Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
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ZEICHEN DER ZEIT<br />
dort Dokumente, Warfen und Gefangene verwahrt wurden. Schließlich musste<br />
die Zeitanzeige bzw. das Zeitsignal einer öffentlichen Uhr in der Lage sein, die<br />
breite Masse der Bevölkerung zu erreichen.<br />
Stadtglocken und städtische Uhren mit ihren teils sehr differenzierten Signal- und<br />
Läutordnungen standen also für kommunale Autonomie, für städtisches Selbstverständnis<br />
und Selbstbewusstsein; sie verkörperten Ansehen und Reichtum<br />
einer Kommune - entsprechend entfachte sich an diesen Attributen immer<br />
wieder ein Konkurrenzkampf zwischen Städten untereinander - und sie sollten<br />
die Aufgeschlossenheit des Rats gegenüber Neuerungen unter Beweis stellen. 8 In<br />
der Forschung umstritten ist die Frage, ob und inwieweit neben den Städten der<br />
Gruppe der Kaufleute eine herausragende Rolle bei der Etablierung allgemeinverbindlicher<br />
Zeitmessgeräte und -verfahren zukam. 9<br />
Im kirchlichen Bereich bestand zunächst keine zwingende Notwendigkeit, das<br />
herkömmliche Geläut durch Räderuhren mit moderner Stundenrechnung zu<br />
ersetzen. Andererseits ist sicherlich nicht davon auszugehen, dass den neuen<br />
Entwicklungen und entsprechenden Bauvorhaben seitens der Kirche ernsthafter<br />
Widerstand entgegengesetzt worden wäre. 10<br />
Anders als in den größeren Städten stellt sich die Lage auf dem Land dar: Dort<br />
mussten seit dem 15. Jahrhundert die Landesverwaltungen die Initiative<br />
ergreifen, um die Verbreitung öffentlicher Uhren in kleineren Orten und Dörfern<br />
durch direkten oder indirekten Druck voranzutreiben - ein Prozess im übrigen,<br />
der sich angesichts der vielfach zögerlich-skeptischen Haltung der Landbevölkerung<br />
mancherorts bis ins 19. Jahrhundert hinzog. Eine funktionierende<br />
Uhr wurde üblicherweise als Indikator für eine geordnete Verwaltung und Gute<br />
Póliza betrachtet. 11<br />
Eroberung des privaten Bereichs<br />
Der Gebrauch von Uhren im privaten Umfeld 12 setzte ebenfalls bereits im 14.<br />
Jahrhundert ein; spätestens für den Beginn des 15. Jahrhunderts ist die Existenz<br />
von gewichtgetriebenen Haus- und Zimmeruhren belegt. Deren Besitz freilich<br />
war vorerst einem kleinen gesellschaftlichen Segment oberhalb des Bürgertums<br />
vorbehalten. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Konstruktion kleinerer<br />
und gegebenenfalls transportabler Uhren 13 war die ebenfalls noch im 15.<br />
Jahrhundert erfolgte Entwicklung des Prinzips der Feder, das eine Energieabgabe<br />
unabhängig von der Position der Uhr zuließ. Die Verknüpfung von<br />
Federzug und Schnecke machte sodann einen Ausgleich der mit der Zeit nach-<br />
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