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Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...

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ZEICHEN DER ZEIT<br />

Von Formel-1-Siegen und Federzügen<br />

Oder: wie sich die Zeitwahrnehmung durch die Jahrhunderte veränderte<br />

von Katharina Frieb<br />

An <strong>Nachrichten</strong>, die uns etwa mitteilen, dass Rubens Barrichello bei<br />

einem Formel-1-Rennen elf Tausendstelsekunden vor seinem Teamkollegen<br />

Michael Schumacher das Ziel passiert hat, finden wir heutzutage kaum etwas<br />

Ungewöhnliches. Dass die Zeiten der Skirennläufer in Hundertstelsekunden<br />

gemessen werden, ist seit Jahrzehnten gängige Praxis. Und dass das Ergebnis des<br />

Hundertmeterlaufs eines jeden Schülers auf die Zehntelsekunde genau ermittelt<br />

wurde, war lange vor der Erfindung von Quarz- und Digitaluhrentechnik und vor<br />

Beginn des Computerzeitalters Usus.<br />

Dass also in manchen Lebensbereichen Zeiteinheiten einer Größenordnung<br />

gemessen werden, die unserer unmittelbaren Wahrnehmung entzogen sind,<br />

kommt uns nur selten zu Bewusstsein. Und erst recht ist uns das System unserer<br />

Zeiteinteilung in Sekunden, Minuten und Stunden derart selbstverständlich, wird<br />

unser alltägliches Leben in so hohem Maß von Uhren und Sekundenzeigern<br />

bestimmt, dass wir für gewöhnlich gar nicht auf den Gedanken kommen, dass es<br />

Zeiten gegeben haben könnte, in denen dies nicht so war, in denen die Rhythmen<br />

des Tageslaufs von ganz anderen Faktoren vorgegeben wurden.<br />

Die Themen Tätbewusstsein und Tätmessung finden bereits seit dem späteren 19.<br />

Jahrhundert in den historischen Teildisziplinen der Bewusstseins-, bzw. Mentalitätsgeschichte<br />

sowie der Technikgeschichte Berücksichtigung: Wahrend bei Karl<br />

Marx und Friedrich Engels im Kontext ihrer Kapitalismuskritik der Weg zu der in<br />

ihren Augen den Menschen seiner Bestimmung entfremdenden industriellen<br />

Zeitdisziplin geschildert wird, setzte Gustav Bilfinger bereits 1892 seinen<br />

Schwerpunkt auf die Techniken der Zeitmessung und den sozialen Kontext von<br />

Zeitangaben und bereitete somit der späteren Erforschung der Wandlungen im<br />

Zeitbewusstsein den Weg. Max Weber sah die Wurzeln der auf Disziplin und<br />

Methodik gründenden rationalen Arbeitsorganisation mit all ihren<br />

Begleiterscheinungen im klösterlichen Leben sowie im Berufsethos des<br />

Puritanismus, wohingegen Werner Sombart die Ursprünge des Kapitalismus im<br />

Kloster, in der italienischen Händler- und Kaufleuteschaft des 14. und 15.<br />

Jahrhunderts, sowie, in deren Nachfolge, in der Bourgeoisie verortete. Später war<br />

es die französische Sozialgeschichte, die sogenannte Annales-Schule mit ihren<br />

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