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Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...

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ALEVITEN<br />

Aleviten - Bektashi<br />

Zwei Beispiele für multiple ethnische und religiöse Identitäten<br />

von Frank Kressing<br />

Im Zuge einer Vergleichsforschung zu den albanischen Bektashi 1<br />

besuchte ich seit 1996 wiederholt Angehörige der alevitischen Glaubensgemeinschaft<br />

aus der Türkei in einem ihrer Gemeindezentren in Ulm und hatte dabei<br />

auch Gelegenheit, an religiösen Zeremonien, wie etwa dem Gm oder den<br />

Aschura-Feiern im Trauermonat Muharren, teilzunehmen. 2 Solche alevitischen<br />

Zentren finden sich mittlerweile in einer Vielzahl deutscher Städte, vor allem in<br />

den großstädtischen Ballungsräumen, in denen es zu einer verstärkten Ansiedlung<br />

von Zuwanderern aus der Türkei gekommen ist. Innerhalb der Bevölkerung<br />

der Türkei - und zwar sowohl unter ethnischen Türkinnen als auch unter<br />

Kurdinnen - haben die Aleviten einen Anteil von ca. 20-30%. In der Bundesrepublik<br />

Deutschland kann man dementsprechend etwa von einer halben Million<br />

Alevitlnnen ausgehen. 3<br />

Bei den Aleviten handelt es sich um eine der vielen schi'itisch inspirierten,<br />

heterodoxen Gruppen des Islam, welche sich in ihren Glaubensvorstellungen<br />

und im religiösen Kult erheblich von der sunnitischen islamischen Mehrheit<br />

unterscheiden - so nehmen z.B. Frauen an allen Ritualen teil, die üblichen moslemischen<br />

Gebets- und Fastenzeiten werden nicht streng eingehalten, und es gibt<br />

rituellen Alkoholgenuss. Ferner ist religiöse Toleranz gegenüber Andersgläubigen<br />

eine Leitvorstellung, und die Gottesdienste finden nicht in einer Moschee,<br />

sondern traditionell donnerstags abends in privaten Versammlungsräumen<br />

(inzwischen auch in öffentlichen Zeremonialräumen - (Emen, d.h. „Haus des<br />

Cem") statt. Bis auf einzelne Anrufungen ist die Sprache der alevitischen<br />

Gottesdienste Türkisch, nicht Arabisch (wie bei sunnitischen Moslems). Das<br />

Alevitentum gilt als eine der liberalsten Richtungen des Islam, und seine Anhänger<br />

sehen sich selbst im Allgemeinen als fortschrittsorientierte, emanzipative<br />

gesellschaftliche Kraft an. 4 Z.T. wird sowohl von einzelnen Alevitinnen und<br />

Aleviten selbst als auch in der Forschung die Zugehörigkeit zum Islam überhaupt<br />

in Frage gestellt und der Status einer eigenständigen Religionsgemeinschaft<br />

abseits des Islam in Anspruch genommen. 5<br />

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