Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
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BERICHTE<br />
bürger-Sachsen durch Zahlung von Kopfprämien. Deren Gemeinden begannen<br />
sich daher allmählich aufzulösen. Zwar gibt es in Städten wie Hermannstadt oder<br />
Schäßburg noch Interessenverbände und Kulturinstitutionen der Deutschen<br />
sowie funktionierende protestantische Pfarrgemeinden, doch das kann nicht<br />
darüber hinwegtäuschen, dass ihr prozentualer Bevölkerungsanteil heute äußerst<br />
gering ist. 8<br />
Die meisten Siebenbürger Sachsen kehren für sechs Wochen im Sommer in ihre<br />
Gemeinden und in ihre alten Häuser zurück (sofern bewohnbar und nicht<br />
verkauft oder enteignet) und bilden eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste<br />
Gruppe von touristisch Reisenden in Siebenbürgen. In den Pfarrämtern der<br />
protestantischen Gemeinden trifft man immer wieder auf Grüppchen und<br />
Individuen, die Auskunft aus den Archiven verlangen und die Familiengeschichte<br />
erforschen oder Gebühren für Familiengräber entrichten. Das protestantische<br />
Pfarramt und der Pfarrer sind nach wie vor Anlaufstellen, um die Zugehörigkeit<br />
zur und die Verantwortung für die alte Gemeinde auszudrücken. Hier findet eine<br />
Vergewisserung statt, dass man immer noch „dazugehört". Gleichzeitig gelangt<br />
so ein Strom von materiellen und immateriellen Gütern in die Gemeinden, die<br />
ihre Arbeit zum größten Teil durch die Spenden der Ausgesiedelten finanzieren:<br />
die Gewissheit, dass zumindest das Gotteshaus als Mittelpunkt der Gemeinde in<br />
einem guten Zustand ist, wenn schon das ehemals eigene Haus und der ehemals<br />
eigene Hof verfällt, scheint vielen ein Anliegen zu sein.<br />
Parallel dazu leben in den Dörfern und Städten heute überwiegend Rumänen, die<br />
von Ceausescu auch durch Zwangsumsiedlungen dorthin gebracht wurden, und<br />
bemühen sich, ihren Alltag zu bewältigen. Das Leben, das der Reisende dort antrifft,<br />
ist von Improvisation und Notbehelf geprägt. Bei manchen der engstehenden<br />
Gebäude kann man nicht einschätzen, ob sie schon seit Jahrzehnten<br />
verfallen liegen oder nicht doch ein Zuhause für Menschen am untersten Rand<br />
der Gesellschaft in sich bergen. Alltägliche Gebrauchsgüter, an die sich in Wohlstandsstaaten<br />
aufgewachsene Personen bereits bis zur Abhängigkeit gewöhnt<br />
haben, sind hier keine Selbstverständlichkeit. Strom kann beispielsweise zur<br />
Mangelware werden, in den ärmeren Vierteln rumänischer Städte gibt es oftmals<br />
gar keine Elektrizität. So kann es auch passieren, dass mitten im bittersten Winter<br />
die Gas- oder Fernwärmeheizungen für einige Wochen oder Monate ausfallen, da<br />
den betreffenden städtischen Versorgern das Geld für ihre Aufrechterhaltung<br />
ausgegangen ist. Der Zustand öffentlicher Verkehrsmittel oder des Straßennetzes<br />
entspricht ebenfalls noch keineswegs der EU-Norm Man steigt in Busse und<br />
Straßenbahnen und ist verwundert über deutsche Aufschriften wie „Bitte nicht<br />
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