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Erwin Schrödinger - <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Leben</strong>? 111<br />
63. Zusammenfassung der physikalischen Sachlage<br />
Wie dem auch sei, wir müssen immer wieder betonen, daß<br />
der Sachverhalt dem Physiker durchaus nicht ohne weiteres<br />
einleuchtet, sondern verblüffend erscheinen muß, weil er ihm<br />
noch nie begegnet <strong>ist</strong>. Entgegen der allgemeinen Vorstellung <strong>ist</strong><br />
nämlich der geregelte Ablauf von Vorgängen nach den Gesetzen<br />
der Physik nie das Ergebnis einer wohlgeordneten Atomkonfiguration<br />
– es sei denn, daß die gleiche Anordnung der<br />
Atome sich sehr viele Male wiederhole, etwa wie in periodischen<br />
Kr<strong>ist</strong>allen oder Flüssigkeiten oder Gasen, die aus einer<br />
großen Zahl identischer Moleküle zusammengesetzt sind.<br />
Der Chemiker <strong>ist</strong> immer vor eine ungeheure Menge gleichartiger<br />
Moleküle gestellt, selbst wenn er es mit einem sehr<br />
komplizierten Molekül in vitro zu tun hat. In diesem Fall haben<br />
seine Gesetze Gültigkeit. Er kann beispielsweise bei einer<br />
bestimmten von ihm entfachten Reaktion voraussagen, daß<br />
nach einer Minute die Hälfte und nach einer weiteren Minute<br />
drei Viertel der Moleküle reagiert haben werden. Ob aber ein<br />
ganz bestimmtes Molekül – angenommen, man könnte seinen<br />
Gang verfolgen – unter denen, welche reagiert haben, oder<br />
unter denjenigen, welche noch nicht erfaßt sind, zu finden sein<br />
wird, das kann er nicht voraussagen. Das <strong>ist</strong> eine Sache des<br />
reinen Zufalls.<br />
Das <strong>ist</strong> nicht etwa eine rein theoretische Mutmaßung. Es<br />
<strong>ist</strong> nämlich gar nicht unmöglich, das Schicksal einer einzelnen<br />
kleinen Atomgruppe oder sogar eines einzelnen Atoms<br />
zu beobachten. Gelegentlich gelingt es uns. Dann stoßen wir<br />
aber stets auf eine vollständige Unregelmäßigkeit, die erst im<br />
Durchschnitt eine Regelmäßigkeit ergibt. Im ersten Kapitel<br />
haben wir ein Beispiel angeführt. Die Brownsche Bewegung<br />
eines in einer Flüssigkeit suspendierten kleinen Teilchens <strong>ist</strong><br />
völlig unregelmäßig. Wenn aber viele gleiche Teilchen vorhanden<br />
sind, so werden sie durch ihre ungeregelte Bewegung das<br />
geregelte Phänomen der Diffusion verursachen.<br />
Der Zerfall eines einzelnen radioaktiven Atoms <strong>ist</strong> beobachtbar<br />
(es sendet ein Geschoß aus, das auf einem Fluoreszenz-