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Augsburger Volkskundliche Nachrichten - OPUS Augsburg ...

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RELIGIÖSE IDENTITÄT<br />

gemeinschaft bedeutet demnach eine Veränderung und Neuinterpretation ihrer<br />

Symbole bzw. des Symbolsystems.<br />

In diesem Zusammenhang betrachte ich auch die Vertreter der Kirche als Symbol<br />

bzw. als Träger des Symbolsystems. Im Katechismus der „Christlichen Lehre"<br />

von Mor Ignatius Aphrem I. Barsaum, dessen Aussagen als Glaubenswahrheiten<br />

aufgefasst und als solche anerkannt werden, 59 wird die Ordnung und Leitung der<br />

Kirche explizit genannt und historisch begründet: „Die Apostel stellten in der<br />

Kirche außer der Ordnung der Bischöfe auch die Ordnungen, d.h. Hierarchie,<br />

Rang- und Weihestufe der Priester und der Diakone, auf. Jesus Christus, das<br />

Oberhaupt der Kirche, hat die Leitung nach seiner Himmelfahrt den heiligen<br />

Aposteln übertragen." 60 Damit handelt es sich um eine göttliche Ordnung. Die<br />

Kritik von Abuna Bitris an den Kirchenvertretern, also Priester oder Bischöfe,<br />

und vor allem an der Gemeinde, die den „ungebildeten Priestern" klaglos folgen<br />

würden, kann als eine Konfrontation des traditionellen Symbolsystems mit der -<br />

ich nenne es jetzt einfach - „säkularisierten Moderne" aufgefasst werden. Sicher<br />

hat Bitris Ögunc Recht, wenn er eine bessere Ausbildung der Priester fordert<br />

Das fängt schon damit an, dass einige Priester in Europas syrisch-orthodoxen<br />

Gemeinden die jeweilige Landessprache nicht beherrschen und damit kaum in<br />

der Lage sind, die Gemeinde nach außen zu vertreten bzw. am Leben und den<br />

Problemen der Residenzgesellschaft Anteil zu nehmen. Dieses intellektuelle<br />

Argument kollidiert jedoch mit der traditionellen Stellung der Priester oder<br />

Bischöfe innerhalb des Symbolsystems. Sie sind für die Gemeinde quasi göttliche<br />

Autoritätspersonen sowie Vertreter und genießen somit per se Anerkennung,<br />

Respekt und Verehrung. Bildung, die Fähigkeit zu predigen, die Vertretung der<br />

Gemeinde nach außen, integres Verhalten der Priester usw. mögen den Grad der<br />

Beliebtheit bestimmen, ändern aber nichts an dem grundsätzlichen Bewusstsein,<br />

dass sie Repräsentanten einer göttlichen Ordnung darstellen und somit nicht<br />

einfach öffentlich kritisiert werden können.<br />

Genauso verhält es sich mit der Auseinandersetzung über Sinn und Unsinn<br />

eigener Kirchenbauten. Denkt man an die fast mystische Bedeutung der Kirchen<br />

und Klöster im Tur Abdin, so kann man sie nicht nur unter dem Aspekt des<br />

finanziellen Aufwands und Nutzen sehen. Die Kirche stellt eine räumliche<br />

Verkörperung des Symbolsystems dar, sowohl in ihrer Bau- und Einrichtungsweise<br />

als auch in ihrem Selbstverständnis. Die Einrichtung des Altarraums, das<br />

Taufbecken, eine spezifische Ausschmückung und die angrenzenden Gemeindesäle<br />

folgen auch in der Diaspora (mehr oder weniger) der syrisch-orthodoxen<br />

Tradition. Die Kirche wird als Ort wahrgenommen, in dem bestimmte Riten<br />

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