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Erwin Schrödinger - <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>Leben</strong>? 39<br />
derart ungeheure Zahl von Einzelatomen und einzelnen Atomprozessen<br />
gebunden zu sein, daß alle wesentlichen Gesetze<br />
der Physik und der physikalischen Chemie sogar unter den<br />
hinsichtlich der Zahlengrößen sehr anspruchsvollen Forderungen<br />
der stat<strong>ist</strong>ischen Physik sichergestellt wären. Diese Forderung<br />
habe ich vorhin durch die n<br />
-Regel illustriert.<br />
Heute wissen wir, daß sich der Biologe mit dieser Auffassung<br />
im Irrtum befunden hätte. Wie wir sofort sehen<br />
werden, spielen nämlich unglaublich kleine Atomgruppen<br />
eine beherrschende Rolle in den so sehr geordneten und so<br />
gesetzmäßigen Vorgängen innerhalb eines lebenden Organismus,<br />
Atomgruppen, die viel zu klein sind, um exakte stat<strong>ist</strong>ische<br />
Gesetzmäßigkeiten erkennen zu lassen. Sie lenken<br />
die beobachtbaren großmaßstäblichen Merkmale, welche der<br />
Organismus im Laufe seiner Entwicklung erwirbt, sie bestimmen<br />
wesenhafte Eigenheiten seiner Funktionsweise, und in all<br />
dem treten sehr scharfe und sehr strenge biologische Gesetze<br />
zutage.<br />
Ich muß mit einer kurzen Darstellung der biologischen,<br />
besonders der genetischen, Verhältnisse beginnen; ich muß<br />
also den gegenwärtigen Stand des Wissens in einem Gebiet<br />
vorführen, in dem ich nicht zu Hause bin. Es läßt sich nicht<br />
umgehen, und ich bitte besonders die Biologen um Entschuldigung<br />
wegen des dilettantischen Charakters meines Überblicks.<br />
Andererseits bitte ich um die Erlaubnis, Ihnen die allgemein<br />
anerkannten Vorstellungen mehr oder weniger dogmatisch darstellen<br />
zu dürfen. Von einem bescheidenen Vertreter der theoretischen<br />
Physik darf man keinen kompetenten Bericht über<br />
das experimentelle Tatsachenmaterial erwarten, das einerseits<br />
aus zahlreichen langwierigen und prächtig miteinander verbundenen<br />
Reihen von außerordentlich scharfsinnigen Zuchtexperimenten,<br />
und andererseits aus direkten, mit aller Verfeinerung<br />
der modernen Mikroskopie durchgeführten Beobachtungen<br />
der lebenden Zelle besteht.