Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
RELIGIÖSE IDENTITÄT<br />
versuche, sie in einen Gesamtzusammenhang zu stellen.<br />
Wie bereits oben angeführt, müssen wir zwischen der religiösen Identität und<br />
dem Glauben des Einzelnen und der religiösen Praxis in der Gruppe unterscheiden.<br />
Jede Religion folgt als Medium der Lebensbewältigung bestimmten<br />
Glaubensinhalten und -idealen. Diese sind eingebunden in eine rituelle und<br />
organisatorische Struktur. Es gibt Spezialisten, wie z.B. Priester, die über das<br />
notwendige Wissen bezüglich der Inhalte wie Bibel, Gesänge, Gebete, Liturgie<br />
etc. und der kultischen Handlungen, wie Gottesdienst, Trauung, Taufe etc.<br />
verfügen. Und es gibt eine hierarchische Struktur, die sowohl der Gemeinde wie<br />
auch den einzelnen Kirchenvertretern vom Ministrant bis zum Bischof und<br />
Patriarchen eine ganz bestimmte Stellung zuweisen. Ich denke, dass Bitris Ogunc<br />
(besonders motiviert durch die Bedingungen des Lebens in der Diaspora) sowohl<br />
an den Inhalten der syrisch-orthodoxen Kirche als auch an der Hierarchie oder<br />
Autorität ihrer Vertreter gerüttelt hat Ich greife im Folgenden bestimmte<br />
Aspekte der Vorstellungen und des Wirkens von Abuna Bitris heraus, die ich<br />
unter den Themenbereichen „Innere Veränderungen", „Ökumene" und „Ethnisierung"<br />
zusammenfasse.<br />
Innere Veränderungen - „nicht zu allem 'amin' 37 sagen"<br />
Unter innerer Veränderung verstehe ich zum einen die Diskussion über die<br />
hierarchische Struktur der syrisch-orthodoxen Kirche, zum anderen die<br />
Diskussion über die rituelle Praxis. Letzteres habe ich bereits zum Beispiel mit<br />
den Forderungen nach Verkürzung der Gottesdienste, Ökumene und der<br />
Einbeziehung der Gemeinde bzw. der Frauen angedeutet. Die Kirche ist, wie Kai<br />
Merten in seinem Buch von 1997 „Die syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei<br />
und in Deutschland" schreibt, „nicht vor menschlichen Schwächen geschützt. [...]<br />
Die Gemeinderäte der (syrisch-orthodoxen, d.V) Kirchengemeinden wie auch<br />
der Diözesanrat werden normalerweise von den einflussreichsten Familien<br />
gestellt. Damit eröffnet sich die Möglichkeit von Machtgier und Rivalitäten, die<br />
bis in Auseinandersetzungen mit dem Erzbischof münden. Besondere Streitpunkte<br />
sind die gegenseitige Kontrolle und die Verwendung der Gelder." 38 Auf<br />
die Frage nach dem Beginn der Schwierigkeiten mit der syrisch-orthodoxen<br />
Kirche antwortet Abuna Bitris: „Es begann damit, dass das Wort des Religionsführers<br />
der syrisch-orthodoxen Kirche, egal ob richtig oder falsch, von den<br />
Priestern ausgeführt werden musste. Das ist weder menschlich noch demokratisch."<br />
39 Er kritisiert die mangelnde Ausbildung der Priester, die nicht nach<br />
16