Open Source Jahrbuch 2008 - Business Linux Hanse Network
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4 Die <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Bewegung als deterritoriale<br />
Vergemeinschaftung<br />
Vor dem Hintergrund unserer Darlegungen aus einer kommunikations- und medienwissenschaftlichen<br />
Perspektive schlagen wir vor, die <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Bewegung insgesamt<br />
als eine deterritoriale (politische) Vergemeinschaftung der Softwareentwicklung<br />
zu beschreiben.<br />
Der Begriff der deterritorialen Vergemeinschaftung hebt darauf ab, dass mit der<br />
Globalisierung von Medienkommunikation die Relevanz von translokalen Vergemeinschaftungen<br />
zugenommen hat, also solcher durch Prozesse der Medienkommunikation<br />
vermittelter Vergemeinschaftungsnetzwerke, die gerade nicht wie die Gemeinschaft<br />
der Nation territorial bezogen sind. Mit Vergemeinschaftung bezeichnen<br />
wir in Anlehnung an klassische Überlegungen von Weber (1972, S. 21) diejenigen<br />
sozialen Beziehungen, die auf subjektiv gefühlter Zusammengehörigkeit der<br />
Beteiligten beruhen. Entsprechend sind unter deterritorialen Vergemeinschaftungen<br />
solche Vergemeinschaftungen zu verstehen, die sich als Netzwerk subjektiv gefühlter<br />
Zusammengehörigkeit translokal über verschiedene Territorien hinweg erstrecken<br />
(Hepp 2006b, S. 282; Hepp in Druck).<br />
Und exakt dies trifft für die <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Bewegung zu: Gerade auch durch die Nutzung<br />
von digitalen Kommunikationsmedien hat sich hier nicht nur ein kooperativer<br />
Arbeitszusammenhang konstituiert, wie man ihn beispielsweise für global agierende<br />
Konzerne konstatieren kann, sondern darüber hinaus ein Gemeinschaftsnetzwerk mit<br />
einer geteilten (sub)politischen Identität. Mit anderen deterritorialen Vergemeinschaftungen<br />
12 teilt die <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Bewegung folgende drei Aspekte:<br />
Netzwerke lokaler Gruppen Deterritoriale Vergemeinschaftungen artikulieren sich zuerst<br />
in lokalen Gruppen, die durch eine entsprechende Face-to-Face-Kommunikation<br />
gekennzeichnet sind. Diese verschiedenen lokalen Gruppen fügen sich<br />
zu einem übergreifenden translokalen Netzwerk. Diesen Aspekt nden wir in<br />
der <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Bewegung in Ortsgruppen, die sich in verschiedenen Städten<br />
konstituiert haben und in denen sich die unterschiedlichen Entwickler (und<br />
auch User) treffen.<br />
Translokaler Sinnhorizont Innerhalb von Netzwerken deterritorialer Vergemeinschaftungen<br />
besteht ein translokaler Sinnhorizont, d. h. eine gemeinsame Sinnorientierung,<br />
die diese Vergemeinschaftungen als solche begründet. Der translokale<br />
Sinnhorizont wird durch Prozesse medienvermittelter Kommunikation aufrechterhalten,<br />
seien dies Medien der personalen Kommunikation (beispielsweise<br />
12 Deterritoriale Vergemeinschaftungen nden sich allerdings nicht nur im Bereich der Softwareentwicklung,<br />
sondern sind ein generelles Phänomen in Zeiten fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation.<br />
Weitere Beispiele wären Jugend-, Freizeit- und Populärkulturen, ethnische Vergemeinschaftungen<br />
der Diaspora, politische Vergemeinschaftungen sozialer Bewegungen oder religiöse<br />
Vergemeinschaftungen. Siehe dazu im Detail Hepp (2006b, S. 280 196).<br />
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