Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
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PUBLIKATIONEN<br />
neugierig und aufgeschlossen, hatte einen Hang zu Humor und Komik (der<br />
Komiker WC. Fields ist sein Vorbild) und vertraute auf den Zufall. Dieser führte<br />
ihn zum Radio und später zum Fernsehen. In Hörspielen gab er den Gangster, er<br />
war Schauspieler, Discjockey, Sportreporter und Moderator. 1945 bekam er mit<br />
„Stud s Place" die erste Sitcom im amerikanischen TV. Dort legte er den<br />
Grundstein zu seiner Karriere als Interviewer. Doch er flog bald wieder raus. Die<br />
Atmosphäre der McCarthy Ära duldete keinen Mann, der sich für die schwarze<br />
Bürgerrechtsbewegung engagierte, gegen den Kalten Krieg oder gegen<br />
Lynchjustiz agitierte und zahlreiche Petitionen unterzeichnete. Terkel blieb<br />
seinen Prinzipien treu - auch in der Kleidung. Rote Socken und ein rot-weiß<br />
kariertes Hemd sind sein Markenzeichen. Er raucht billige Zigarren und trinkt<br />
täglich zwei Martinis. Nach seinem Rausschmiss beim Fernsehen war er 45 Jahre<br />
lang mit einer täglichen Sendung, der „Studs Terkel Show", im Radiosender<br />
WFMT vertreten. Hier kam jeder zu Wort Terkel führte Interviews über Krieg,<br />
Rassismus, die Arbeit oder das Alter.<br />
1999 starb Terkels Frau Ida, mit der er 60 Jahre lang verheiratet war. Der Tod ist<br />
nahe gerückt und Terkel weiß, dass er einer der letzten seiner Generation ist. Mit<br />
„Will the Circle be Unbroken? Reflections on Death, Rebirth and Hunger for a<br />
Faith" widmete er Ida ein Buch, in dem Menschen ihre Erfahrungen und<br />
Gedanken zum Tod ausdrücken. Er habe nie daran gedacht, so ein Buch wie<br />
dieses zu schreiben, bemerkt Terkel im Vorwort Das falle doch eher in die<br />
Zuständigkeit von Pfarrern und Metaphysikern. Doch immer mehr schob sich<br />
die Frage in sein Bewusstsein: Wie soll man sich an eine Zeit und an einen Ort<br />
erinnern, an den noch keiner von uns gelangt ist? Warum nicht darüber<br />
sprechen? Terkel war überrascht, wie groß der Drang seiner Interviewpartner<br />
war, über das Thema Tod und ihre Erfahrungen damit zu reden. „Die hier versammelten<br />
Geschichtenerzähler sind kaum zu bremsen, wenn sie erst einmal<br />
angefangen haben. Sie wollen darüber sprechen, ob es nun Kummer oder<br />
Schuldgefühl oder beides zusammen bei den Hinterbliebenen ist; ob es<br />
Gedanken an ein Weiterleben nach dem Tod sind - gibt es ein Jenseits oder<br />
nicht?" 6 Das Religiöse spielt in den biographischen Erzählungen eine wichtige<br />
Rolle. Terkel resümiert, dass seine gläubigen Protagonisten durch die Bank<br />
leichter den Verlust eines Menschen verkraften als die Nichtgläubigen. Ihnen<br />
bliebe eine Tröstung versagt. 47 narrative Interviews sind in dem Band<br />
versammelt, Ich-Erzählungen, die so gut wie nie von Fragen unterbrochen<br />
werden. Die Interviewten reden keinen Slang und drücken sich so aus, dass der<br />
Verdacht entsteht, Terkel habe bei der Formulierung etwas nachgeholfen. Fast<br />
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