Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Wo Dracula allgegenwärtig ist<br />
Als Volkskundler unterwegs im postsozialistischen Rumänien<br />
von Stephan Bäcker, Claudia Preis und Michael Schwendinger<br />
BERICHTE<br />
Transsilvanien, Land jenseits der Wälder, Siebenbürgen: eine ehemals<br />
auch von Deutschen besiedelte Region, abseits des Weltgeschehens und mitten<br />
im heutigen Rumänien gelegen. Meistens ruft der Begriff Transsilvanien jedoch<br />
nur eine Assoziation hervor: eine in ständigen Nebel getauchte Landschaft,<br />
bevölkert von Vampiren und anderen Wesen der Nacht. Transsilvanien ist<br />
Dracula-Land, auch wenn ein disneylandartiger Vergnügungspark gleichen<br />
Namens nun doch nicht bei Schäßburg/Sighisoara 1 gebaut wird Das Land ist<br />
aber ohnehin schon voll von Dracula-Bars, -Restaurants und -Shops. Bei Schloß<br />
Bran, einem der zahlreichen Orte, die ohne historischen Beleg für sich in<br />
Anspruch nehmen, den Herrn der Vampire beherbergt zu haben, stehen die<br />
Buden eines Dracula-Bazars und es fällt schwer, einem der unzähligen Dracula-<br />
Souvenirs den Preis für das hässlichste zuzuerkennen. Was deren Ikonographie<br />
anbelangt, so scheint man sich nicht einigen zu können, ob man Dracula als<br />
Walachenfursten Vlad Tzepes (1431-1477) darstellt, oder so, wie ihn der<br />
Hollywoodschauspieler Bela Lugosi, ein gebürtiger Ungar, verkörpert hat, oder<br />
einfach als Monsterfigur, die jeder Geisterbahn Ehre machen würde.<br />
Diese Unsicherheit verweist aber auch auf die vielen Motive und Stränge, die sich<br />
in der Figur Dracula zu einem schier untrennbaren Ganzen verwoben haben.<br />
Volkskundler wie Dieter Harmening haben die komplizierte Geschichte von<br />
Dracula dennoch entwirrt: Harmening hat gezeigt, wie aus einer historischen<br />
Figur, eben Vlad Tzepes, der viktorianisch-f antastische Romanheld Graf Dracula<br />
entstand. 2 Die Taten des Tzepes fanden in die Exempelliteratur Eingang, dienten<br />
der Propaganda gegen grausame Herrscher und amalgamierten mit dem<br />
südosteuropäischen Volksglauben an blutsaugende Untote. 3<br />
Diesen Stoff griff Bram Stoker Ende des 19. Jahrhunderts auf, der Rumänien<br />
allerdings nie gesehen hatte. Er beschrieb die Reise des Jonathan Harker zum<br />
Borgo-Paß anhand des Kursbuches der Königlich Ungarischen Staatsbahnen<br />
und Rumänien mit Hilfe der Landkarten des Königlich Ungarischen<br />
Geographischen Instituts. 4 Dass der historische Tzepes eigentlich Fürst der<br />
Walachei, des südlich an Transsilvanien grenzenden Landesteils des heutigen<br />
71