiert, so werden die Patienten<br />

möglichst vollständig dekontaminiert, wobei<br />

die Kleidung entfernt und kontaminierte Hautpartien<br />

mit Wasser und Seife gereinigt werden. Sind in<br />

erster Linie die Augen betroffen, so werden diese<br />

unter fließendem Wasser gespült. Für all diese Primärversorgungsmaßnahmen<br />

benötigt das Rettungspersonal<br />

eine ausreichende Schutzausrüstung, d.h.<br />

SONDERAUSGABE 2006 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ<br />

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