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Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...

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ALEVITEN<br />

auch der Bektashis sind in dem Ausspruch "eline, beline, düine sahip otf ( - sei Herr<br />

Deiner Hände, Deiner Lenden und Deiner Zunge - zusammengefasst. Zu verstehen<br />

ist darunter das Verbot von Mord, Totschlag, Körperverletzung, Raub,<br />

Diebstahl, Verleumdung, übler Nachrede und außerehelichen Sexualbeziehungen<br />

bzw. der Verehelichung mit Nicht-AJeviten. 22<br />

Da die Aleviten - im Gegensatz zu den Anhängern des orthodoxen sunnitischen<br />

Islam (vgL etwa die Taliban in Afghanistan) - Poesie, Musik und Tanz durchaus<br />

befürworteten, sind sie in der osmanischen Derwischpoesie (tekke edebiyati)<br />

besonders stark vertreten und brachten viele populäre Dichter hervor. Neben<br />

Yunus Emre (gestorben 1320/1321 n. Chr.) wird vor allem Pir Sultan Abdal (16.<br />

Jahrhundert) als einer ihrer berühmtesten Dichter angesehen. Birge geht davon<br />

aus, dass die Bektasiye entscheidend zum Erhalt türkischer Ethnizität innerhalb<br />

einer islamisch-arabisch geprägten Umwelt beitrugen, indem sie zahlreiche<br />

Elemente der türkischen Volkskultur bewahrten und vor allem eine literarische<br />

Tradition des Türkischen schufen. 23 Im Gegensatz zu den orthodoxen islamischen<br />

Gruppen und auch anderen Derwischorden bedienten sich die<br />

Bektashis und Aleviten (inklusive ihrer kurdischen Anhänger) des Türkischen als<br />

Zeremonialsprache, während die Sprache des offiziellen Islam ausschließlich<br />

Arabisch war und im Osmanischen Reich das Farsi (Neupersisch) die Sprache<br />

von Dichtkunst und Literatur darstellte. Haas spricht sogar von dem Bektashitum<br />

als einem „Freilichtmuseum der türkischen Kultur". 24 Insgesamt schält sich<br />

also das Bild des Bektashitums als einer Unterschichtsbewegung heraus, welche<br />

sich um die Bewahrung des „wahren Türkentums" und alttürkischer Volksreligiosität<br />

(mit zahlreichen vorislamischen Elementen) „verdient" machte.<br />

Die schon wiederholt angesprochene Indifferenz der Aleviten gegenüber dem<br />

offiziellen muslimischen Regelwerk machte sie häufig zu Opfern von Verdächtigungen<br />

ihrer sunnitischen Umgebung - auch wenn die meisten für sich in<br />

Anspruch nehmen, durchaus nach der Hadith (den vom Propheten Mohammed<br />

überlieferten islamischen Lebensregeln) zu leben. 25 Sowohl der - wohlgemerkt<br />

sparsame, man denke an christliche Abendmahlsfeiern - Alkoholgenuss als auch<br />

die Präsenz von Frauen während religiöser Feiern gaben - zusammen mit dem<br />

esoterischen Charakter der Zeremonien - Anlass zu vielerlei Mutmaßungen und<br />

Gerüchten, denen zufolge die Aleviten während ihrer Feiern allgemeine<br />

Promiskuität betrieben und Orgien feierten.<br />

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