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Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...

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PUBLIKATIONEN<br />

der Erneuerungsströmung des Katholizismus.<br />

Ab 1830 trat in der Reflexion über die Möglichkeit des Verkehrs mit der<br />

Geisterwelt eine utopische Hoffnung in den Vordergrund, die sich - wie Sawicki<br />

ausführt - in drei Stränge, nämlich einen medizinisch-philosophischen, einen<br />

katholischen und einen südwestdeutschen, untergliedern lässt. Bis zur Mitte des<br />

19. Jahrhunderts war der Somnambulismus so „ein schlichtes Werkzeug für den<br />

Kontakt mit einer den Naturgesetzen unterworfenen Geisterwelt geworden" (S.<br />

165).<br />

Dies führte dazu, dass sich ab 1850 eine neue Form des Geisterglaubens bemerkbar<br />

machte, die Sawicki im dritten Kapitel behandelt. Mit der Familie Fox - so<br />

Sawicki -, die Klopfzeichen eines verstorbenen Hausierers wahrnahm, begann<br />

die Geschichte des eigentlichen Spiritismus. Neben dem geisterhaften Klopfen<br />

erlangte das Tischerücken große Bedeutung, das auch auf Gebildete eine große<br />

Faszination ausübte, da man glaubte, darin einer weiteren Naturkraft auf die Spur<br />

zu kommen. Auch wenn der Reiz des Neuen bald verflogen war, so hatte sich<br />

bereits eine separate Kultur des Tischerückens als spiritistische Praxis etabliert,<br />

die sich bis in die 1860er Jahre - v.a. unter der Verwendung sogenannter Psychographen<br />

- hielt.<br />

Ab 1870 bildete sich eine spezifisch spiritistische Broschüren- und Zeitschriftenkultur<br />

heraus. Einzelne Medien gewannen an Bedeutung, so z.B. Henry Slade aus<br />

den USA, der 1877/78 in Deutschland für Aufsehen sorgte. Wie Sawicki in<br />

seinem vierten Kapitel aufzeigt, erlangte der Spiritismus nun einen religiösen und<br />

sozialen Aspekt - einen religiösen, da durch die Beschäftigung mit spiritistischen<br />

Praktiken der Glaube an Gott und die Ewigkeit bestärkt wurde, und einen<br />

sozialen, da er nach 1881 den Charakter einer privaten Passion verlor und zu einer<br />

großen Bewegung wurde.<br />

Regional gesehen beschränkte sich der Spiritismus in Deutschland zunächst v.a.<br />

auf Sachsen. Hier war er in vier verschiedenen Varianten anzutreffen, nämlich<br />

dem Offenbarungs-, dem Vereins-, dem Andachts- und dem Unterhaltungsspiritismus,<br />

die Sawicki im Folgenden ausführlich erläutert Nach 1890 etablierte<br />

er sich jedoch über Sachsen hinaus in ganz Deutschland mit zahlreichen<br />

Vereinen. Die spiritistische Publizistik sowie die Reisetätigkeiten professioneller<br />

Medien unterstützten dessen Ausbreitung.<br />

Um 1900 schließlich wurde der Spiritismus zunehmend zu einem unterhaltenden<br />

Zeitvertreib mit dramatisch inszenierten Seancen. Aufgrund seiner Ähnlichkeit<br />

mit Zaubertricks hatte er nun die größte Diskrepanz zwischen seinem sittlichem<br />

Anspruch und seiner Praxis als kommerzialisiertem Unterhaltungsmedium<br />

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